Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, das für die Frage der Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrages eines Serienschauspielers einer TV-Serie nicht nur auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG abzustellen ist, sondern ebenso eine Interessenabwägung der gegenseitigen Belange des Filmproduktionsunternehmens und des Schauspielers stattzufinden hat (BAG, Urteil vom 30.8.2017, 7 AZR 864/15).
Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber produziert für das ZDF die Krimiserie „Der Alte“. Der als Kommissar seit 18 Jahren in der Serie eingesetzte Schauspieler wendet sich gegen die Wirksamkeit einer Befristungsabrede seines Arbeitsvertrages. Die Parteien schlossen immer wieder befristete Rahmenverträge sowie Einzelverträge für einzelne Folgen. Das Filmproduktionsunternehmen nahm schließlich eine erneute Verlängerung der Verträge nicht vor und kündigte außerdem das Arbeitsverhältnis zu dem Schauspieler sowohl außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Schauspieler argumentierte, dass die Befristungsabrede im zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag mangels Sachgrundes unwirksam sei und zudem eine unzulässige „Kettenbefristung“ vorläge, da sein Arbeitsvertrag über Jahre hinweg immer wieder befristet verlängert wurde.
Entscheidung
Das BAG folgte der Argumentation des Schauspielers nicht und entschied, dass die Befristung des mit dem Kläger zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG durch die „Eigenart der Arbeitsleistung“ gerechtfertigt ist. Mit der Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber die Befristung von Arbeitsverhältnissen unter andrem durch das durch die Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, geprägte Gestaltungsinteresse des Arbeitsgebers ermöglicht wollen. So ist die Befristung von Bühnenarbeitsverhältnissen des künstlerisch tätigen Bühnenpersonals sachlich gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber auf diese Weise die künstlerischen Vorstellungen des Intendanten mit dem von ihm dafür als geeignet angesehenen künstlerischen Bühnenpersonal verwirklichen und dem Abwechslungsbedürfnis des Publikums Rechnung tragen kann. Diese von der Rechtsprechung geprägten Grundsätze sind nicht auf Bühnenarbeitsverhältnisse beschränkt. Sie gelten entsprechend für Fernsehanstalten und erstrecken sich auch auf Filmproduktionsgesellschaften. Auch eine Produktionsgesellschaft ist Herstellerin eines Kunstwerks. Bei einer Fernsehserie handelt es sich unabhängig von ihrem Niveau oder ihrem künstlerischen Wert um eine freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden, und damit um ein Kunstwerk.
Alleine auf die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit vermochte das BAG die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Schauspielers nicht zu rechtfertigen. Vielmehr erfordert der Sachgrund auch die Berücksichtigung des durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Mindestbestandsschutzes des befristet beschäftigten Arbeitnehmers. Das Interesse des künstlerischen Personals an unbefristeten Arbeitsverhältnissen darf daher bei der Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG nicht unberücksichtigt bleiben. Berücksichtigt wurde in der Interessenabwägung, dass dem Bestandsschutzinteresse des Schauspielers erhebliches Gewicht beizumessen ist, da er rd. 18 Jahre lang aufgrund befristeter Verträge in der Rolle des Kommissars an der Krimiserie mitgewirkt hat und der berufliche und wirtschaftliche Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dieser Produktion lag. In den vertragsfreien Zeiträumen zwischen den einzelnen Produktionen der Folgen konnte der Schauspieler zwar anderen schauspielerischen Tätigkeiten nachgehen, längerfristige und/oder zeitaufwendige Engagements etwa in anderen Serienproduktionen oder an Theatern dagegen konnten wegen der ihm zugestandenen Sperrterminen nur unter Schwierigkeiten realisiert werden. Auf der anderen Seite beschränkte sich das Engagement des Schauspielers ausschließlich auf die Rolle des Kommissars, so dass er nur in dieser Rolle eingesetzt werden konnte. Auch eine langjährige Beschäftigung in der Serie konnte nicht die Erwartung des Schauspielers begründen, die von ihm besetzte Rolle werde auf Dauer bestehen. Ein langjährig bestehendes Format kann eine Fernsehanstalt dazu veranlassen, aus künstlerischen Gründen Veränderungen in der personellen „Grundstruktur“ der von ihr gesendeten Serie vorzunehmen. Zudem war die Produktionsgesellschaft an die künstlerischen Vorgaben des ZDF unmittelbar gebunden, so dass keine Verpflichtung bestand, einen unbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. In einem solchen Fall wäre die Umsetzung eines veränderten Konzeptes der Serie erst nach einer betriebsbedingten Kündigung möglich gewesen, da der Schauspieler bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund seines auf die Rolle des Kommissars zugeschnittenen Schauspielervertrags eine Beschäftigung in der von ihm übernommenen Rolle hätte verlangen können. Seine Beschäftigungsmöglichkeit hing von dem Fortbestehen der Rolle in der Fernsehserie ab.
Fazit:
In der Entscheidung stellt das BAG klar, dass die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG für die Befristung von Arbeitsverhältnissen nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG ein hohes Gut ist. Für die Frage der Wirksamkeit ist dennoch eine umfassende Interessenabwägung der Parteien des Arbeitsvertrages vorzunehmen und zu prüfen, ob der Mindestbestandsschutz von Arbeitsverhältnisses, der wiederum durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet wird, gewahrt bleibt.