Direkt zum Inhalt wechseln
Fortnite, das Kult-Battle-Royale des Unternehmens Epic Games erfreut sich noch immer großer Beliebtheit. Erst vergangenen November brach das Spiel seinen eigenen Rekord, als es 100 Millionen Online-Spieler erreichte. Doch so groß wie der Erfolg des Spiels und die damit einhergehenden Einnahmen für Epic Games sind, so umfangreich und spannend sind die aufkommenden rechtlichen Probleme, mit denen das Game-Studio zu kämpfen hat. Im März 2023 war Fortnite schon einmal in den rechtlichen Vordergrund gerückt und zwar mit der Ankündigung des Rekordvergleichs mit der US-amerikanischen Federal Trade Commission („FTC“) über Praktiken, die die FTC als illegale Dark Patterns sah (siehe auch unseren Beitrag „FTC vs. Epic Games: Illegale Dark Patterns?„).

Diesmal ging es jedoch nicht um ein behördliches, sondern ein zivilrechtliches Verfahren. Gegenstand waren dabei die sogenannten „Emotes, also kurze Tanz-Animationen, welche entweder gekauft, oder zum Teil erspielt werden können. Diese stehen erneut – wie beim Streit um die Urheberrechte des berühmten „Floss Dance“ oder den „Carlton Dance“ von Alfonso Ribeiro im Mittelpunkt juristischer Streitigkeiten.

Mit dem Urteil des 9. Bundesberufungsgerichtshof (United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Aktenzeichen D.C. No. 2:22-cv-02063-SVW-MRW) erging eine bisher einmalige Entscheidung zum Tanz, „eine der ältesten Ausdrucksformen des Menschen wie es im Urteil heißt.

I. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang

In der streitgegenständlichen Rechtssache ging es um einen Urheberrechtsstreit zwischen dem Choreografen Kyle Hanagami und Epic Games Inc. Hanagami ist ein bekannter Choreograf mit großer Präsenz in den sozialen Medien, der ein rechtskräftig eingetragenes Urheberrecht an einem fünfminütigen choreografischen Werk besitzt. In seiner Klage behauptete Hanagami, Epic Games als Entwickler des Spiels habe sein Urheberrecht verletzt, indem es ein Emote erstellte und verkaufte, welches Teile des fünfminütigen Werks darstellte. Seine Choreografie war laut Hanagami eindeutig identisch und wiedererkennbar für Fortnite nachgebildet worden. In dem Klageabweisungsantrag argumentierte Epic Games hingegen, die angeblich nachgebildeten Tanzschritte seien nicht schutzfähige Elemente von Hanagamis Werk, weshalb sie auch nicht wesentlich ähnlich zum Emote sind

Die Vorinstanz, das Bezirksgericht (District Court) gab noch Epic Games Recht: Für eine erfolgreiche Klage wegen einer Urheberrechtsverletzung müsse der Kläger nachweisen, dass sein Originalwerk und das mutmaßlich verletzende Werk „wesentlich ähnlich“ sind. Kern des Falles ist also die Frage, wann genau eine wesentliche Ähnlichkeit bei choreografischen Werken besteht. Dies habe Hanagami nicht plausibel darlegen können.

Das Bezirksgericht kam zum Schluss, dass eine Choreografie bestehend aus einer Reihe von Einzelposen für sich genommen nicht schutzfähig ist. Vergleiche man die Gesamtheit der von Hanagamis registrierten Choreografie mit dem Emote von Epic Games, sei folglich keine wesentliche Ähnlichkeit zu erkennen.

Dies sieht das Bundesberufungsgericht aber anders.

II. Urteil des Bundesberufungsgerichtshofs

Der 9. Bundesberufungsgerichtshof hob nun die Entscheidung des Bezirksgerichts auf. Das Berufungsgericht stellte fest, dass Choreografien wie andere Formen von urheberrechtsfähigem Material aus verschiedenen Elementen bestünden, die isoliert betrachtet nicht schutzfähig seien. Schutzfähig sei jedoch die Auswahl und Anordnung dieser Elemente durch den Choreografen. Das Gericht stellte fest, dass Posen nicht das einzige relevante Element in einer Choreografie seien. Diese könne auch Körperposition, Form, Handlungen, Übergänge, Nutzung des Raums, Timing, Pausen, Energie, Kanon, Motiv, Kontrast und Wiederholung umfassen.

Das Berufungsgericht kam zu dem Schluss, dass Hanagami plausibel dargelegt habe, dass die kreativen Entscheidungen, die er bei der Auswahl und Anordnung der Elemente der Choreografie getroffen hat, den Entscheidungen, die Epic Games bei der Erstellung des Emotes getroffen hat, im Wesentlichen ähnlich gewesen seien. Daher wurde der Fall zur weiteren Verhandlung im Einklang mit dieser Stellungnahme zurückverwiesen. Das Gericht befasste sich nicht mit der Frage, ob Hanagamis Werk einen umfassenden oder nur einen geringen Urheberrechtsschutz (broad or only thin copyright protection) genießt, sondern überließ diese Entscheidung dem weiteren Verfahren.

