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In seinem Urteil vom 21.05.21 (Az.: 9 TaBV 28/20) entschied das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln), dass die Einführung von Microsoft 365 der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates nach §87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt, da es sich um eine Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen handelt, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Zum Sachverhalt und den Vorinstanzen

Die d -d GmbH & Co. KG betreibt in W ein Verteilzentrum und ist Bestandteil der d -Gruppe. Die IT-Gesellschaft der d -Gruppe, die T GmbH hat gemeinsam mit der d -d GmbH & Co. KG (im Folgenden Arbeitgeberinnen) den Gemeinschaftsbetrieb Kombi-VZ W gegründet. Der Antragssteller ist der am Standort W gebildete Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes.

Die Arbeitgeberinnen wollten Microsoft Office 365 in allen ihren Unternehmen einführen. Sie formulierten eine Vorhabensbeschreibung für den Betrieb W und verhandelten diese mit dem Gesamtbetriebsrat, welcher der Einführung zustimmte. Die von dem Antragsteller und den Arbeitgeberinnen eingerichtete Einigungsstelle, die zwecks der Einführung von Microsoft 365 eingerichtet wurde, beschloss am 13.12.2019, dass sie für das Thema der Einführung von Microsoft 365 unzuständig sei.

Am 18.12.2019 beschloss der Antragssteller den Beschluss der Einigungsstelle anzufechten und wollte feststellen lassen, dass er als örtlicher Betriebsrat für die Einführung von Microsoft 365 zuständig sei und nicht der Gesamtbetriebsrat.

Der Antragssteller stellte das Bestehen einer zwingenden technischen Notwendigkeit in Frage und verwies auf eine Regelungsabrede, nach welcher er unabhängig von einer eventuellen Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates an der Entscheidung zu beteiligen sei.

Das Arbeitsgericht Bonn hatte mit Beschluss vom 20.05.2021 den Antrag zurückgewiesen. Die zentrale Datenspeicherung für alle Betriebe in einer Cloud und zentralem Zugriff zu diesen Daten durch Administratoren der Arbeitgeberinnen von dem Betrieb in K aus, würde dazu führen, dass nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat der d -d GmbH & Co. KG bzw. der d T GmbH für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zuständig sei. Eine unternehmenseinheitliche Regelung sei demnach zwingend und die Angelegenheit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat zuzuweisen.

Der Antragssteller ging gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn in Berufung. Er stellte dabei insbesondere das Bestehen eines notwendig zwingenden technischen Erfordernisses in Frage. Er führte aus, dass die einzelnen Module aufgrund unterschiedlicher betrieblicher Bedürfnisse und Erfordernisse differenziert für die einzelnen Betriebe genutzt werden könnten.

Zu den Entscheidungsgründen

Das LAG Köln bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn. Das LAG Köln argumentiert, dass die Einwilligung in die Einführung von Microsoft 365 der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliege, da es sich bei der Einführung der Microsoft 365 Software um eine technische Einrichtung handelt, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Es wurde ausgeführt, dass die Software grundsätzlich in der Lage sei, Nutzungsverhalten wie etwa die Nutzungszeit zu erfassen und Nutzungsanalysen zu erstellen. Ob eine subjektive Überwachungsabsicht tatsächlich vorlag, sei laut dem LAG Köln irrelevant.

Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimme sich laut LAG Köln nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der der zu regelnden Angelegenheit zu Grunde liege. Maßgeblich seien somit stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe. Eine technische Notwendigkeit würde unter anderem dann vorliegen, wenn im Wege der elektronischen Datenverarbeitung Daten aus mehreren Betrieben erhoben und verarbeitet werden würden und diese dann zur Weiterverarbeitung an andere Betriebe übertragen werden. Diese Betriebe müssten zur Verarbeitung und Nutzung der Daten folglich dieselbe Software verwenden. Die unterschiedliche Ausgestaltung von Microsoft 365 und seinen Modulen in den einzelnen Betrieben wäre mit der einheitlichen Funktion der Datenweitergabe und -verarbeitung nicht vereinbar.

Eine technische Notwendigkeit liege nach Ansicht des LAG Köln auch dann vor, wenn erhobene Daten betriebsübergreifend verknüpft werden könnten und hierdurch die von den Arbeitnehmern erhobenen Leistungs- und Verhaltensdaten unternehmensweit erhoben, gefiltert und sortiert werden könnten.

Eine unternehmenseinheitliche Regelung ist folglich aufgrund der zentralen Administration des Systems, die wegen der Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten eine zentrale Datenverarbeitung darstellt und der Speicherung der Daten in einer Cloud, unerlässlich. Eine unternehmensweite Betroffenheit liege vor. Die Einführung von Microsoft 365 unterliegt somit der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sofern eine technische Notwendigkeit, wie in diesem Fall, vorliegt. Diese Zuständigkeit könne auch nicht wie vom Antragssteller vorgetragen an ihn abgegeben oder anderweitig durch Vertrag, Vereinbarungen oder Abreden abgetreten werden.

Fazit

Eine Individuelle Einrichtung in den einzelnen Betrieben von den in Microsoft 365 enthaltenen Modulen ist nur bedingt möglich, wenn eine zentrale Cloud zur Speicherung der Daten verwendet wird. Module, wie Sway, Planner oder Yammer lassen sich nur für verschiedene Nutzergruppen durch einen zentralen Administrator an- oder ausschalten. Das Modul Teams ermöglicht vielleicht unterschiedliche Einstellungen für unterschiedliche Gruppen, aber diese Einrichtung muss ebenfalls durch einen zentralen Administrator erfolgen und kann nicht durch lokale Anwender vorgenommen werden. Während es vielleicht einzelne Module gibt, bei denen nach der Installation keine Cloud Nutzung mehr erforderlich ist, handelt es sich im vorliegenden Fall um das Gesamtpaket Microsoft 365. Um eine unternehmenseinheitliche Einrichtung und die Zustimmung des Gesamtbetriebsrates kommt man folglich nicht herum.

Quelle

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2021/9_TaBV_28_20_Beschluss_20210521.html