Vorab die gute Nachricht: Im Wesentlichen wurden dabei die Regelungen der E-Commerce-RL übernommen, sodass es in den wichtigsten Fragen beim Alten bleibt. Dennoch ergeben sich einige Änderungen, die wir in diesem Beitrag erläutern.
Hierzu ein Veranschaulichungsbeispiel, auf welches wir uns immer wieder beziehen werden: Unternehmer U betreibt einen Onlineshop, auf dem er neben seinen eigenen Produkten auch Drittunternehmen die Möglichkeit bietet, ihre eigenen Waren zu vertreiben.
Für wen gelten die neuen Regelungen?
Der Digital Services Act regelt im Wesentlichen die Haftung von sogenannten „Vermittlungsdiensten“. Hierzu zählen neben Anbietern von „reinen Durchleitungs“- und „Caching“-Diensten insbesondere „Hosting-Provider“. Dies sind Anbieter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen in deren Auftrag speichern. Werden diese Informationen einer potentiell unbeschränkten Zahl von Personen zur Verfügung gestellt, so handelt es sich bei dem Dienst um eine Online-Plattform. In anderen Worten: Jede Online-Plattform ist ein Hostingdienst; aber nicht jeder Hostingdienst ist eine Onlineplattform. (Zum Anwendungsbereich und den Begrifflichkeiten des DSA im Einzelnen siehe auch den Beitrag von Linus Reindl und Jermaine Taylor)
Beispielsweise ist ein Online-Shop, der lediglich eigene Produkte anbietet und keine Nutzerdaten langfristig speichert, in der Regel nicht als Hosting-Dienst zu qualifizieren, weil er keine Informationen von Dritten speichert. Werden dagegen wie in unserem Beispiel (auch) Produkte von Dritten zum Verkauf angeboten, so ist der Online-Shop nicht nur als Hostingdienst, sondern zugleich als Online-Plattform zu qualifizieren. Daneben kann auch die Möglichkeit, Produkte durch Kommentare zu bewerten, dazu führen, dass es sich um einen Hosting-Dienst handelt, denn auch Kommentare stellen Informationen durch Dritte dar. Gegen eine Einordnung als Online-Plattform allein aufgrund einer Kommentarfunktion dürfte allerdings sprechen, dass diese lediglich als unbedeutende Nebenfunktion einzuordnen wäre.
Ab welchem Zeitpunkt haftet ich als Hosting-Provider?
Sofern die Inhalte im Auftrag von Dritten gespeichert werden, besteht für den Betreiber ein sogenanntes „Haftungsprivileg“. Er haftet für rechtswidrige Inhalte solange nicht, wie er keine tatsächliche Kenntnis von ihnen hat. Sobald er Kenntnis erlangt, hat er die Inhalte allerdings umgehend zu entfernen. Eine wichtige Neuerung ergibt sich allerdings aus der Verpflichtung für einige Online-Plattformen sog. Meldewege einzuführen. Erhält ein Anbieter über den Meldeweg eine hinreichende Information zu einem illegalen Inhalt, so wird ab diesem Zeitpunkt von seiner Kenntnis ausgegangen. Wichtig ist auch zu berücksichtigen, dass das Haftungsprivileg nur für fremde Inhalte gilt. Für eigene Inhalte haftet der Anbieter unmittelbar.
Was sind illegale Inhalte im Sinne des Digital Services Act?
Der DSA regelt zwar, wer unter welchen Umständen für illegale Inhalte verantwortlich ist, enthält allerdings keine inhaltlichen Regelungen darüber, was „illegal“ ist. Dies kann sich aus jeder Bestimmung des deutschen oder europäischen Rechts ergeben.
Bietet der Unternehmer U auf seiner Plattform gefälschte Schuhe an oder tun dies Dritte auf seiner Plattform so ergibt sich die Illegalität der Inhalte nicht aus dem DSA, sondern aus dem Markengesetz. Entsprechend folgt die Illegalität aus dem Strafgesetzbuch, wenn Nutzer der Plattform Beleidigungen in den Kommentaren des Webshops hinterlassen. Die Bestimmung, ob ein Inhalt als illegal zu bewerten ist, ist letztlich aber immer vom Einzelfall abhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden.
Vorsicht beim „Zu-Eigen-Machen“ von Inhalten
Der DSA selbst hingegen regelt nur einen Spezialfall des Zu-Eigen-Machens, welcher Online-Plattformen, die den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern ermöglichen (= FVOP), betrifft. Dabei können sich solche Plattformen hinsichtlich der verbraucherschutzrechtlichen Haftung nicht auf das Haftungsprivileg berufen, wenn das Produkt in einer Weise angeboten wird, in der der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen darf, dass das Produkt von der Plattform selbst angeboten wird.
Werden, wie in unserem Beispiel, sowohl Produkte des Betreibers als auch von Dritten angeboten, so wäre dies beispielsweise der Fall, wenn bei der Produktseite nicht eindeutig ersichtlich ist, dass es sich um das Produkt eines Drittanbieters handelt.
Um das Risiko eines Zu-Eigen-Machens zu minimieren, gilt folgendes:
- Achten Sie darauf, dass Fremdinhalte eindeutig als solche erkennbar sind, sofern dies nicht schon der Natur der Sache nach offensichtlich ist (z.B. bei Nutzerkommentaren).
- Verzichten Sie auf Disclaimer, wonach Sie Inhalte vor Veröffentlichung prüfen. Disclaimer können ohnehin nur die bestehende Haftung erläutern, sie jedoch nicht beschränken.
Muss ich jetzt aktiv nach illegalen Inhalten suchen?
Nein. Hosting-Provider sind nach wie vor nicht dazu verpflichtet nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Sofern dies dennoch aus Eigeninitiative erfolgt, bleibt es dabei, dass eine Haftung erst dann besteht, wenn positive Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten besteht. Ein Anbieter haftet also nicht dafür, dass er bei seinen freiwilligen Suchen bestimmte Inhalte übersehen hat. Damit soll vermieden werden, dass Anbieter, die proaktiv tätig werden schärfer haften, als solche die sich rein passiv verhalten.
Zusammenfassung
- Für eigene Inhalte hafte ich unmittelbar und kann jederzeit in Anspruch genommen werden.
- Für fremde Inhalte hafte ich als Diensteanbieter erst, sobald ich Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten erlange und daraufhin untätig bleibe.
- Unter Umständen kann eine unzureichende Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigeninhalten oder die vorherige Prüfung von Inhalten zu einer unmittelbaren Haftung wie für eigene Inhalte führen.
- Plattformbetreiber sind grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv nach illegalen Inhalten zu suchen.
Weitere Inhalte zum Digital Services Act
Zum Anwendungsbereich und den einzelnen Kategorien: „Neuer Digital Services Act: Bin ich betroffen?“ von Linus Reindl und Jermaine Taylor