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Die Schleichwerbung war schon fast in Vergessenheit geraten. Ihr Allzeithoch hatte sie in den Zeiten von „Wetten Dass“, immer wenn Thomas Gottschalk schier hysterisch wurde, weil Gäste in seiner Sendung Auto- oder Getränkemarken nannten. Danach wurde es still um die Schleichwerbung. Bis die Influencer und ein ehrgeiziger Wettbewerbsverband sie zum Leben erweckten.

Vor verschiedenen Gerichten hat der Verband Sozialer Wettbewerb aus Berlin (VSW) in den vergangenen zwei Jahren diverse Influencer wegen unterlassener oder ungenügender Werbekennzeichnung ihrer Social Media Postings verklagt. Die daraufhin ergangenen Urteile, u.a. vom OLG Celle, KG Berlin und vom LG Karlsruhe, füllen die zugrundeliegenden teils verschwommenen gesetzlichen Tatbestände mit Leben. Eine klare Linie der Rechtsprechung ist aber nicht erkennbar. Influencern ist daher aktuell immer noch nicht ganz klar, ob sie a) unterschiedslos jeden Facebook- oder Instagram-Post kennzeichnen müssen, b) nur die Posts, für die sie bezahlt werden oder c) alle Posts, die eine Empfehlung für ein Produkt enthalten, auch wenn es sich um einen rein privaten (nicht bezahlten) Hinweis handelt.

Unlängst hat die Style- und Modebloggerin Cathy Hummels eine Klage des VSW erfolgreich abwehren können. Das LG München (Urteil vom 29.4.2019, Az.: 4 HK O 14312/18) entschied vor wenigen Tagen, dass sie bestimmte Posts auf ihrem Instagram Account nicht mit einer Werbekennzeichnung versehen muss.

Die Entscheidung lässt sich leider keiner der oben genannten Kategorien (a, b oder c) eindeutig zuordnen, sie macht vielmehr eine neue Kategorie (d) auf: LG München tendiert zwar im Grundsatz dazu, dass Posts von Influencern nahezu immer kommerziellen Hintergrund haben, egal ob der konkrete Post bezahlt wird oder nicht. Allerdings müsse nicht gekennzeichnet werden, weil die Werbeabsicht bei Influencern wie Cathy Hummels offensichtlich sei.

Zum Fall:

Cathy Hummels betreibt einen Instagram-Account mit einem blauen Haken (also ein verifizierter Account) und fast einer halben Million Followern. Sie postet meist Bilder von sich mitsamt kurzer Begleittexte. Es geht um das wahre Leben: Mode, Babys, Yoga und Reisen. Ihre Posts sind mit Hinweisen auf die Hersteller der von ihr getragenen Kleidung oder im Bild platzierter Produkte versehen. Die Waren sind teilweise „getagt“. Klickt man auf die entsprechende Stelle im Bild, so erscheint der Name des Herstellers des abgebildeten Produkts nebst Verlinkung zu dessen Internetseite oder Social-Media-Account. Im Streit vor dem LG München ging es u.a. um ein Bild, auf dem Cathy Hummels einen Plüschelefanten der Marke Steiff (Knopf im Ohr) in der Hand hält. Hummels beteuerte, sie habe für die Posts kein Geld bekommen, der Plüschelefant gehöre dem Sohn, er habe in der konkreten Situation lediglich dazu gedient, das Gesicht des Kindes zu verdecken.

Das Verbot der Schleichwerbung ist in mehreren Gesetzen geregelt. Zugrunde liegt der Wille des Gesetzgebers, Verbrauchern gegenüber erkennbar zu machen, wenn sie beworben werden. Werden redaktionelle oder private Inhalte mit werbenden Inhalten vermischt, wird das schwierig. Bei Posts von Influencern besteht das Problem, dass sie den Influencer ganz bewusst in scheinbar persönlichen, zufälligen Situationen, aber fast immer zusammen mit Produkten oder Marken zeigen. Für nicht alle diese Posts wird der Influencer von den Produktherstellern bezahlt. Viele Produktempfehlungen geschehen aus eigenem Antrieb und unentgeltlich, möglicherweise weil der Influencer die Produkte wirklich gut findet.

Während die Schleichwerbeverbote in § 7 Abs. 3 und 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und § 6 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG) tatbestandlich voraussetzen, dass der Werbende nicht selbstlos handelt, insbesondere vergütet wird oder eine ähnliche Gegenleistung für seine Posts bekommt, ist nach dem wettbewerbsrechtlichen Verbot aus § 5a Abs. 6 UWG Voraussetzung, dass der kommerzielle Zweck eines Posts nicht kenntlich gemacht wird.

Das LG München liegt bei dieser Frage vor allem auf einer Linie mit dem KG Berlin (Urteil vom 8.1.2019, Az. 5 O 83/18) und dem LG Karlsruhe (Urteil vom 21.03.2019, 13 O 38/18 KFH), wenn es meint, dass Cathy Hummels wegen ihres Gesamtauftritts über ihren Instagram Account stets kommerzielle Posts absetze. Ausschlaggebend sei dabei, dass ihr gesamter Instagram-Auftritt eine Form der Selbstvermarktung von Cathy Hummels darstelle. Auch unbezahlte Posts dienten daher einem kommerziellen Interesse, nämlich Cathy Hummels als Werbeträgerin für Unternehmen interessant zu machen.

Dass Cathy Hummels am Ende Posts wie den mit dem Steiff-Elefanten nicht kennzeichnen muss, liegt an einer gesetzlichen Ausnahme in § 5a Abs. 6 UWG. Die Werbekennzeichnungspflicht entfällt nämlich, wenn der kommerzielle Zweck für den Verbraucher aus den Umständen erkennbar – also offensichtlich – ist. Das LG München versucht dabei gar nicht erst, zwischen privaten oder geschäftlichen Posts zu unterscheiden, sondern stellt darauf ab, dass der Instagram Account für den Verbraucher insgesamt als geschäftlicher Social Media Auftritt verstanden werde.

Das LG München geht dabei ersichtlich von einer sehr internetaffinen Zielgruppe aus, bei der selbst Kinder und Jugendliche wüssten, dass Influencer und Blogger ihre Tätigkeiten nicht zum Spaß durchführen sondern dass hier ein neues Berufsbild entstanden sei, dass insbesondere Kinder und Jugendliche akzeptierten und zu dem sie sich hingezogen fühlten.

Was heißt das für die Praxis? Für Influencer wäre diese Entwicklung der Rechtsprechung erfreulich, weil sie gar nicht mehr kennzeichnen müssten. Da aber der VSW künftig voraussichtlich weitere Fälle vor anderen Gerichten anhängig machen wird, und solange der BGH nicht mal einen dieser Fälle entscheidet, ist weiter nicht hundertprozentig klar, wann zu kennzeichnen ist. Für die zugrunde liegende Entscheidung war zudem die Bekanntheit von Cathy Hummels und die Anzahl ihrer Follower mitausschlaggebend. Geht es um einen Fall eines Influencer Accounts, der weit weniger bekannt ist, könnte sogar das LG München anders entscheiden.