Auch die seit Ende August/Anfang September im Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorgesehene Ausrichtung an einer „Hospitalisierungsrate“ hält Schrappe für eindimensional und verfehlt. Epidemien seien ein komplexes Geschehen, das sich nicht mit einem Zahlenwert erfassen lasse.
Man agiere nach wie vor „im Blindflug“, es fehle an grundlegenden Erkenntnissen über die Verbreitung des Virus und Ansteckungsrisiken der Geimpften und Ungeimpften. Niemand habe Kohortenstudien in Auftrag gegeben und Menschen aus beiden Personengruppen eine Zeit lang systematisch beobachtet. Stattdessen bilde man willkürliche Kategorien wie die Kategorie der „Impfdurchbrüche“, zu denen man infizierte Geimpfte nur dann zählt, wenn sie Corona-Symptome zeigen.
Schrappe übt Kritik an der politischen Steuerung des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und an deren „bürokratischer Arbeitsweise“, die nicht mehr zeitgemäß sei. Auch die Gesundheitsämter befassten sich viel zu wenig mit der Situation vor Ort – insbesondere in sozial-ethnischen Problemvierteln, stattdessen werden Beamte angewiesen, „aus dem Sessel“ mit großem Aufwand und fraglichen Ergebnissen „Kontakte nachzuverfolgen.
Seit Februar/März 2020 habe man zudem um die großen Gefahren für Alten- und Pflegeheime gewusst. Die Weigerung, bei der Corona-Politik den Schutz vom Risikogruppen in den Mittelpunkt zu stellen, sei einer der größten Fehler gewesen. Schrappe, der prägende Jahre seiner frühen Berufszeit mit der AIDS-Krise in der Kölner Universitätsklinik befasst war, versteht nicht, warum man aus der damaligen Zeit keine Lehren gezogen hat und bis heute nicht weiß, aus welchen Bevölkerungsgruppen die Menschen stammen, die an Corona schwer erkranken. Prävention ist mehr als „Kontaktbeschränkung“.
Am Schluss des Gesprächs geht es um die Gründe, weshalb während der Corona-Krise trotz Subventionen in einer Größenordnung vom 15 Milliarden EUR bundesweit nur noch rund 22.000 statt (im Sommer 2020) rund 35.000 Intensivbetten als „betreibbar“ ausgewiesen werden. 2020 war das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr einiger Klinikketten. Subventionen flossen in die Taschen der Anteilseigner, da es zu wenig Auflagen und zu wenig Kontrollen gab, um sicherzustellen, dass die Gelder zur Bekämpfung des Klinik- und Pflegenotstands verwendet werden.