Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in seinem Urteil vom 23.10.2024 – I ZR 67/23 – Pressmitteilung über die urheberrechtliche Zulässigkeit von Drohnenaufnahmen entschieden, auf denen öffentlich zugängliche Kunstwerke abgebildet waren. Da für diese Aufnahmen die Panoramafreiheit nicht gilt, betrachtet der BGH sie als urheberrechtlich unzulässig.
Hintergrund
Klägerin in dem vorliegenden Fall war die Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst, die mit der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche von Bild- und Filmurhebern in Deutschland betraut ist. Gerichtet war die Klage gegen einen Buchverlag, der Bücher über Halden im Ruhrgebiet herausgibt. Die in dem Verfahren vor dem BGH relevanten Freizeitführer enthalten Luftbildaufnahmen von verschiedenen Kunstinstallationen auf Bergehalden, die mithilfe einer Drohne angefertigt wurden. Mit den für die Installationen verantwortlichen Künstlern hatte die VG Bild-Kunst Wahrnehmungsverträge abgeschlossen, die sie zur Geltendmachung der Rechte und Ansprüche an den abgebildeten Werken berechtigen.
Die Verwertungsgesellschaft hatte die Verwendung der Luftbildaufnahmen für urheberrechtswidrig gehalten und zunächst versucht, sie nachträglich zu lizensieren. Als diese Bemühungen scheiterten, forderte die VG Bild-Kunst von der Beklagten schließlich Lizenzgebühren und Schadensersatz. Ihrer Ansicht nach fielen die Aufnahmen aus der Vogelperspektive nicht unter die Panoramafreiheit, auf die sich der Buchverlag berufen hatte. Dem gab zunächst das Landgericht (LG) Bochum (Urteil vom 18. November 2021 – I-8 O 97/21 ) und in der Berufungsinstanz auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 27. April 2023 – I-4 U 247/21 ) statt. Nun wies auch der 1. Zivilsenat des BGH die Klage in der Berufungsinstanz zurück.
Entscheidungsgründe des BGH
Seine Entscheidung begründete der BGH in erster Linie mit der Auslegung der die Urheberrechte einschränkenden Panoramafreiheit.
Gemäß §§ 16, 17 Urheberrechtsgesetz (UrhG) steht den Urhebern von geschützten Werken grundsätzlich das Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht an ihren Werken zu. Sie dürfen damit allein darüber entscheiden, in welcher Stückzahl ihr Werk beispielsweise in Form von Büchern oder Musikstücken vervielfältigt wird und ob und wie es öffentlich angeboten oder anderweitig in Verkehr gebracht werden soll.
Daneben sieht das Urheberrecht jedoch einige Ausnahmen für die Verwertung von Werken vor, zu denen auch die Panoramafreiheit gehört. Gemäß § 59 Abs- 1 S. 1 UrhG dürfen „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben“ werden. Die Vorschrift ist Ausdruck des Gedankens, dass Werke, die Künstler der Öffentlichkeit gewidmet haben, ohne Erlaubnis fotografiert werden dürfen.
Die Grenzen dieser Ausnahme hat der BGH nun noch einmal deutlich gemacht. Bereits die Gerichte der ersten und zweiten Instanz argumentierten, es dürfe nur fotografiert werden, was auch für das menschliche Auge aus der Straßenperspektive erkennbar ist. Die Vogelperspektive, die auf den Drohnenaufnahmen abgebildet ist, könne der Mensch jedoch nicht ohne Weiteres einnehmen. Dass Menschen mithilfe von Luftfahrzeugen (wie Flugzeugen oder Ballons) theoretisch durchaus in der Lage sind, eine vergleichbare Perspektive selbst einzunehmen, ändert an der Bewertung laut dem OLG Hamm nichts.
Damit folgt der BGH seiner Argumentation in der sogenannten Hundertwasser-Entscheidung vom 5. Juni 2003 (Az.: I ZR 192/00). Dort hatte er festgelegt, dass Aufnahmen, die von öffentlich zugänglichen Straßen oder Wegen aus gemacht wurden, der Panoramafreiheit unterfielen – nicht jedoch solche, die von einem Privathaus aus gemacht wurden.
Seine Auslegung, so betonte der BGH in der vorliegenden Entscheidung außerdem, schöpfe „in zulässiger Weise den bei Anwendung der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG (InfoSoc-RL) bestehenden Spielraum aus“. Die Richtlinie soll in den -Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu einer Harmonisierung einiger urheberrechtlicher Fragen führen. In Art. 5 Abs. 3 ermächtigt sie die Mitgliedsstaaten, das Vervielfältigungsrecht von Urhebern unter anderem in Bezug auf Werke an öffentlichen Orten einzuschränken und nimmt damit Bezug auf die Panoramafreiheit.
Von dem genannten Spielraum wurde jedoch bereits auf andere Weise Gebrauch gemacht. In der vorliegenden Entscheidung legt der BGH die Schrankenbestimmung enger aus als etwa das LG Frankfurt, das lediglich den öffentlichen Standort des Kunstwerkes, nicht aber die Position des Fotografen als für die Ausnahme relevant erachtete (Urteil vom 25.11.2020 – 2-06 O 136/20).
Fazit
Der BGH hat mit seiner Interpretation der Panoramafreiheit nicht überrascht. Angesichts der wachsenden Zahl von Möglichkeiten, Bild- und Videoaufnahmen zu machen, ist die Entscheidung dennoch eine wichtige Klarstellung. Denn der 1. Zivilsenat hat bewusst darauf verzichtet, von seiner engen Auslegung in der Hundertwasser-Entscheidung abzuweichen und die Ausnahme in § 59 UrhG für technische Innovationen zu öffnen. Stattdessen bleibt das bloße menschliche Auge weiterhin der Referenzrahmen für Vervielfältigungen im Rahmen der Panoramafreiheit. Wer zukünftig mit Drohnen zum Fotografieren experimentiert, sollte jedenfalls genau darauf achten, was auf den Aufnahmen zu sehen ist.