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Zu den traditionsreichsten Branchen der Spielzeugindustrie gehört der Modellbau, der für Klein (und häufiger auch Groß) die Möglichkeit bietet sich eine Miniaturausgabe der echten Welt in die eigenen vier Wände zu stellen. Für den unbeteiligten Durchschnittsbürger ist wahrscheinlich nicht nur überraschend von was es alles Modelle mit einem interessierten Abnehmerkreis gibt, sondern auch wie detailgetreu moderne Modelle sein können. Mit zunehmender Detailtreue und Breite der Produktpalette wurde der Modellbau aber auch vor markenrechtliche Schwierigkeiten gestellt, denn auf praktisch allen Gegenständen im Fadenkreuz der Modellhersteller (man denke vor allem an Bagger, Schiffe, Autos etc.) sind heutzutage Marken angebracht. So entsteht das Problem: Darf ein Modellhersteller eine Marke verwenden, um den Original-Gegenstand realitätsgetreu verkleinert als Miniatur zu vertreiben? Der BGH sagte 2010: ja darf er! Damit wurde es bis zu diesem Jahr erst einmal still um die Spielzeugmodelle im Markenrecht. Nun äußerte sich der BGH erneut zur Markenverletzung bei Spielzeugmodellen und eröffnet den Anwendungsbereich seiner Grundsatzentscheidung ausdrücklich auch für anders gelagerte Fälle.

A. Grundsatzentscheidung: Opel-Blitz II

Der Grundsatzentscheidung, des BGH (BGH Urt. v. 14.01.2010 – I ZR 88/08) lag ein Miniatur-Modell des Autos „Opel Adam“ zugrunde, auf dem der „Opel-Blitz“ originalgetreu wie beim echten Auto angebracht war. Opel wehrte sich gegen diese Nutzung der Marke, weil sie darin eine Markenverletzung sahen. Der „Opel-Blitz“ war sowohl für die echten Autos, als auch für die kleinen Spielzeugautos geschützt und Opel stellte selbst über Drittanbieter Spielzeugautos her, auf denen die Marke zu sehen war. In der Verwendung des „Opel-Blitzes“ auf den Spielzeugautos des beklagten Modellherstellers sah Opel eine Verletzung der Marke wegen Doppelidentität von Markendarstellung und Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Hinblick auf die Eintragung für Spielzeugautos (§ 14 II Nr. 1 MarkenG) und wegen unlauterer Ausnutzung der für echte Autos bekannten Marke (§ 14 II Nr. 3 MarkenG).

Das ursprünglich angerufene LG legte dem EuGH die Sache vor, welcher aus europarechtlicher Perspektive antwortete, dass eine Marke auf einem Modell nur dann eine Verletzung wegen Doppelidentität darstellt, wenn ihre Funktion als Marke beeinträchtigt wird oder wenn für die Benutzung der bekannten Marke kein rechtfertigender Grund besteht.

Durch den BGH auf den konkreten Fall angewendet bedeutet das: Eine Marke die nur deshalb auf einem Modell zu sehen ist, weil sich dies „zwangsläufig und beiläufig“ aus der Abbildung der Realität ergibt, beeinträchtigt nicht die Funktion der Marke, weil sie vom Verkehrskreis nicht als Herkunftshinweis verstanden wird, sondern eben nur als beiläufige Konsequenz der Erfordernisse des Modellvertriebs. Nach den Feststellungen der Vorinstanz würden nur knapp über 10% der Konsumenten von Modellautos die Modellautos wegen der Verwendung des „Opel-Blitzes“ mit dem Hersteller „Opel“ identifizieren, die breite Mehrheit erkennt demnach, dass es sich um einen bloßen Versuch der realitätsgetreuen Nachbildung handelt.

