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Der EuGH hat vergangene Woche über die unionsrechtliche Zulässigkeit der deutschen Regelung zur Leermedienabgabe oder Pauschalabgabe an Sendeunternehmen nach dem Urheberrechtsgesetz – oder besser gesagt über das Fehlen jeder solchen Abgabe an Sendeunternehmen – entschieden. Der Gerichtshof hat Grenzen gesetzt, die je nach der Beurteilung der deutschen Gerichte dazu führen könnten, dass die bisherige deutsche Rechtslage als unionsrechtswidrig beurteilt wird. Der Beitrag erklärt die bisherige Rechtslage und die Entscheidung des EuGHs. Er gibt zudem einen Ausblick auf den möglichen weiteren Verfahrensgang vor den deutschen Gerichten, die insbesondere über die Frage entscheiden müssen: Videoaufzeichnungen von Fernsehsendungen – Macht das eigentlich noch jemand?

A. Die Pauschalabgabe im deutschen Recht

Die Pauschalabgabe ist in § 54 UrhG geregelt und ist nur verständlich, wenn man sie zusammen mit der gesetzlichen Lizenz für private nicht-kommerzielle Vervielfältigungen nach § 53 UrhG betrachtet. Der § 53 UrhG ist, ohne dass man es mitbekommen würde, eine der wichtigsten urheberrechtlichen Regelung im Alltag. Sie erlaubt die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten nicht-kommerziellen Gebrauch. Hierunter fällt das Kopieren von Musik auf eine CD oder ein Abspielgerät, Kopien von einzelnen Buchseiten für die Weitergabe im Freundeskreis oder eben auch die Aufzeichnung von Fernsehsendungen für einen späteren Zeitpunkt auf einem Speichermedium. Natürlich verliert diese Vorschrift durch die zunehmende Digitalisierung auch beim Konsum von Unterhaltungsmedien immer mehr an Bedeutung. Bei den diversen Streaming-Diensten ist das Streaming selbst meist bereits lizenzrechtlich geregelt und fällt nicht mehr unter § 53 UrhG.

§ 53 UrhG ist eine Regelung im Interesse der Allgemeinheit zur Vereinfachung des privaten Konsums und der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken. Der deutsche Gesetzgeber hat sich auch nach der unionsrechtlichen Überformung dieses Bereichs des Urheberrechts dazu entschieden, die private Vervielfältigung pauschal zu erlauben. Die Regelung geht dabei zu Lasten der Urheberrechtsinhaber, die auf die Vervielfältigungshandlungen keinen Einfluss mehr haben und entsprechend auch keine Vergütung verlangen können. Deshalb sieht § 54 UrhG eine Pauschalabgabe vor. Diese wird aber nicht von den privaten Endkunden bei jeder Vervielfältigung entrichtet, denn dann würde § 53 UrhG nichts mehr zur Vereinfachung beitragen. Stattdessen zahlen alle Hersteller und Importeure von Geräten, die dazu genutzt werden können, eine Vervielfältigung im Sinne des § 53 UrhG zu erstellen, eine Pauschalabgabe an den Rechteinhaber. Das heißt immer dann, wenn ein beliebiges Vervielfältigungsgerät verkauft wird (bspw. Computer, Videorekorder, Mobiltelefone), wird ein bestimmter Anteil des Kaufpreises als Abgabe eingepreist.

In der Realität ist diese Abgabe so organisiert, dass die Hersteller und Importeure pro verkauftem Gerät einen Festbetrag an die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) zahlen, welche wiederum die Abgaben an die Verwertungsgesellschaften (GEMA, VG Wort, VG Bild etc.) ausschüttet, welche dann wiederum die Einnahmen an die Urheberrechtsinhaber ausschütten. Die Abgabe liegt dabei je nach Gerät oder Speichermedium zwischen 0,0125 ct (für jede CD) und 87,50 EUR (für Multifunktionsdrucker mit einer Leistung ab 40 Seiten/Minute). In der Unterhaltungselektronik bewegen sich die Abgaben zwischen 1,50 EUR und 12 EUR je verkauftes Gerät.

Insgesamt geht es hier beispielsweise um Erträge von 215 Mio. EUR im Jahr 2021, die von der ZPÜ erhoben werden.

B. Die Entscheidung des EuGHs

Nach der aktuellen deutschen Rechtslage erhalten Sendeunternehmen keine Vergütung für Privatkopien, § 54 UrhG ist auf sie nicht anwendbar gem. § 87 Abs. 4 UrhG. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Sendeunternehmen allenfalls einen geringfügigen Schaden durch Privatkopien hätten. Durch das Streaming in eigenen Mediatheken rücke die Bedeutung von privaten Sendungsaufzeichnungen in den Hintergrund. Zudem seien die Sendeunternehmen nicht in Bezug auf den Inhalt der Sendung geschützt, sondern nur in Bezug auf den technischen Aufwand, der durch die Sendung selbst entsteht, dieser werde aber durch die private Vervielfältigung überhaupt nicht angetastet. Private Vervielfältigungen von Fernsehsendungen würden sich also gar nicht stark genug auf die Sendeunternehmen auswirken, um eine Vergütung zu rechtfertigen. Zudem seien die Sendeunternehmen ohnehin regelmäßig in ihrer Eigenschaft als Filmhersteller geschützt, wodurch ihnen unproblematisch ein Vergütungsanspruch zusteht, wenn private Kopien von eigens produzierten Filmwerken angefertigt werden.

