Direkt zum Inhalt wechseln

Das Landgericht Hamburg hat im sog. Laion-Fall als erstes deutsches Gericht zu der Frage entschieden, ob durch das Tranieren von künstlicher Intelligenz Urheberrechte verletzt werden. Es hat die Klage eines Fotografen abgewiesen. Die Nutzung seines Fotos sei durch die sog. Text- und Data-Mining-Schranke aus § 60d UrhG gedeckt.

Die Entscheidung:

Gestern hat das Landgericht Hamburg als erstes deutsches Gericht zu der Frage entschieden, ob durch das Tranieren von künstlicher Intelligenz Urheberrechte verletzt werden. Auf die Entscheidung wurde vor allem deshalb mit Spannung gewartet, weil in dem Fall die in der Rechtslehre bislang sehr umstrittene Frage zu klären ist, ob nach deutschem Recht die sog. Text- und Data-Mining-Schranke aus § 44b UrhG oder § 60d UrhG die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zum Trainieren einer KI rechtfertigt. Das LG Hamburg schließt sich dieser Auffassung jedenfalls zum Teil an.

In dem Rechtsstreit klagt ein Fotograf gegen das gemeinnützige Forschungsnetzwerk Laion. Laion stellt eine Datenbank mit fast 6 Milliarden Bild-Text-Paaren öffentlich zur Verfügung, die zum Training von KI-Systemen genutzt werden können. Eines der Bilder in dieser Datenbank stammte vom Kläger, der die Nutzung des Fotos gerichtlich untersagen lassen möchte. In erster Instanz unterliegt er jetzt vor dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 27.09.2024 – 310 O 227/23).

Wohlgemerkt geht es im Rechtsstreit nicht darum, ob das Bild zum KI-Training verwendet werden darf, sondern ob Laion es herunterladen durfte, um es für Zwecke seiner Datenbank mit der Bildbeschreibung abzugleichen. Jeder Download einer Bilddatei stellt eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung eines geschützten Werkes dar. Allerdings sieht das Landgericht Hamburg diese Nutzung durch die Text- und Data-Mining-Schranke nach § 60d UrhG gerechtfertigt. § 60d UrhG erlaubt die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für wissenschaftliche Zwecke, insbesondere für das sog. Text- und Data Mining (TDM), ohne dass dabei die Rechte des Urhebers verletzt werden. TDM nennt man einen auf Basis massenhafter Datensammlungen stattfindenden Prozess zur Umwandlung von unstrukturiertem Text in ein strukturiertes Format, um daraus aussagekräftige Muster und neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Das Gericht meint, dass der Abgleich von Bild und Beschreibung, den Laion durchführte, unter diese Schranke falle. Dieser Abgleich sei eine Analyse, die zur Ermittlung von Korrelationen zwischen Bildinhalt und Bildbeschreibung diene und somit als wissenschaftlicher Zweck privilegiert sei. Dass die Daten später für das Training von KI-Systemen genutzt werden konnten, ändere an dieser Beurteilung nichts, da der ursprüngliche Zweck der Datenerhebung im wissenschaftlichen Kontext lag.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht in einem obiter dictum auf die Frage einging, ob ein Nutzungsvorbehalt in „natürlicher Sprache“ auf einer Webseite, wie es bei der Fotoagentur der Fall war, als maschinenlesbar im Sinne der rechtlichen Vorgaben gelten kann. Diese Frage wurde nicht abschließend geklärt, doch das Gericht deutete an, dass solche Vorbehalte in natürlicher Sprache möglicherweise maschinenlesbar seien, wenn moderne KI-Technologien sie inhaltlich erfassen könnten.

Vergleich mit der Studie von Dornis und Stober:

Bereits im September 2024 veröffentlichten Tim W. Dornis und Sebastian Stober eine Studie mit dem Titel „Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle – technologische und juristische Grundlagen“. Diese Studie analysiert die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen für das Training generativer KI-Modelle und kommt zu einem anderen Ergebnis als das Landgericht Hamburg in Bezug auf die Anwendbarkeit der Text- und Data-Mining-Schranke des § 60d UrhG.

Die Studie argumentiert, dass die TDM-Schranke des § 60d UrhG nicht auf das Training generativer KI-Modelle angewendet werden kann. Dornis und Stober führen aus, dass das Training solcher Modelle nicht nur die Analyse semantischer Informationen umfasst, sondern auch syntaktische Informationen der verwendeten Daten verarbeitet. Diese umfassendere Nutzung der Daten stelle eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung nach § 16 UrhG dar und gehe über den engen Rahmen der TDM-Schranke hinaus, die primär auf die Auswertung von Inhalten zu wissenschaftlichen Zwecken abzielt. Zudem sei der Gesetzgeber bei der Einführung der TDM-Schranke nicht auf die technologische Entwicklung von KI-Modellen und deren disruptiven Charakter vorbereitet gewesen, was eine Anwendung auf das KI-Training unzulässig mache.

Das Landgericht Hamburg hingegen sah in seiner Entscheidung keine unzulässige Nutzung, da die Nutzung der Daten primär dem wissenschaftlichen Zweck des TDM diente und nicht der kommerziellen Verwertung. Der spätere Einsatz der Daten für das KI-Training wurde von der Kammer nicht als entscheidend erachtet. Der Kern der Entscheidung lag in der Interpretation, dass der Abgleich von Bild und Beschreibung als wissenschaftliche Forschung unter die TDM-Schranke falle, was der Auffassung von Dornis und Stober widerspricht.