Die Rufausnutzung der bekannten Marke erfolgt weiterhin laut dem BGH nicht in unlauterer Weise. Hier weicht er in der Argumentationsstruktur vom EuGH ab, der einen Rechtfertigungsgrund prüft, statt das Merkmal der „Unlauterkeit“ isoliert zu prüfen, das Ergebnis bleibt jedoch dasselbe: Wer sich nur wegen der Notwendigkeiten der realitätsgetreuen Modellherstellung an die bekannt Marke anlehnt, tut das nicht in unlauterer Weise. Der Verkehr erkennt, dass die Bezüge zum Hersteller nicht über die bloße Nachbildung hinausgehen.

Die Entscheidung bedeutete erhebliche markenrechtliche Sicherheit für Modellhersteller, die nun in der Lage waren, auch mit Marken versehene Gegenstände in Miniaturform nachzubilden und diese Modelle zu vertreiben, ohne markenrechtliche Ansprüche zu fürchten.

B. Neue Entscheidung: „Dachser“-Lagerhaus

Weniger alltäglich ist der Gegenstand der Entscheidung von 2023. Es geht um die Nachbildung eines LKWs und eines Lagerhauses des Logistikunternehmens „Dachser“. Ein Unterschied zum „Opel-Blitz“-Fall ist zunächst, dass die Marke „Dachser“ für Spielzeugwaren nicht eingetragen ist, weil vermutlich auch der „Dachser“-Konzern einen Abnehmer-Markt für Modelle eines Logistikunternehmens eher nicht eingeplant hatte und deshalb von einer Anmeldung in dieser Warenkategorie abgesehen hatte. Die Marke war deshalb nur für Logistikdienstleistungen eingetragen und gegen die Nachbildung konnte folglich auch nur wegen unlauterer Ausnutzung der bekannten Marke nach § 14 II Nr. 3 MarkenG vorgegangen werden.

In Bezug auf den LKW stellten sich dabei dieselben Fragen, wie beim „Opel-Blitz“. Unerheblich ist laut dem BGH insbesondere, ob die Marke für Waren oder Dienstleistungen eingetragen ist. Der „Dachser“-Konzern hatte argumentiert, dass eine Marke, die nur für Dienstleistungen eingetragen ist, nicht notwendigerweise auf einer „Ware“, bzw. auf einem für den Konzern repräsentativen Gegenstand, aufgebracht sein muss. Das verfängt nach überzeugender Argumentation des BGH nicht. Es geht schließlich nicht um die markenrechtliche Einordnung der Marke bei der Frage, ob ein Modellhersteller diese verwenden darf, sondern ganz einfach darum, ob die Marke in der Realität auf dem nachgebildeten Gegenstand verwendet wird. Wenn die „Dachser“-LKWs also groß „Dachser“ auf ihrer Ladefläche zu stehen haben, dann kann auch auf den kleinen Nachbildungen an derselben Stelle „Dachser“ stehen.

Interessanter ist die Beurteilung des Lagerhauses. Dieses hatte nämlich kein reelles Vorbild, sondern war lediglich allgemein dem Erscheinungsbild der „Dachser“-Lagerhäuser nachgebildet. Der BGH nennt einige Kriterien, die bis auf die Farbgebung ehrlicherweise auf praktisch jedes Lagerhaus zutreffen, die das Modell-Lagerhaus und echte „Dachser“-Lagerhäuser gemeinsam haben. Am Ende kommt es darauf aber richtigerweise auch gar nicht an. Angesichts der willkürlichen Zweckbauten, die Lagerhäuser nun einmal sind, kann es nicht wichtig sein, ob das streitgegenständliche Modell die Nachbildung eines real existierenden Lagerhauses ist. Solange der Verkehr das Modell als wirklichkeitsgetreue Nachbildung versteht, ist das Modell eine wirklichkeitsgetreue Nachbildung, die der Markeninhaber hinzunehmen hat. Die objektive Nachbildung eines realen Hauses ist dann markenrechtlich unbedeutend, denn bereits in dieser Situation geht der Verkehr davon aus, dass die Marke nur „zwangsläufig und beiläufig“ aufgrund der Nachbildung eines echten Gegenstandes verwendet wurde und schreibt ihr keine Markenfunktion zu.

