Einmal mehr wird deutlich, dass allgemeine Disclaimer, wonach eine Haftung für Links vermieden werden soll, sinnlos sind.
In erfreulicher Klarheit hat der Bundesgerichtshof in einem gestern veröffentlichen Urteil entschieden, dass grundsätzlich nicht für den Inhalt einer Website haftet, wer dorthin nur verlinkt (BGH vom 18.6.2015, Az. I ZR 74/14).
Ein unliebsamer Link
Dem Verband sozialer Wettbewerb e.V. (VSW), der seit über 40 Jahren gegen unlauteren Wettbewerb und Wirtschaftskriminalität vor allem mit Abmahnungen vorgeht, waren Aussagen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung einer bestimmten Form der Implantat-Akupunktur auf der Website eines Vereins ein Dorn im Auge, der sich mit dieser Behandlungsmethode befasst. Ob der VSW gegen diesen „Forschungsverband“ vorging, ist nicht bekannt, jedenfalls mahnte er einen Facharzt für Orthopädie ab, der sich ebenfalls mit Implantat-Akupunktur beschäftigte und auf seiner Website für „weitere Informationen auch über die Studienlage“ einen Link zur Startseite des „Forschungsverband“ integriert hatte. Der Arzt sei für die Wettbewerbsverstöße auf der Seite des Vereins verantwortlich, schließlich habe er dorthin verlinkt.
BGH: Keine Haftung für Links
Weil der Arzt auf die Abmahnung hin, den Link zwar entfernte, aber keine Unterlassungserklärung abgab, klagte der VSW und verlor nun vor dem Bundesgerichtshof.
Der BGH hält fest, dass die Linksetzung als solche noch keine Haftung für die verlinkten Inhalte begründet. Aus der bloßen Linksetzung ergeben sich grundsätzlich auch keine Prüfpflichten.
Wer also lediglich einen Link setzt, muss nicht fürchten, für die verlinkten Inhalte gerade stehen zu müssen.
Ausnahme: Zu-Eigen-Gemachte Inhalte
Dass der BGH eine Haftung für die Linksetzung als solche ablehnt, heißt nicht, dass es generell keine Haftung für Links gibt. Wer etwa eine Linksammlung der besten Beleidigungen über einen Dritten erstellt, beleidigt damit selbst.
Aus Sicht des BGH problematisch sind schon Deeplinks, wenn also nicht auf die Startseite, sondern direkt die wettbewerbswidrige Unterseite verlinkt wird. Hier hatte der betroffene Arzt jedoch nur die Startseite verlinkt.
Der BGH hält auch fest, dass ein Zu-Eigen-Machen in Betracht kommt, wenn es gerade Inhalt des Internetangebotes ist, fremde Seiten zu verlinken. Auch wenn die verlinkten Inhalte quasi eine Ergänzung des eigenen Angebotes sein können, kann sich eine Haftung ergeben, so der BGH.
All das war hier aber nicht der Fall. Der Arzt veriwes lediglich auf weiterführende Informationen – erkennbar ohne für deren Richtigkeit Einstehen zu wollen.
Haftung erst ab Kenntnis
Auch wenn kein Zu-Eigen-Machen vorliegt, kann sich eine Rechtspflicht zur Prüfung des Inhalts der fremden Seite ergeben. Grundsätzlich erhöht der Hyperlink nämlich die Gefahr der Verbreitung rechtswidriger Inhalte auf der Drittseite. Ab wann eine solche Prüfpflicht besteht und wie intensiv der Verlinkende prüfen muss, hängt vom Einzelfall ab.Entscheidend ist, ob und inwieweit dem Verlinkenden eine Prüfung zuzumuten ist.
Auch hier ist der BGH aber klar: Die bloße Linksetzung als solche führt nicht zu einer Prüfpflicht. Es sei zu berücksichtigen, „dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im Internet ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien weitgehend eingeschränkt wäre“. Etwas anders kann sich allenfalls ergeben, wenn die verlinkte Seite offensichtlich rechtswidrig ist.
Allerdings entsteht eine Prüfpflicht, wenn der Verlinkende etwa im Wege einer Abmahnung auf einen rechtswidrigen Inhalt hingewiesen wird. Dann ist ihm im Regelfall auch zumutbar, zu prüfen, ob die verlinkten Inhalte tatsächlich rechtswidrig sind. Der Unternehmer, der den Hyperlink setzt, muss also bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der Zielseite prüfen und den Link gegebebenfalls entfernen.
Weil der Arzt den Link im Anschluss an die Abmahnung sofort entfernt hat, sei er nicht für die Inhalte der Zielseite verantwortlich.
Allgemeine Disclaimer nutzen nichts
Nur am Rande sei bemerkt, dass die Überlegungen des BGH zu Haftung für Links vollkommen unabhängig von einem allgemeinen Haftungsausschluss auf der Website sind. Versuche, die Haftung für Links durch einen allgemeinen Disclaimer auf der Website zu beschränken sind zum Scheitern verurteilt. Wer in seinem Impressum noch einen Hinweis auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.1998 (Az. 312 O 85/98) findet, sollte das streichen. Bestenfalls nutzt es nichts. Schlechtestenfalls wird es als ein unzulässiger Versuch gewertet, die Haftung zu beschränken. Allerdings haben hatten einen solchen Hinweis auch große Medienkonzerne noch auf ihrer Website…
Es gibt Konstellationen, in denen ein Disclaimer sinnvoll ist, etwa wenn sich eigene von fremden Inhalten auf der Website nicht ohne Weiteres abgrenzen lassen. Dann muss sich ein Hinweis allerdings direkt bei diesen Inhalten befinden und darauf bezogen sein.
Fazit
Das BGH-Urteil ist nicht überraschend und erfreulich klar. Eine allgemeine Haftung für verlinkte Websites gibt es nicht. Ab konkreter Kenntnis von den verlinkten Inhalten liegt eine Haftung aber nahe. Wer wegen verlinkter Inhalte abgemahnt wird, muss daher schnell handeln. Auch wer sich an sich fremde Inhalte zu eigen macht, ist selbst für diese Inhalte verantwortlich.