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Nachdem der EuGH bereits entschieden hatte, dass ein Urlaubsanspruch nur verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, C-120/21), folgt dem nun auch das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20. Danach verfallen Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern nicht mehr automatisch und verjähren auch nicht automatisch nach drei Jahren.

Zusammenfassung:

Wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nicht rechtzeitig auffordern ihren Urlaub zu nehmen und sie vor einer drohenden Verjährung warnen, besteht ein ewiger, nicht der Verjährung unterliegender Urlaubsanspruch auch gegenüber ehemaligen Arbeitgebern.

Erst nachdem die Arbeitnehmer explizit über die drohende Verjährung informiert werden, beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren zu laufen.

 

Verfall von Urlaubsansprüchen durch Erfüllung der sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit

Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte.

 

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Kommt der Arbeitgeber seiner sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nicht nach, kann das regelmäßig zu einer „Ansammlung“ von Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer aus den vergangenen Jahren führen, sodass sich die Frage stellt, inwieweit die Vorschriften über die Verjährung (§§ 194 ff. BGB) Anwendung auf Urlaubsansprüche finden. Mit seinem Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20 hat das BAG dies nun entsprechend den Vorgaben des EuGH entschieden. Danach sind die Verjährungsvorschriften zwar anwendbar, allerdings beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dem Arbeitnehmer kann somit über Jahre hinweg ein nicht der Verjährung unterliegender Urlaubsanspruch zustehen.

 

Ausnahme von der sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Nach bisheriger Senatsrechtsprechung gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist“). Daran anknüpfend verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

 

Europarechtskonforme Auslegung des BUrlG durch das BAG

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Fallkonstellation setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 245/19). Anderenfalls bleibt der Urlaubsanspruch solange erhalten, bis der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommt und den Arbeitnehmer auf die drohende Verjährung des Urlaubsanspruchs hinweist.