C. Praxisbedeutung

Die Entscheidung ist kein neuer Meilenstein, sondern eine Festigung von Bekanntem. Sie bietet für die betroffenen Branchen Rechtssicherheit, weil sie klar macht, dass die Kriterien aus der „Opel-Blitz“-Entscheidung grundsätzlich auf alle Modellkategorien übertragbar sind und das auch unabhängig davon, für welche Waren und Dienstleistungen die Marke eingetragen ist.

Interessant ist zudem, dass in der Entscheidung Grenzen der Duldungspflicht des Markeninhabers aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zusammengefasst werden. Dazu gehört z. B. die Nutzung der Marke eines Autoherstellers auf einem Fantasie-Rennwagenmodell, die Nutzung der Marke eines Autoherstellers auf einem Rennwagenmodell, auf dem der Modellhersteller in Abweichung von der Realität seine eigene Marke aufgebracht hat und die Nutzung einer Marke, bei der die Original-Marke nicht an der Stelle angebracht ist, an der sie in der Realität angebracht ist. Hier zeigt sich: Dulden muss der Markeninhaber wirklich nur die „stumpfe“ Miniatur des echten Gegenstandes. Sobald für den Verkehr erkennbar wäre, dass nicht mehr der echte Gegenstand abgebildet wird, sondern dass von diesem abgewichen wurde, kommt eine Markenverletzung wieder in Betracht.

Nicht ganz klar ist damit, wie zum Beispiel mit „Lego“-Nachbildungen von echten Gegenständen umzugehen wäre. Beispielhaft sind die Modelle aus der „Creator“-Serie, die eine Nachbildung des Porsche 911 oder des Santiago Bernabéu, dem Stadion von Real Madrid, enthält. Auf beiden ist die Marke der betreffenden reellen Unternehmens angebracht. Mal angenommen „Lego“ hätte die erforderlichen Lizenzen nicht: Muss der Markeninhaber auch die Nachbildung in der typischen „Lego“-Optik mit seiner Marke dulden oder nimmt der Verkehr hier ein lizenziertes Produkt an? Ist die „Lego“-Optik möglicherweise eine Abweichung von der Realität, die mit dem Aufbringen einer eigenen Marke vergleichbar ist? Das lässt sich nicht klar mit der Rechtsprechung des BGH beantworten. Tendenziell würde hier wieder eine Markenverletzung anzunehmen sein, weil mit der Übertragung in die „Lego“-Bauweise auch eine erhebliche Abweichung von der Realität einhergeht, die es nicht mehr beiläufig erscheinen lässt auch die Marke aufzunehmen. Zudem ist die Marke oft sogar extra als Aufkleber aufzubringen und fügt sich eigentlich gar nicht mehr in die „Lego“-Optik ein, was auch gegen die Beiläufigkeit spricht. Schließlich geht durch die Steckbauweise auch schon so viel Detailtreue verloren, sodass berechtigterweise Zweifel an der Notwendigkeit der Markenverwendung angemeldet werden könnten. Andererseits wird auch durch die spielerisch aufbereitete Zusammensetzung des Modells eine möglichst realitätsgetreue Nachbildung angestrebt. Dabei könnten die Einbußen in der Aufmachung die Verwendung der Marke gerade erforderlich machen, um die Realitätsnähe zu erhöhen.

D. Fazit

Die Entscheidung bietet Rechtssicherheit für den traditionellen Modellhersteller, der möglichst detailgetreue Miniaturen der Wirklichkeit vertreiben will. An der Übertragbarkeit auf innovativere Formen der Miniaturen in der Spielzeugindustrie lässt sich jedoch nach wie vor zweifeln.

Als Modellhersteller muss man außerdem beachten, dass neben markenrechtlichen Ansprüchen auch urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Problematiken beim Vertrieb von Miniaturen auftauchen können. Gerade die typischen interessanten Designprodukte sind regelmäßig urheberrechtlich geschützt oder weisen zumindest wettbewerbliche Eigenart auf.

 

Zur Entscheidung: BGH Urt. v. 12.01.2023 – I ZR 86/22

 

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