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Völlig unerwartet hat die E-Sport-Organisation Fnatic ihren League-of-Legends (LOL) Spieler Jona „Reptile“ Fritz außerordentlich fristlos gekündigt, nachdem dieser sich auf seinem Stream live mit einem seiner Accounts bei LOL einloggte, der im Spiel den Namen „HITLER199“ trug. Auf Twitter entschuldigte sich „Reptile“ bereits und stellte klar, dass er den Account mit einem Freund geteilt habe und dieser den Namen verändert habe.

Inwieweit eine außerordentliche Kündigung – auf Grundlage des uns bekannten Sachverhalts – nach deutschem Recht möglich ist, soll im Nachfolgenden veranschaulicht werden.

Kein Recht des Verwenders zur Benennung von wirksamen außerordentlichen Kündigungsgründen im Vertrag

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist ein sog. „zwingendes Recht“ und somit nicht verhandelbar, es kann also in einem Arbeits- bzw. Dienstvertrag nicht ergänzt, erweitert oder ausgeschlossen werden. Im Klartext bedeutet dies, dass der Arbeitgeber (Fnatic) nicht ohne Weiteres Gründe in den Arbeits- bzw. Dienstvertrag aufnehmen kann, die seiner Meinung nach die Rechtsfolge haben, dass eine außerordentliche Kündigung wirksam ist.

 

Gesetzliches Recht zur außerordentlichen Kündigung, § 626 BGB

Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung beurteilt sich ausschließlich nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Vorliegen eines wichtigen Grundes

Erste Voraussetzung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung liegt vor, wenn Fnatic unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann, das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis mit „Reptile“ überhaupt (und sei es nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder Befristung) fortzusetzen.

Ein solcher Grund könnte hier ggf. sowohl in dem Teilen des Accounts, sog. „Account-Sharing“ mit einem Dritten, als auch in der Nutzung des In-Game-Namens „HITLER199“ beim Livestream liegen.

Account-Sharing

Grundsätzlich ist das Teilen eines Accounts nach Ziffer 1.5 der Nutzungsbedingungen des Spielepublishers, Riot Games, jedem Spieler untersagt. Der Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen des Publishers begründet im Vertragsverhältnis zwischen Fnatic und „Reptile“ jedoch noch keinen außerordentlichen Grund zur Kündigung, weil der Verstoß das Vertragsverhältnis selbst nicht betrifft.

Denkbar und wahrscheinlich ist jedoch, dass Fnatic mit „Reptile“ in dem Arbeits- bzw. Dienstvertrag eine Regelung getroffen hat, die ihm „Account-Sharing“ von betrieblich zur Verfügung gestellten Accounts verbietet. Eine explizite Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts bei Verstoß gegen diese Regelung dürfte jedoch nicht getroffen worden sein, da eine derartige Regelung aller Wahrscheinlichkeit nach deshalb unwirksam wäre, weil sie das gesetzliche Kündigungsrecht zu Fnatics Gunsten unzulässiger Weise erweitern würde.

Sollte Fnatic den Account für „Reptile“ bereitgestellt haben, wäre eine außerordentliche Kündigung im Falle des „Account-Sharings“ als Ultima Ratio denkbar, wenn mildere Mittel, „Reptile“ von weiteren Verstößen abzubringen, nicht in Betracht kommen. Ein milderes Mittel ist in Anstellungsverhältnissen z. B. die Aussprache einer Abmahnung gegenüber dem/der Angestellten.

Sollte es sich bei dem Account um einen eigenen Account von „Reptile“ handeln, kann allein auf Grundlage des „Account-Sharings“ keine wirksame außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Es ist ausschließlich Sache des/der Angestellten, wie er/sie mit seinen/ihren privaten Accounts in der Freizeit verfährt.

