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Das Festivalland Brandenburg festigt seinen Ruf und bringt die Interessen von Veranstaltenden und Anwohnern in zeitgemäßeren, veranstaltungsfreundlicheren Ausgleich. Die seit dem 2.7.2020 geltende Freizeitlärm-Richtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (Freizeitlärm-Richtlinie) vom 15.6.2020 (ABl./20, [Nr. 26], S.573) ersetzt die Freizeitlärm-Richtlinie vom 12.8.1996. Für die Veranstaltenden hat sich einiges zum Besseren gewendet. Sie sind jetzt aber auch mehr gefordert. Ein Überblick:

I. Wofür brauchen wir eine Freizeitlärmrichtlinie?

Wenn die zuständige Behörde entscheiden soll, ob und mit welchem Inhalt sie eine
immissionsrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 10 Abs. 3 Satz 1, § 11 Abs. 4 Satz 1 des
Brandenburger Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG) erteilt, steht ihr ein weites Ermessen zu.
Um den Behörden gewisse Leitlinien an die Hand zu geben und damit auch Rechtssicherheit zu
schaffen -Juristen sprechen hier von einer ermessenlenkenden Wirkung (OVG Berlin vom 8.9.2017 –
OVG 11 S 66.17) – greift man in Brandenburg auf die Freizeitlärmrichtlinie zurück.
Sie gilt unter anderem – aber nicht nur – für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien
Diskothekenveranstaltungen, Livemusik-Darbietungen, Popularmusik- und andere Musik-, Kunst- und
Kulturdarbietungen, Platzkonzerte, regelmäßige Feuerwerke, Volksfeste oder anderes stattfinden.
Weiter aber auch für Freilichtbühnen, Autokinos oder Freizeitparks. Ausgenommen sind Sportplätze
und Gasstätten aber auch private Feiern.
Die Beurteilung und Messung erfolgt weiterhin nach den entsprechenden Vorgaben der TA-Lärm,
abhängig vom jeweiligen Gebietstyp und unter Berücksichtigung bestimmter Zuschläge für
bestimmte Ton- oder Impulshaltigkeit und die betroffenen Tageszeiten.

II. Die neue Freizeitlärm-Richtlinie

Die Freizeitlärmrichtlinie unterscheidet „seltene Ereignisse“, Veranstaltungen mit landesweiter,
nationaler oder internationaler Bedeutung und im Sonderfall zu betrachtende besondere
Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz.

1. Zehn plus acht Veranstaltungen

Wie bisher können zehn „seltene Ereignisse“ mit bis zu 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts pro
Immissionsort und Jahr durchgeführt werden. Im Unterschied zur alten Regelung können jetzt acht
weitere Veranstaltungen mit landesweiter, nationaler oder internationaler Bedeutung genehmigt
werden.

2. Sonderfälle mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz

Während bei der alten Freizeitlärmrichtlinie bei einem Beurteilungspegel von tags 70 dB(A) und
nachts 55 dB(A), zu messen beim nächsten Anwohner, Schluss war, sieht die neue Fassung hiervon
Ausnahmen im Einzelfall vor für Veranstaltungen mit einer hohen Standortgebundenheit oder
sozialen Adäquanz und Akzeptanz. Ab 22:00 Uhr sollen jedoch 70 dB(A) und ab 24:00 Uhr 55 dB(A)
grundsätzlich nicht überschritten werden.

a) hohe Standortgebundenheit

Eine hohe Standortgebundenheit wird angenommen bei einem besonderem örtlichem oder
regionalem Bezug. Das setzt voraus, dass ein weniger belästigender Standort nicht zur Verfügung
steht oder der Charakter der Veranstaltung maßgeblich durch den gewählten Standort bestimmt
wird. Das können ebenso Großveranstaltungen sein, wie der BRANDENBURG-TAG oder das
Baumblütenfest in Werder, wie auch einzelne Konzerte oder Aufführungen mitten in der Stadt.
Standortgebundenheit sollen darüber hinaus Feste mit kommunaler Bedeutung – wie ein örtliches
Stadt- oder Gemeindefest – oder gemeinschaftsprägende Veranstaltungen örtlicher Vereine sowie
sonstige Musik-, Kunst-und Kulturveranstaltungen mit regionalem Bezug haben.

