Prof. Oliver Lepsius lehrt Öffentliches Recht und Verfassungstheorie an der Universität Münster. In zahlreichen Publikationen in Fachzeitschriften und der Tagespresse hat er die Corona-Krise von Anfang an kritisch begleitet und kommentiert.
In einem LTO-Beitrag kritisierte er am 3.12.2021 die BVerfG-Entscheidungen zur Bundesnotbremse und empfahl, die Entscheidung zu Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen als Ausreißer zu behandeln und in Grundgesetz-Kommentaren nicht zu zitieren. In einem weiteren Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 10.12.2021 bezeichnete Lepsius die Karlsruher Entscheidungen als „rechtsstaatlich fahrlässig und unklug“.
Im Gespräch mit Niko Härting legt Lepsius die Gefahren einer „Expertokratie“ dar. Das BVerfG reduziere das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Prüfung, ob es Experten gebe, auf die sich der Gesetzgeber stützen könne. Dabei verzichte Karlsruhe auf eine präzise Bezugnahme auf einen Maßnahmenzweck. Als Teil eines „Gesamtschutzkonzepts“ werde Ungeeignetes zudem verhältnismäßig.
Lepsius wagt keine Prognose, wie das BVerfG über eine mögliche „allgemeine Impfpflicht“ entscheiden wird. Gleichwohl hält er es für dringend geboten, dass die verfassungsrechtlichen Parameter in der politischen Diskussion beachtet werden. Gegen das Argument, Leben zu riskieren, könne sich Politik nur durch die Berufung auf Recht schützen. Dies könnte dazu führen, dass man eine Impfpflicht auf bestimmte Einrichtungen und Personengruppen beschränkt.
In dem Gespräch geht es auch um die Menschenwürde und den Körper als Tabuzone und um mögliche Sanktionen einer Impfverweigerung. Ist eine Durchsetzung per unmittelbarem Zwang denkbar –ähnlich einer Blutentnahme zur Alkoholmessung? Wie sollte man Bußgelder bemessen? Und steht das Datenschutzrecht der Einrichtung eines „Impfregisters“ im Wege? Ist ein solches „Impfregister“ überhaupt praktisch vorstellbar? Wird es Begehrlichkeiten nach einer umfassenden Nutzung der Daten zur Kontrolle des öffentlichen Raums durch Zutrittskontrollen wecken?