Direkt zum Inhalt wechseln

Das OLG Köln (Urteil vom 09.12.2022 – 6 U 40/22) hat ein gegen den IDO (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) ergangenes Urteil vom LG Köln (Urteil vom 26.01.2022 – 81 O 35/21) aufgehoben und die Zahlungsforderungen des Klägers abgewiesen.

Hintergrund

Das LG Köln hatte dem Kläger Ansprüche auf Rückzahlung von Vertragsstrafen und Abmahnkosten sowie Erstattung von im Rahmen der Kündigung entstandenen Anwaltskosten zugebilligt, weil sich die zugrundeliegende Abmahnung als rechtsmissbräuchlich erwiesen hatte. Insbesondere die in dem Urteil veröffentlichen Höhe der Vergütung der Vorstände und Mitarbeiter:innen des IDO hatten Aufsehen erregt (auch wir berichteten darüber).

Die Entscheidung

Das OLG stellte nun fest, dass die Klage nicht schlüssig sei, weil es den geltend gemachten Zahlungsforderungen an einer Anspruchsgrundlage fehle. Die Frage, ob die ursprüngliche Abmahnung aus dem Jahr 2015 tatsächlich rechtsmissbräuchlich gewesen ist, hat das Gericht jedoch ausdrücklich offengelassen.

Das OLG kam letztlich zu dem Schluss, dass trotz der vom LG Köln festgestellten hohen Vergütungen von Mitarbeiter:innen und des teilweise Nichtvorgehens gegen IDO-Mitglieder sowie der Vereinsstruktur, man dem IDO keinen durchschlagenden Schädigungsvorsatz nachweisen könne.

Im Einzelnen:

  1. Kein Anspruch auf Rückzahlung der Vertragsstrafe

Hinsichtlich der Rückforderung der gezahlten Vertragsstrafe zählte das OLG Köln alle in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen systematisch auf und nahm dabei Stellung zu grundlegenden wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen.

Vertragliche Ansprüche

Das Gericht wies darauf hin, dass der Kläger keine vertraglichen Ansprüche geltend gemacht habe und diese ohnehin nicht vorlägen.

Ansprüche aus UWG

Mangels Wettbewerbsverhältnis entfielen schon mögliche Anspruchsgrundlagen aus dem UWG.

Geschäftsführung ohne Auftrag

Die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB griffen nicht. Der IDO habe kein Geschäft im Interesse des Klägers ausgeführt, sondern eigene vertragliche Ansprüche aus dem Unterlassungsvertrag geltend gemacht.

Deliktische Ansprüche

Deliktische Ansprüche nach den §§ 823 ff. BGB lehnte das Gericht ebenfalls ab. Eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb läge nicht vor. Ein solcher Schadensersatzanspruch komme nur bei einem unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff in Betracht. Anders als bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung liege bei einer unberechtigten Aufforderung zur Zahlung einer wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafe keine unmittelbare Betriebsbezogenheit vor.

Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 UWG, § 7 UWG und/oder § 8 Abs. 4 UWG a.F. seien schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den UWG-Vorschriften nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB – Betrug – bestehe ebenfalls nicht. Das Gericht war der Ansicht, dass es bereits an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes fehle, denn der beklagte IDO Verband habe keinen Irrtum über Tatsachen erregt:

Der Beklagte hat bei Abschluss des Unterlassungsvertrages gegenüber der Klägerin letztlich nur die – keine Tatsachenbehauptung beinhaltende – Rechtsansicht vertreten, zur Geltendmachung von Vertragsstrafe berechtigt zu sein. Entsprechendes gilt für die Abmahnung.

(…) Soweit Abmahnung und Vertragsstrafeforderung daneben auch noch die konkludente Tatsachenbehauptung des Beklagten beinhalten mögen, seine Berechtigung zur Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen und Durchsetzung von Vertragsstrafen sei generell anerkannt, war dies zum damaligen Zeitpunkt keine unrichtige Tatsachenbehauptung. Eine Vielzahl von Gerichten hatte den Ansprüchen des Beklagten ohne weiteres stattgegeben.

