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Das BAG hat eine wichtige Entscheidung für die Frage der Bewertung von Gründen durch den Arbeitgeber für eine außerordentliche Kündigung getroffen. Bei der Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses geht es nicht um eine repressive Strafzumessung oder Sanktion für begangenes Unrecht in der Vergangenheit. Vielmehr geht es um die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses sowie um die Abwägung von Interessen im Zusammenhang mit der Frage, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Dabei kann nicht auf die Grundsätze der Strafzumessung gemäß § 46 StGB abgestellt werden. (BAG, Urteil vom 13.12.2018 AZ.: 2 AZR 370/18)

Sachverhalt:

Die Beklagte beschäftigte den Kläger seit 2010 als Abteilungsleiter der Fahr- und Sonderdienste im Eigenbetrieb Nationaltheater. Dabei übernahm der Kläger, dem acht Mitarbeiter unterstellt waren, insbesondere Planungs- und Überwachungstätigkeiten. Die Parteien vereinbarten eine wöchentliche Arbeitszeit von 44,5 Stunden. Der Kläger leistete darüber hinaus Überstunden, die vergütet wurden. Zu diesem Zweck legte er der Beklagten monatsweise von ihm ausgefüllte „Forderungsnachweise“ vor, aus welchen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ohne nähere Zuordnung nach Tagen und Uhrzeiten lediglich das monatliche Gesamtaufkommen an Überstunden ersichtlich war. Der Arbeitnehmer legte dem Arbeitgeber über einen Zeitraum von fünf Jahren monatlich Forderungsnachweise vor, in denen jedenfalls teilweise tatsächlich nicht geleistete Überstunden von ihm angegeben waren. Er trug vorsätzlich Überstunden ein, die er nicht geleistet hatte. Damit verfolgte er das Ziel, einen Ausgleich für den Wegfall von Erschwerniszuschlägen zu erhalten. Diesen „Grauausgleich“ nahm er nach Abrede mit der Personalreferentin und seinem Vorgesetzten vor.

Der Arbeitnehmer erhob, nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt hatte, Kündigungsschutzklage.

Der Kläger brachte vor, sein Handeln sei nicht heimlich gewesen, sondern mit Rückabsicherung bei der Personalreferentin und dem direkten Vorgesetzten erfolgt. Das BAG stellte fest, dass eine „Anstiftung“ durch die Personalreferentin und ein „Zusammenwirken“ mit dem technischen Leiter allenfalls zu Beginn des pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers eine Rolle spielte. Es gehe vorliegend nicht um ein einmaliges Fehlverhalten, zu dem der Kläger überredet worden wäre. Vielmehr handelte der Kläger über einen Zeitraum von fünf Jahren jeden Monat durch bewusst falsches Ausfüllen der Forderungsnachweise immer wieder pflichtwidrig. Das bewusste, kollusive Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern zum Nachteil des Arbeitgebers mildert dabei nicht die Schwere der Pflichtverletzung, sondern verstärkt diese, da der gegenüber dem Arbeitgeber begangene Vertrauensmissbrauch durch diese Vorgehensweise vergleichsweise sicher vor Entdeckung umgesetzt werden kann. Eine Abwägung der Interessen durch das BAG ergab, dass das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.

Fazit:

Für die Frage der Bewertung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen strafbarer Handlungen ist nicht auf die Grundsätze der Strafzumessung abzustellen. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Vertrauensverhältnis der Parteien durch das Verhalten des Arbeitnehmers so zerstört worden ist, dass auch in Zukunft mit der Wiederherstellung des Vertrauens nicht mehr gerechnet werden kann. Das „Zusammenwirken“ von Mitarbeitern bei einem Arbeitszeitbetrug verstärkt die Schwere der Pflichtverletzung.