III. Urheberrechtlicher Schutz von Choreografien nach deutschem Recht?

1. Choreografie als Werk

Urheberechtlichen Schutz genießt eine Choreografie auch nach deutschem Recht, wenn es sich dabei um ein geschütztes Werk im Sinne des § 2 UrhG handelt. Ein Blick in die Norm zeigt, dass auch der deutsche Gesetzgeber grundsätzlich von einer Schutzfähigkeit von Choreografien ausgeht. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG listet auch „Werke der Tanzkunst“ als Unterform pantomimischer Werke als geschützte Form auf. Der schützenswerte Charakter von Choreografien als durch festgelegte Zeichen und Bewegungen bestimmten Tanz liegt darin, dass der Tanz als Körpersprache die Gedanken und Empfindungen des Choreografen, sowie der Tanzenden zum Ausdruck bringt. Von Bedeutung ist daher die Aussage, die über den Bewegungsablauf vermittelt werden soll. Daher reicht eine einzelne Bewegung oft nicht aus, um als Tanz geschützt zu werden.Das heißt wiederum nicht, dass nur der Tanz in seiner Gesamtheit schützenswert ist. Auch einzelne Abschnitte des Tanzes können schutzfähig sein.

Der streitgegenständliche Abschnitt von Hanagamis Choreografie umfasst mehrere einzigartige Bewegungsabläufeund dauert vier Takte der begleitenden Musik an. Insbesondere die Verbindung der einzelnen Tanzschritte zeugt von einem Ausdruck der Gedanken und Empfindungen des Choreografen. Es kann daher mit guten Argumenten davon ausgegangen werden, dass auch nach deutschem Recht Urheberrechtsschutz für die Bewegungen bestehen würde.

2. Choreografie in Fortnite als unerlaubte Verwertung

Die Nachbildung des Choreografieabschnitts in Fortnite dürfe auch nach deutschem Recht gegen das Urheberrechtsgesetz verstoßen. Dem Urheber eines Werkes stehen nach den §§ 15 ff. UrhG umfassende Verwertungsrechte an seinem Werk zu, welche die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers schützen.

Durch die Nachbildung der genauen Tanzschritte in Fortnite und das Angebot des Tanzes zum Kauf an Spieler:innen kommt daher eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts von Hanagami aus § 16 Abs. 1 UrhG in Betracht. Das Vervielfältigungsrecht ist als Verbotsrecht konzipiert, möchte man also ein fremdes Werk vervielfältigen, ist vom Rechteinhaber ein Vervielfältigungsrecht einzuholen.

Da der Vervielfältigungsbegriff sehr weit verstanden wird, reicht es bereits aus, dass eine körperliche Festlegung eines Werks erfolgt, die geeignet ist, das Werk dem menschlichen Sinne auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Auf den vorliegenden Fall übertragen, wurde der Tanzabschnitt digitalisiert und beim Spiel-Update zumindest vorübergehend auf dem Computer der Spieler:innen gespeichert, um abgerufen zu werden.

Hinweis: Noch nicht abschließend geregelt ist, ob eine Vervielfältigung in den Fällen stattfindet, in denen das Spiel bzw. der einzelne Inhalt Serverseitig gespeichert ist und lediglich über den Spiel-Client gestreamt wird. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass eine Vervielfältigung zumindest durch ein zeitweises Speichern im Arbeitsspeicher stattfindet.

Epic Games hat den Tanzabschnitt ohne eine Rechteeinräumung durch Hanagami vervielfältigt, sodass er von Spieler:innen gesehen, heruntergeladen und genutzt werden kann. Es wäre daher durchaus denkbar, dass Hanagami nach deutschem Recht erfolgreich gegen die Urheberrechtsverletzung hätte vorgehen und von den ihm gesetzlich eingeräumten Rechten hätte Gebrauch machen können. Allen voran stünden ihm Unterlassungs– und Schadensersatzansprüche zu.

IV. Fazit

Das Urteil des 9. Bundesberufungsgerichtshofes im Fall Hanagami gegen Epic Games stellt einen bemerkenswerten Wendepunkt im Urheberrechtsschutz von Choreografien in den USA dar. Das Gericht erkennt an, dass der urheberrechtliche Schutz von Choreografien über die reine Abfolge von Tanzschritten hinausgehen kann. Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Gaming-Industrie, insbesondere für Spiele wie Fortnite, die Tanzanimationen z. B. in Emotes als zentrales Element nutzen. Er dient zudem als Präzedenzfall für ähnliche Urheberrechtsprobleme und unterstreicht die Notwendigkeit für Spieleentwickler, z. B. auch bei der Nutzung von Pop-Kultur-Referenzen nicht ungeprüft fremde Werke zu verwenden. Eine rechtmäßige Nutzung ohne die Verletzung von Rechten der Künstler oder Choreografen ist jedoch bei Werken des Gemeingebrauch oder im Falle vertraglicher Abreden möglich.

Dies gilt nicht nur für die Entwicklung in den USA, sondern lässt sich ohne weiteres auf die Spieleentwicklung in Deutschland übertragen. Das Entscheidung des Bundesberufungsgerichtshof rückt auch hier ein Aspekt des Urheberrechts ins Licht, der in der Spieleentwicklung möglicherweise eher stiefmütterlich behandelt wurde.