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Eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) steht an.

Seit es das Affiliate Marketing gibt, stellt sich die Frage der Haftung des Netzwerks für seine Affiliates und blieb lange umstritten. Der BGH wird demnächst darüber zu entscheiden haben, ob der Betreiber eines Affiliate-Programms für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet. Der Verkündungstermin wurde laut Terminhinweis des BGH für den 26.01.2023 anberaumt.

(Nachtrag vom 18.04.2023: Einen Beitrag zum ergangenen Urteil finden Sie hier.)

Was ist Affiliate-Marketing?

Beim Affiliate Marketing platziert ein werbetreibendes Unternehmen (in der Affiliate-Branche meist „Advertiser“ genannt) zur Vermarktung seiner Produkte oder Dienstleistungen Werbung in Gestalt von Anzeigen, Bannern oder Logos auf Webseiten von anderen natürlichen oder juristischen Personen, den sog. „Affiliates“ (auch „Publisher“ genannt). Die Internetseite der Affiliates betreiben diese selbstständig. Die Affiliates bekommen Provisionen, wenn dem Advertiser wegen ihrer Werbung Kunden zugeführt werden. Advertiser und Affiliates sind über ein sog. Netzwerk verbunden. Diese Netzwerke stellen die Verwaltung und technische Infrastruktur für die Zusammenarbeit von Advertisern und Affiliates bereit. Sie kümmern sich darum, dass Werbeerfolge den richtigen Affiliates zugerechnet werden und tragen für die Abrechnung der Werbeleistungen Sorge. Wenn Affiliate-Werbung zum Erfolg führt, verdient das Netzwerk mit. Ein System, dass sich über 20 Jahre bewährt hat.

Haftungsfragen für das Netzwerk stellen sich immer dann, wenn Affiliates durch ihre Werbung Rechte Rechte Dritter verletzen oder dem Advertiser Schaden zufügen.

Worum geht es aktuell?

In dem letztinstanzlich zu entscheidenden Fall klagt eine Matratzenherstellerin. Auf Beklagtenseite stehen Gesellschaften des Amazon-Konzerns, welche in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Verkaufsplattform Amazon beteiligt sind. Im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms können nämlich Affiliates eingesetzt werden, die auf deren eigener Webseite Links auf die entsprechenden Amazon-Angebote setzen. Der Affiliate erhält bei erfolgreichem Verkauf eine Provision.

Vorliegend warb ein Affiliate auf seiner Webseite für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Amazon-Verkaufsplattform. Diese Werbung des Affiliates sei irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 5a Abs. 1, 2 und 4 UWG, meint die Klägerin. Auf dieser Grundlage macht sie Unterlassungsansprüche geltend. Einmal angenommen, die Werbung wäre tatsächlich irreführend, ist im vorliegenden Fall die Besonderheit: Die Klägerin meint, der Wettbewerbsverstoß des Affiliates sei nicht nur dem Affiliate selbst, sondern auch den Betreibern des Affiliate-Programms (dem Netzwerk) nach § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen. Nach dieser Zurechnungsnorm wäre der Unterlassungsanspruch auch gegen das Netzwerk begründet, wenn die Zuwiderhandlung von einem Mitarbeiter oder von einem Beauftragten begangen wurde.

Was heißt das?

Die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, müsste im Betriebsorganismus des Netzwerks begangen worden sein, zu dem namentlich die Vertriebsorganisation und auch die Werbung gehört. Außerdem muss der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus so eingegliedert sein, dass der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Netzwerk zugutekommt. Auch müsste das Netzwerk jedenfalls auf diejenige Tätigkeit einen Einfluss haben, in deren Bereich das beanstandete Verhalten letzten Endes fällt.

Hierbei spielt eine Rolle, ob das Netzwerk an den Tätigkeiten der Affiliates verdient (ja) und inwieweit die Affiliates bei der Gestaltung und Platzierung ihrer Werbung freie Entscheidungen treffen können.

Bislang hat sich die Tendenz in der Rechtsprechung entwickelt, die eben genannten Grundsätze in ähnlichen Fällen so anzuwenden, dass eine Haftung der Netzwerke nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe GRUR-RR 2020, 386 – Warehouse-Deals; OLG Hamburg GRUR-RR 2021, 26 – Anti-Kartell-Matratze; OLG Düsseldorf 29.10.2020 – 20 U 176/20).

Auch der BGH hatte schon in einer anderen Entscheidung (Urteil vom 7. 10. 2009 – I ZR 109/06) betont, dass eine Haftung als beauftragender Unternehmer im Rahmen einer entgeltlichen Weiterleitung auf die Seite des Auftraggebers anzunehmen ist, wenn durch die Vorgabe der Werbemittel ein bestimmender Einfluss auf die Werbepartner besteht und die Partner nicht selbst über das Setzen des Links entscheiden können. Bei vielen Affiliate-Programmen regeln die Netzwerke die Art- und Weise der Werbung der Affiliates aber nur rudimentär. Meist geht es darum, bestimmte schadensgeneigte Werbeformen zu untersagen (zB E-Mail-Marketing oder Cold Calls) nicht aber dem Werbenden Links und Linksetzung genauestens vorzuschreiben.

In dem laufenden Verfahren hatten das Landgericht und das Oberlandesgericht die Klage bzw. die Berufung der Klägerin abgewiesen. Die beanstandete Werbung des Affiliates sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Eine Haftung der Beklagten für den Wettbewerbsverstoß als Täter oder Teilnehmer sei aber nicht gegeben. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor. Der Grund: Die Beklagten hätten im Rahmen des Werbeprogramms keinen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Affiliates, sodass die Affiliates nicht in die betriebliche Organisation der Beklagten eingebunden. Denn bereits die Entscheidung über das Ob, aber auch die Entscheidung über das Wie der Werbung würden die Beklagten vollständig ihren jeweiligen Werbepartnern überlassen. Allein die Zahlung eines Entgelts für einen bestimmten Werbeerfolg könne nicht dazu führen, dass der Affiliate in die Betriebsstruktur des Netzwerks eingegliedert sei.

Die Klägerin legte Revision ein, über die aufgrund der am 10.11.2022 stattgefundenen Verhandlung nun Ende Januar durch Urteil entschieden wird. Es könnte ein neues Grundsatzurteil des BGH zu der Haftung für Affiliate-Partner werden. Tendenz aus unserer Sicht aber eher: es bleibt bei den Entscheidungen der Vorinstanzen, allerdings kann nach den o.g. Grundsätzen je nach Ausgestaltung des Programms im Einzelfall eine Haftung bestehen.

Für alle Fragen zum Affiliate-Marketing sprechen Sie uns gerne an, denn wir betreuen Unternehmen aus dem Affiliate-Marketing seit fast 20 Jahren.

Autoren: Olivia Wykretowicz und Fabian Reinholz