Verstoß gegen etwaige Ethik- oder Compliance-Richtlinien von Fnatic

Dadurch, dass „Reptile“ den In-Game-Namen „HITLER199“ für einen kurzen Moment in seinem Livestream verwendet hat, nachdem er den Account mit einem Freund geteilt hat, der den In-Game-Name in „HITLER199“ umbenannt hat, sah es für seine Zuschauer zumindest kurzzeitig so aus, als würde er die Nutzung des Pseudonyms „Hitler“ gutheißen und sich damit identifizieren können.

Darin könnte ein Verstoß gegen etwaige Ethik- oder Compliance-Richtlinien von Fnatic zu sehen sein, die sich klar von u.a. rassistischen und nationalsozialistischen Gedankengut distanzieren. Eine außerordentliche Kündigung wegen des Verstoßes gegen derartige Compliance-Richtlinien erfordert jedoch in der Regel ebenfalls die Aussprache einer vorherigen Abmahnung.

PR-Desaster für Fnatic

Da durch die Nutzung des In-Game-Namens „HITLER199“ nicht nur ein erheblicher Imageschaden für „Reptile“ entstanden ist, sondern dies auch die Gefahr birgt, dass ebenfalls ein Imageschaden für Fnatic entstehen kann, wenn sie sich nicht schnellstmöglich von „Reptile“ trennen, könnte dies unter Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Mögliche Sperrung von „Reptile“ durch Riot Games

Denkbar wäre auch , dass „Reptile“ durch die Nutzung des In-Game-Namens „HITLER199“ gegen Ziffer 7.1 Nr. 5 der Nutzungsbedingungen von Riot Games verstoßen hat, so dass Riot Games sämtliche Accounts von „Reptile“ sperren und ihn temporär von LOL verbannen könnte.

In diesem Fall könnte „Reptile“ an dem Spiel LOL nicht mehr teilnehmen und könnte somit auch seiner arbeits- bzw. dienstvertraglichen Verpflichtung für Fnatic als Spieler aufzutreten, nicht mehr nachkommen. Auch hierin könnte ein außerordentlicher Kündigungsgrund gesehen werden.

Interessenabwägung

Jede außerordentliche Kündigung erfordert eine umfassende Interessenabwägung.

Dabei sind das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung und das Interesse des/der Angestellten an der Aufrechterhaltung des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses gegenüberzustellen. Für den Kündigenden darf es keinen angemessenen Weg geben, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (Ultima-Ratio-Prinzip). Auf Seiten des/der Angestellten ist zu berücksichtigen, inwieweit das Handeln erkennbar war und er/sie damit rechnen musste, ob der Arbeitgeber dieses toleriert.

Vorliegend dürfte insbesondere der mögliche Imageschaden an Fnatic dazu führen, dass das Interesse von Fnatic zur Auflösung des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses dem Interesse von „Reptile“ an der Aufrechterhaltung überwiegt. Ein Festhalten am Vertrag mit „Reptile“ wird Fnatic insbesondere deshalb nicht zumutbar sein, da der durch die Nutzung des In-Game-Names „HITLER199“ einmal entstandene Zweifel an der Gesinnung von „Reptile“, sich auch erheblich auf Vertragsverhandlungen von Fnatic mit Sponsoren oder anderen Spielern auswirken dürfte, die bei einem Festhalten am Vertrag durch Fnatic wohl ebenfalls Zweifel an der Gesinnung der Organisation haben dürften.

 

Vorgehensweise bei einer außerordentlichen Kündigung als Angestellte/r

Wollte sich „Reptile“ gegen die Kündigung wehren wollen, wonach es zur Zeit nicht aussieht, müsste er nach deutschem Recht eine Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht erheben, sofern die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüft werden soll.

Zwar gilt das Kündigungsschutzgesetz nur für Arbeitnehmer/innen. Häufig werden Arbeitnehmer/innen jedoch fälschlicherweise als „freie Mitarbeiter“ angestellt, obwohl sie tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet haben (Scheinselbstständigkeit). In dem Fall gilt auch für diese die 3 Wochen Frist.