Umweltbezogene Werbeaussagen, sogenannte Green Claims, sind seit Jahren ein beliebtes Mittel, um Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen als nachhaltig oder besonders umweltfreundlich zu positionieren. Doch mit der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit steigen auch die rechtlichen Anforderungen an die Beweisbarkeit und Transparenz solcher Aussagen. Auf EU-Ebene stehen nun umfassende Neuregelungen bevor, die Unternehmen dringend im Blick behalten sollten.
Green Claims: Werbung mit der Umwelt
Green Claims sind Aussagen, die einen positiven Einfluss eines Produkts oder Unternehmens auf die Umwelt suggerieren – etwa durch Begriffe wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“. Gerade weil solche Aussagen stark auf das Verbraucherverhalten wirken, haben sie oftmals ein hohes Irreführungspotenzial. Die Rechtsprechung in Deutschland verlangt daher bereits heute eine klare, wahrheitsgemäße und unmittelbar nachvollziehbare Aufklärung der Verbraucher. Wer irreführende Angaben macht, handelt unlauter.
Zentrale Maßgabe ist es, dass Umweltaussagen nicht nur werbewirksam, sondern tatsächlich belegbar sind. Hinweise zur Erläuterung mehrdeutiger Begriffe müssen direkt in der Werbung selbst erfolgen. Aufklärung ausschließlich durch nachgelagerte Informationsquellen, etwa auf Webseiten, reicht in der Regel nicht aus.
Neuer Ordnungsrahmen durch die EmpCo-Richtlinie
Mit der im Februar 2024 verabschiedeten EmpCo-Richtlinie (2024/825) schärft die Europäische Union das Lauterkeitsrecht und schafft einen neuen Ordnungsrahmen, um irreführenden Umweltaussagen wirksam entgegenzutreten. Die Richtlinie ändert die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) sowie die Verbraucherrechte-Richtlinie und stellt insbesondere an die Zulässigkeit von Green Claims deutlich höhere Anforderungen.
Neue Begriffe und Definitionen im UWG
Zentrale Neuerung ist die Einführung mehrerer neuer Begriffsbestimmungen in Artikel 2 der UGP-Richtlinie:
- „Umweltaussage“: Jede kommerzielle Aussage, die besagt oder andeutet, dass ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen positive oder keine Auswirkungen auf die Umwelt hat oder umweltfreundlicher ist als andere.
- „Allgemeine Umweltaussage“: Eine nicht konkretisierte Umweltaussage wie z. „umweltfreundlich“ oder „grün“, die ohne unmittelbare Erläuterung auf demselben Medium erfolgt.
- „Nachhaltigkeitssiegel“: Freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenszeichen, das ökologische oder soziale Merkmale hervorhebt. Ein solches Siegel ist künftig nur zulässig, wenn es auf einem Zertifizierungssystem beruht.
- „Zertifizierungssystem“: Ein System zur Drittprüfung, das bestimmten Anforderungen genügt (z. öffentliche Zugänglichkeit der Kriterien, Möglichkeit des Entzugs bei Verstößen, objektives Prüfverfahren).
Neue Irreführungstatbestände
Die Richtlinie baut außerdem den Irreführungstatbestand aus und macht ihn gewissermaßen „grüner“. Eine Irreführung liegt bei unwahren Angaben oder sonstigen Angaben vor, die zur Täuschung über wesentliche Merkmale einer Ware geeignet sind. Ein wesentliches Merkmal ist etwa die Beschaffenheit einer Ware. Wesentlich sind künftig auch ökologische und soziale Merkmale, Zubehör und Zirkularitätsaspekte wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit.
Irreführend ist nach der neuen Regelung insbesondere das Treffen einer Umweltaussage über die künftige Umweltleistung eines Produkts oder Unternehmens, wenn diese nicht durch klare, objektive, öffentlich einsehbare und überprüfbare Verpflichtungen untermauert ist. Solche Verpflichtungen müssen in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan festgelegt sein, der messbare und zeitgebundene Ziele sowie weitere relevante Elemente enthält – etwa die Zuweisung interner Ressourcen. Zudem ist eine regelmäßige Überprüfung durch einen unabhängigen externen Sachverständigen erforderlich, dessen Erkenntnisse den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugänglich gemacht werden müssen.