b) Soziale Adäquanz und Akzeptanz

Eine soziale Adäquanz und Akzeptanz ist, nach dem Anhang zur Freizeitlärmrichtlinie, dann
anzunehmen, wenn die Veranstaltung eine verbindende soziale Funktion und Bedeutung hat, den
allgemeinen Wertvorstellungen nicht entgegensteht und mehrheitlich befürwortet oder zumindest
geduldet wird. Explizit aufgeführt werden Jubiläumsveranstaltungen, Sonderschauen,
Gartenschauen, Kirchentage, Popularmusik-, Kunst- und Kulturfestivals sowie regionalspezifische
Brauchtumsfeste.

c) Anforderungen an die Veranstaltenden

Sollen Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts überschritten werden, müssen die
Veranstaltenden die Zumutbarkeit explizit begründen und Unterlagen zur voraussichtlichen
Geräuschbelastung vorlegen. Weiter kann ihnen u.a. aufgegeben werden:

  • Ggfls. Vorlage einer Schallimmissionsprognose;
  • Schriftliche, „nachvollziehbare“ Begründung von Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen;
  • Überwachungsmessungen oder Einpegelung durch anerkannte Messstelle nach § 29b
    BImSchG oder durch den qualifizierten Veranstalter;
  • Information der Nachbarschaft;
  • Für die Anwohner optimale Ausrichtung der Beschallungsanlagen;
  • Benennung eines Ansprechpartners und Einrichtung eines Beschwerdetelefons;
  • Intelligente Beschallung der Besucher;
  • Steuerung des Besucherverkehrs;
  • Ersatzunterkünfte, wenn die für seltene Ereignisse maßgeblichen Beurteilungspegel
    erheblich überschritten werden.

d) Anforderungen an die Genehmigungsbehörden

Den Genehmigungsbehörden wird aufgegeben, bei der Genehmigung von herausragenden
Veranstaltungen der Begründung der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung
beizumessen und zu prüfen, inwieweit die vorstehenden Maßnahmen als Nebenbestimmungen
auferlegt werden.

e) Berücksichtigung tieffrequenter Geräusche

Erhebliche Belästigungen durch tieffrequente Geräusche stehen einer ausnahmsweisen Zulassung in
der Tagzeit grundsätzlich nicht entgegen, soweit die Immissionen solcher Geräusche durch den Stand

der Technik entsprechende technische oder organisatorische zumutbare Maßnahmen auf ein
Mindestmaß reduziert werden. Während der Nachtzeit sind erhebliche Belästigungen nicht zulässig.

 

3. Berechnung seltener Veranstaltungstage

Abweichend zu den Bestimmungen über seltene Ereignisse in Ziffer 7.2 TA-Lärm und anderer
Freizeitlärmrichtlinien bestimmt sich die Anzahl der Veranstaltungstage in Brandenburg anhand eines
24-Stunden-Zeitraums von 6:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages. Mit dieser veranstalterfreundlichen
Regelung wird verhindert, dass eine über 22:00 oder 24:00 Uhr hinausgehende Veranstaltung gleich
ein weiteres seltenes Ereignis „verbraucht“.

III. Zusammenfassung

Im Ergebnis hat Brandenburg jetzt deutlich veranstalterfreundlichere Regelungen zur Genehmigung
von Veranstaltungen. Die Anzahl seltener Veranstaltungen wurde von 10 auf 18 erhöht und eine
veranstalterfreundliche Zählweise gewählt. Zudem sind jetzt auch Veranstaltungen möglich mit mehr
als 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts. Im Gegenzug wissen die Veranstaltenden jetzt, welche
Vorarbeiten sie machen und mit welchen Nebenbestimmungen sie rechnen müssen.