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LG Düsseldorf, Urt. v. 08.12.2022 – 14c O 46/21 – LEGO-Lookalikes

LEGO hebt in Vorlesungen über das Geistige Eigentum regelmäßig sein Haupt. Viele Studierende, die ihren Schwerpunkt im IP-Recht ablegen, lernen schon früh, die Leitsätze von BGH – Klemmbausteine I-III zu singen. Nun gibt es neues Futter:

Das LG Düsseldorf hat im Rechtstreit der bekannten dänischen Klemmbausteinemarke LEGO das Paderborner Unternehmen www.steingemachtes.de dazu verurteilt, den Vertrieb von bestimmten Spielzeugprodukten (vertrieben unter anderem unter den Bezeichnungen LinooS, Qman, KEEPPLEY und COGO), die den LEGO-Produkten zum Verwechseln ähnlich sehen, zu unterlassen. Einige Beispiele aus dem Urteil selbst:

(Angegriffene Ausführungsformen)

LEGO schießt dabei gegen die angegriffenen Ausführungsformen aus allen Kanonen: aus Urheberrecht, wettbewerbsrechtlichem ergänzenden Leistungsschutz, sowie aus Gemeinschaftsgeschmacksmustern (also EU-weit geschützten Designs).

(Gestaltungen, auf die sich LEGO stütze)

Besonders wichtig ist, dass das LG die lange Zeit umstrittenen, jetzt aber wohl weitgehend durch EuGH- und BGH-Rechtsprechung geklärten Voraussetzungen, unter denen Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG schutzfähig sind, angewandt hat. Bei diesen stellt sich nämlich der Frage der Abgrenzung vom Designrecht.

Der EuGH hatte in den Urteilen „Cofemel“ und „Brompton Bicycle“ entschieden, dass ein „Werk“ im Sinne des europarechtlich durch die 2001 erlassene Informationsgesellschaftsrichtlinie harmonisierten Verständnisses eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Die Persönlichkeit des Urhebers muss durch den Gegenstand so widergespiegelt werden, dass er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen dessen Kreation durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, muss der Urheberrechtsschutz ausscheiden.

Der BGH hatte in zweien in den letzten zwei Jahren ergangenen Entscheidungen diese Wertungen auf das deutsche Urheberrecht übertragen: Danach ist eine persönliche geistige Schöpfung eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt.

Dies sind etwas andere Formulierungen, als der EuGH sie verwendet, in der Sache besteht nach der Rechtsprechung kein Konflikt.

Das LG gestand den LEGO-Kreationen daher Urheberrechtsschutz zu. Die wesentlichen Merkmale einer Standard-LEGO-Minifigur erzeugen beispielsweise den Gesamteindruck eines durch im Wesentlichen geradlinige geometrische Formen und glatte Oberflächen verfremdeten, kantigen, kompakten und gedrungenen Menschenkörpers mit überproportional groß wirkendem runden Kopf und aufgesetzten Armen. Insbesondere sei die Oberfläche und die Proportionen einer einen „Menschen“ darstellenden Figur der künstlerischen Gestaltung zugänglich und nicht vorgegeben.

Auch die für Interkompatibilität der Klemmbausteine und Spielfiguren einzuhaltenden LEGO-Rastermaße könnten nicht zu einem anderen Ergebnis zwingen, es gebe immer noch hinreichend Gestaltungsspielraum.

Die angegriffenen Ausführungsformen stellen dabei (da sie keine originalgetreuen Nachschaffungen sind, aber immer noch sehr ähnlich sind) Bearbeitungen im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG dar. Auch eine solche ist dem Urheber, der an der Verwertung seines Werkes angemessen zu beteiligen ist, vorbehalten.

Außerdem stellte das LG klar, dass die klassische Verpackung eines LEGO-Sets mit ihren immer gleichartig wiederkehrenden Gestaltungselementen nach § 4 Nr. 3 UWG gegen Nachahmungen geschützt ist.

Die Anbringung des Markenzeichens „COGO“ (ebenfalls in weißer Schrift in einem roten Viereck) genüge nicht, um die Gefahr einer vermeidbaren Herkunftstäuschung auszuräumen. Denn insbesondere die angesprochenen Kinder würden sich primär an der visuellen Gestaltung der Verpackung orientieren und sich keine Gedanken machen, ob sich hinter dem nur sehr ähnlichen Herstellerkennzeichen auch wirklich derjenige verbirgt, den sie vermuten.

Wie man sieht, müssen Händler bei dem Vertrieb von Lookalikes ganz genau aufpassen, ob sie sich tatsächlich auf dem Boden der Legalität bewegen. Besonders zu beachten ist, dass auch schon die Nutzung der Figuren zu Werbezwecken eine Rechtsverletzung darstellen kann. Den Herstellern der Originale stehen glücklicherweise mit den verschiedenen Immaterialgüterrechten und dem Wettbewerbsrecht mehrere gute Werkzeuge zur Verfügung, um gegen Verletzer vorzugehen.