Die Richtlinie erweitert außerdem die sog. „schwarze Liste“ geschäftlicher Handlungen, die gegenüber Verbrauchern stets unzulässig sein sollen, darunter etwa:
- das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurde,
- das Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, wobei der Gewerbetreibende die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nicht nachweisen kann,
- das Treffen einer Aussage, die sich auf der Kompensation von Treibhausgasemissionen begründet und wonach ein Produkt hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat,
- sowie zahlreiche weitere fehlerhafte oder ausbleibende Erfüllungen von Informationspflichten.
Neue Informationspflichten gegenüber Verbrauchern
Mit der EmpCo-Richtlinie wurden auch umfangreiche Informationspflichten in die Verbraucherrechte-Richtlinie eingefügt. Diese betreffen nicht nur klassische Waren, sondern auch digitale Inhalte und Dienstleistungen. Unternehmen müssen künftig klar und verständlich über umweltfreundliche Lieferoptionen informieren. Die ohnehin bereits bestehenden Pflichten werden um Informationen über das Bestehen gesetzlicher Gewährleistungsrechtewerden ausgeweitet. Künftig ist hierfür die Verwendung sog. „harmonisierter Mitteilungen“ verpflichtend. Das ist ein von der Kommission noch zu erstellendes Muster, nach dem die Informationen aufbereitet werden müssen.
Ähnliche Vorgaben gelten für Informationen über das Bestehen und den Umfang gewerblicher Haltbarkeitsgarantien. Hier spricht die Richtlinie von einer „harmonisierten Kennzeichnung“. Die gewerbliche Haltbarkeitsgarantie geht über die gesetzliche Gewährleistung hinaus und ist als Begriff bereits aus dem BGB bekannt. Unternehmen, die eine solche Garantie mit einer Dauer von mehr als zwei Jahren anbieten, müssen sie künftig transparent und nach einem von der Kommission vorgegebenen Muster darstellen.
Darüber hinaus sind bei digitalen Produkten und Diensten Informationen zu Softwareaktualisierungen verpflichtend anzugeben. Verbraucher sollen insbesondere darüber aufgeklärt werden, wie lange ein Produkt mit kostenlosen Funktions- und Sicherheitsupdates versorgt wird.
Ebenfalls neu ist die Pflicht zur Angabe des sogenannten Reparierbarkeitswerts eines Produkts oder – sofern dieser nicht vorliegt – zu den Kosten und Möglichkeiten einer Reparatur. Vorbild hierfür ist das französische Modell „Indice de réparabilité“, das seit 2019 in Kraft ist. Der Reparierbarkeitswert soll anhand festgelegter Kriterien die Reparierbarkeit einer Ware quantifizierbar machen.
Zeitplan zur Umsetzung
Die EmpCo-Richtlinie wurde am 28. Februar 2024 erlassen. Die Mitgliedstaaten der EU haben nun bis zum 27. März 2026 Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Ab dem 27. September 2026 gelten die neuen Regelungen dann verbindlich und unmittelbar, sodass Unternehmen rechtzeitig ihre Werbe- und Informationsstrategien anpassen sollten.
Green Claims bleiben relevant
Ergänzend zur EmpCo-Richtlinie befindet sich derzeit eine eigenständige Green Claims Richtlinie in der internen Abstimmung auf EU-Ebene. Ziel ist es, Greenwashing noch gezielter entgegenzuwirken und die Anforderungen an umweltbezogene Aussagen weiter zu konkretisieren. Vorgesehen ist insbesondere, dass sämtliche Green Claims begründet und auf objektive Kriterien gestützt sein müssen. Zudem sollen Unternehmen verpflichtet werden, weiterführende Informationen bereitzustellen – etwa über QR-Codes oder Verlinkungen –, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher die Aussagen eigenständig nachvollziehen und überprüfen können.
Und nun?
Green Marketing bleibt möglich, erfordert aber größere Sorgfalt als je zuvor. Unternehmen sind gut beraten, die neuen Anforderungen nicht als bloße Formalität zu betrachten, sondern als Chance zur glaubwürdigen Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Wer Transparenz lebt und Aussagen belegen kann, hebt sich vom Wettbewerb ab – und reduziert gleichzeitig das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen.