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Das LG Trier hat mit Urteil vom 14.3.2025 – 7 HK O 50/23, das von HÄRTING Rechtsanwälte erstritten wurde, entschieden, dass eine vom IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) erwirkte Unterlassungserklärung wirksam wegen Rechtsmissbrauchs gekündigt werden durfte. Ausnahmsweise entfalte diese Kündigung auch Rückwirkung auf eine bereits geltend gemachte, aber noch nicht gezahlte Vertragsstrafe. Das Gericht stellte fest, dass der IDO keine Vertragsstrafen fordern darf, weil ihm die Abmahnbefugnis fehle, solange er nicht in die Liste Wirtschaftsverbände des Bundesamts für Justiz eingetragen ist.

Hintergrund

Der IDO war, bis zur UWG-Reform durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 2.12.2020, der aktivste Abmahnverein. Dies nahm ein Ende mit dem Erfordernis, dass sich Wirtschaftsverbände, um abmahnen zu dürfen, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände des Bundesamts für Justiz (BfJ) eintragen müssen. In diese Liste ist der IDO bislang nicht eingetragen.

Im Mai 2021, sprach der Verband die Abmahnung gegen unsere Mandantin aus, die nun Gegenstand des Rechtstreits vor dem LG Trier wurde. Unsere Mandantin, ein mittelständisches Unternehmen, hat ein Futtermittel ohne Grundpreis angeboten und wurde von dem IDO abgemahnt. Sie gab die vom IDO vorformulierte Unterlassungserklärung unverändert ab und zahlte die Abmahnkosten.

Das Problematische an Grundpreisverstößen auf Plattformen ist, dass sie softwarebedingt praktisch nicht gänzlich zu vermeiden sind. Daher verwundert es nicht, dass unsere Mandantin wenige Monate später den Grundpreisverstoß wiederholte, woraufhin sie zum ersten Mal mit einer Vertragsstrafen-Forderung konfrontiert wurde. Es folgten zwei weitere Vertragsstrafen-Forderungen, die sie alleine ohne anwaltliche Hilfe abwickelte. Insgesamt hatte sie bis zum Sommer 2023 ganze 16.537,05 EUR an den Verband gezahlt.

Vorgerichtlicher Streit um den Grundpreis pro 100 g

Als der IDO im Oktober 2023 eine 4. Vertragsstrafe forderte, wendete sich die Mandantin an uns und erfuhr von den vielen Gerichtsentscheidungen, die dem IDO zwischenzeitlich ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen bescheinigt hatten. Wir wiesen dann die 4. Vertragsstrafenforderung schon deshalb für unsere Mandantin zurück, weil sie einen Grundpreis angegeben hatte, wenn auch ein Grundpreis pro 100 g. Dies war zum Zeitpunkt der Abmahnung im Mai 2021 nach § 2 Abs. 3 S. 2 PAngV aF noch zulässig gewesen und wurde erst durch die Reform der PangV im Mai 2022 unzulässig. Wir erklärten die Anfechtung des Unterlassungsvertrages und kündigten ihn hilfsweise aus allen bekannten Gründen, die wohl dazu geführt haben, dass dem IDO die Eintragung in die Liste des BfJ nicht gelungen ist. Als Rechtsfolge der Anfechtung forderten wir die Rückzahlung von 16.537,05 EUR.

Der IDO wies die Forderungen zurück und erhob die Klage vor dem LG Trier. Widerklagend forderten wir die gezahlten Beträge zurück und hilfswiderklagend die Feststellung, dass die Kündigung wirksam erklärt worden ist.

