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Ein häufiger Praxisfall: Ein Mitarbeiter kündigt im Rahmen einer Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber an, „ich mache krank“. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern ist in einer aktuellen Entscheidung zu dem Schluss gekommen, dass die Drohung des Arbeitnehmers, sich Krankschreiben zu lassen, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.

(Urteil vom 04.05.2021 – 5 Sa 319/20)

Hintergrund:

Die klagende Arbeitnehmerin war als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale bei dem beklagten Arbeitgeber angestellt. In der Filiale gab es unter den Mitarbeitern seit längerer Zeit Spannungen, die auch Gegenstand eines Gesprächs zwischen dem Geschäftsführer, der Filialleiterin und der Klägerin wurden.

In der Bäckereifiliale war ein Schichtbetrieb eingerichtet. Die Arbeitnehmerin bat die Filialleiterin anhand einer WhatsApp-Nachricht, sie für eine bestimmte Woche in der Frühschicht einzuteilen. Dieser Bitte kam die Filialleiterin nicht nach und wies ihr für die besagte Woche die Spätschicht bis 17.30 Uhr zu.

Daraufhin versendete die Arbeitnehmerin eine WhatsApp-Nachricht an die Filialleiterin mit folgendem Inhalt: „Die Woche mache ich definitiv keine Spätschicht, dann bin ich krankgeschrieben. Ich habe dich um die Frühschicht gebeten“.

Die Arbeitnehmerin versuchte sodann, die Filialleiterin in einem Telefongespräch zu einer Änderung des Dienstplanes zu überzeugen. Als die Filialleiterin auch diesem Wunsch nicht nachkam, kündigte die Arbeitnehmerin erneut eine Krankschreibung in der besagten Woche an.

In der Folgezeit reichte die Arbeitnehmerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für einige Tage der betreffenden Woche bei dem Arbeitgeber ein. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Bezugnahme auf die angedrohte Krankschreibung.

Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern:

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Drohung des Arbeitnehmers, sich „krankschreiben zu lassen“, eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht darstellt und somit als typischerweise wichtigen Grund eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Das Gericht führt dazu aus, dass die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung durch den Arbeitnehmer bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung darin zu sehen sei, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Mit einem solchen Verhalten verletzt der Arbeitnehmer seine aus der Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 BGB folgenden Leistungstreuepflicht und beeinträchtigt somit das Vertrauensverhältnis der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis nachhaltig.

Neben dem Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB bedarf es aber stets der weiteren Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist. Bei dieser Gesamtwürdigung sind die Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen. In dem konkreten Fall hatte das Gericht entschieden, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

 

Fazit:

Die Drohung des Arbeitnehmers in einer Spannungssituation gegenüber seinem Arbeitgeber „krank zu sein“ kommt in der Praxis häufig vor. Mit dem Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern wird deutlich, dass ein solches Verhalten des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darstellt, der grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. In einem jeden Fall kann der Arbeitgeber sich überlegen, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Dabei liegt bereits in der Androhung des Arbeitnehmers die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltes begründet. Auf eine spätere tatsächliche Erkrankung kommt es bei der rechtlichen Bewertung nicht an.