Dass der Beklagte aktiv über die Tatsache getäuscht hat, in Verfolgung wettbewerbspolitischer Ziele zu handeln, kann nicht angenommen werden. Ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein ist nicht feststellbar. Insbesondere kann (auch bei unterstelltem objektiven Rechtsmissbrauch) nicht festgestellt werden, dass und ggf. wann den Handelnden auf Beklagtenseite klar geworden ist, dass sie primär zur Einnahmenerzielung, nicht aber zur Verfolgung wettbewerbspolitischer Ziele gehandelt haben. Dass der Beklagte bereits gezielt als sog. „Abmahnverein“ gegründet wurde, ist weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch ein Anspruch aus § 826 BGB lehnte das Gericht ab. Diesbezüglich sah das OLG letztlich das Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung nicht als nachgewiesen an und stellte fest:

Aufgrund der Fristenregelung bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 124 BGB), die nicht umgangen werden darf, genügt nicht jede arglistige Täuschung, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Zu der arglistigen Täuschung muss jedenfalls ein bedingter Schädigungsvorsatz hinzukommen, um einen Anspruch aus § 826 BGB begründen zu können (…).

(…) Vorliegend kann schon nicht von einer arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) über die Anspruchsberechtigung durch die Beklagte ausgegangen werden.

(…) Der Beklagte ist im Grundsatz zur Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Normen tätig geworden (…). Zahlreiche Gerichte hatten die Aktivlegitimation des Beklagten regelmäßig bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat bis heute nicht festgestellt, dass der Beklagte strukturell rechtsmissbräuchlich agiert, obwohl sich in jüngster Zeit kritische Stimmen seitens der Oberlandesgerichte mehren. Daher kann – auch wenn der Beklagte die eigenen internen Verhältnisse selbst geschaffen hat und diese daher kennt – nicht davon ausgegangen werden, dass dieser selbst ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat.

Kondiktionsansprüche

Kondiktionsansprüche nach den §§ 812 ff. BGB lehnte das Gericht ebenfalls ab. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB liege nicht vor, denn die Vertragsstrafenzahlung beruhe auf einem Rechtsgrund, nämlich dem Unterlassungsvertrag. Dieser Vertrag sei nicht durch Anfechtung rückwirkend aufgehoben, weil insbesondere die Anfechtungserklärung nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemäß § 124 BGB ausgesprochen worden sei.

Die ausgesprochene Kündigung hebe den Unterwerfungsvertrag nur für die Zukunft auf. Vergangene Zahlungen seien nicht von ihr erfasst. Zu demselben Ergebnis käme man auch bei der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

 

  1. Keine Rückerstattung der Abmahnkosten

Das OLG stellte fest, dass es für eine Forderung auf Rückerstattung der gezahlten Abmahnkosten ebenfalls keine Anspruchsgrundlage gäbe. Der Kläger habe die vom IDO vorformulierte Unterlassungserklärung unterschrieben und so (neben den möglicherweise nachträglich entfallenen gesetzlichen Kostenansprüchen aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F./ § 13 Abs. 3 UWG n.F.) einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten geschaffen.

 

  1. Keine Erstattung von Rechtsverfolgungskosten

Die Erstattung der für die Kündigung des Unterlassungsvertrages angefallenen Kosten hat das Gericht konsequenterweise dann auch zurückgewiesen. Ein diesbezüglicher Kondiktionsanspruch nach §§ 812 ff. BGB wurde abgelehnt, weil der IDO nichts aus der Kündigung erlangt habe.

Fazit

Zunächst weist dieses Urteil deutlich auf die Grundregel hin, dass man die von dem Gegner vorformulierte Unterlassungserklärungen niemals ungeprüft unterschreiben darf. Hätte der Kläger eine modifizierte Unterlassungserklärung ohne den Passus mit der vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Abmahnkosten abgegeben, wäre ihm wahrscheinlich zumindest ein diesbezüglicher Erstattungsanspruch zugesprochen worden.

Hinsichtlich der Rückforderung der Vertragsstrafe können Betroffene überprüfen lassen, ob sie diese mittels einer fristgerechten Anfechtung der von ihnen abgegebene Unterlassungserklärung zurückfordern können. Die Ausführungen des OLG zur arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB sind nicht überzeugend und könnten von anderen Gerichten mit guten Gründen anders gewertet werden.