Entscheidung des Gerichts zur Klage

Das Landgericht wies die Klage zurück und entschied, dass die Vertragsstrafe schon nicht verwirkt sei, und stellte dazu fest:

Die Angabe von Produkten mit einer falschen Bezugsgröße bei den Grundpreisen stellt dabei unter Heranziehung der Kerntheorie gerade keinen identischen Verstoß dar. Die Beklagte hat sich dahingehend unterworfen, nicht ohne Angabe eines Grundpreises zu werben. Vorliegend war aber der Preis je Mengeneinheit und der Gesamtpreis wie in der Unterlassungsverpflichtung verlangt jeweils unmissverständlich, klar erkennbar in unmittelbarer Nähe und gut lesbar angegeben worden. Die Beklagte hat nur die nunmehr nach § 4 Abs. 1 PAngV unzutreffende Mengeneinheit gewählt. Aus der Formulierung der Unterlassungsverpflichtung ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass auch eine Angabe des Grundpreises mit falscher Mengeneinheit erfasst sein sollten. Insbesondere findet sich kein Bezug zur PAngV oder eine Formulierung, dass unterlassen werden soll, mit einem unzutreffenden Grundpreis zu werben.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt diese Bestimmung des Kerns der Unterlassungsverpflichtung auch nicht dazu, dass Gesetzesverstöße ungeahndet blieben. Es handelte sich um einen Verstoß der Beklagten gegen die PAngV, die zu einem Anspruch nach 8 Abs. 1 UWG geführt hätte.

Weiterhin entschied das Gericht, dass der IDO keine Vertragsstrafe hätte fordern dürfen, weil er nicht mehr, mangels Eintragung in der BfJ-Liste, abmahnbefugt war:

Auch bei nur für die Zukunft wirksamer Kündigung kann sich die Geltendmachung einer vor Erklärung der Kündigung verwirkten Vertragsstrafe als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB darstellen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer dann der Fall, wenn der Gläubiger – wie vorliegend – offensichtlich nicht mehr klagebefugt ist und keinen Unterlassungstitel mehr erstreiten könnte (BGH, Urteil vom 26. September 1996 – I ZR 265/95 –, Rn. 45, juris – Altunterwerfung I; BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – I ZR 243/97 –, Rn. 19, 20, juris – Altunterwerfung IV; OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2023 – I-6 U 147/22 –, Rn. 27, juris). Die Klägerin hätte zum Zeitpunkt des Verstoßes aber keinen Unterlassungstitel mehr erstreiten können, da die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbands seit Herbst 2021 voraussetzt, dass eine Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG erfolgt ist. Der Kläger ist aber nicht eingetragen.

Eine Gesamtabwägung aller Umstände ist insoweit nicht erforderlich. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BGH jede Geltendmachung von Vertragsstrafen rechtsmissbräuchlich, wenn keine Klagebefugnis mehr besteht (s.o.). Zwar forderte der BGH eine Gesamtabwägung in seiner Entscheidung vom 07.03.2024 (BGH, Urteil vom 7. März 2024 – I ZR 83/23 –, juris). Allerdings war im dort entschiedenen Fall gerade keine Kündigungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung gegeben, da der Verstoß im März 2021 erfolgte, also zu einem Zeitpunkt, als der dortige Kläger noch klagebefugt war.

Entscheidung des Gerichts zur Widerklage

Der Beklagten wurden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.751,80 EUR aus § 8c Abs. 3 S. 1 BGB zugebilligt. Im Übrigen wurde die Widerklage auf Rückerstattung der gezahlten Vertragsstrafen, mangels Vorliegens von Anfechtungsgründen, zurückgewiesen.

Die Hilfswiderklage auf Feststellung, dass dem IDO, aufgrund der Kündigung, künftig keine Rechte mehr aus dem Unterlassungsvertrag zustehen, war jedoch erfolgreich.

Fazit

Unternehmen, die eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, sollten prüfen, ob sie diese kündigen oder gegebenenfalls sogar anfechten können.

Eine aktuelle Vertragsstrafenforderung des IDOs sollte darauf überprüft werden, ob ihr nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden kann, solange der IDO nicht in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände des BfJ eingetragen ist.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der IDO hat Berufung eingelegt.