Art. 5 Abs. 2 lit. b) RL 2001/29/EG (Info-Soc-Richtlinie) stellt es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die private Vervielfältigung gegen einen gerechten Ausgleich erlauben wollen. Diese Regelung gilt für alle Rechtsinhaber gleich und sieht keine Ausnahme für Sendeunternehmen vor. Das Landgericht Erfurt hatte in einer Rechtsstreitigkeit zwischen der Pro7-Sat1-Gruppe (Seven.One GmbH) und der Verwertungsgesellschaft Corint Media GmbH (ehemals VG Media) deshalb Zweifel an der Unionsrechtskonformität der deutschen Ausnahmeregelung und legte diese dem EuGH zur Prüfung vor. Zweifel bestanden auch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 20 GrCh.

Der EuGH hat entschieden, dass die Ausnahmeregelung dann nicht mit dem Unionsrecht vereinbar wäre, wenn der potenzielle Schaden der den Sendeunternehmen durch die Privatkopien entsteht nicht nur geringfügig ist. Die Frage wie hoch der Schaden für die Sendeunternehmen tatsächlich ist, muss jetzt das LG Erfurt klären. Dass eine Ausgleichzahlung unterbleiben kann, wenn der Schaden nur geringfügig ist, geht bereits aus der früheren Rechtsprechung des EuGHs hervor. Wenn der Schaden nur geringfügig ist, würde dies einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art. 20 GrCh für die Ungleichbehandlung der Sendeunternehmen im Vergleich zu anderen Rechteinhabern bedeuten. Das LG Erfurt muss aber auch noch prüfen, ob nicht möglicherweise eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen durch die Regelung besteht, da beide pauschal von dem Vergütungsanspruch ausgenommen werden, obwohl sich ihre Einnahmequellen erheblich unterscheiden.

C. Ausblick auf das weitere Verfahren

Viel Klärung bringt die Antwort des EuGHs auf die Vorlagefrage des LG Erfurt noch nicht. Der EuGH hat dem LG große Aufgaben mit auf den Weg gegeben und dabei Aufschluss über die möglichen Rechtsfolgen gegeben. Sollte im deutschen Verfahren nun festgestellt werden, dass der Schaden für die (privaten) Sendeunternehmen nicht nur geringfügig ist, wäre die Regelung nicht unionsrechtskonform und damit unanwendbar. An die Stelle der Regelung würde nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH Collins die Richtlinie als unmittelbar anwendbare Regelung treten, so dass ein Vergütungsanspruch der Sendeunternehmen bestünde. Hierbei ist zu beachten, dass die klassischen Aufnahmetätigkeiten bereits vergütet werden – soweit es also um Filme im Free-TV oder urheberrechtlich geschützte Sendungsinhalte geht, erhalten die Werkurheber und Sendeunternehmen bereits eine Vergütung über die ZPÜ.

Es wird nicht trivial sein abzugrenzen, welche Positionen überhaupt als Schaden der Sendeunternehmen in Betracht kommen. Zunächst mal geht die Verbreitung klassischer Privatkopien von Fernsehsendungen wohl, genauso wie die Fernsehnutzung überhaupt, fortlaufend zurück. Es ist auch davon auszugehen, dass die eigenen Mediatheken der Sendeunternehmen und Streaming-Angebote zu einem Aussterben der Privatkopien führen. Allenfalls noch die Nutzung von Online-Videorecordern, die vor etwas über 10 Jahren mal heißdiskutiertes urheberrechtliches Problem waren, könnte sich noch auf die Häufigkeit privater Aufzeichnungen auswirken.

Weiterhin ist unklar, inwiefern die für die privaten Sendeunternehmen relevanten Werbeeinnahmen durch Privatkopien beeinträchtigt werden sollen. Natürlich schauen Nutzer, die ein Programm aufgenommen haben, die Werbung nicht mehr – aber darauf kommt es ja für den Wert eines Werbeblockes nicht an, sondern auf die EInschaltquoten. Die Aufzeichnung von Sendungen wird aber auch in der Einschaltquote erfasst und macht deshalb einen Werbeblock nicht weniger attraktiv oder weniger profitabel für das Sendeunternehmen. Am ehesten werden die Sendeunternehmen sich noch darauf berufen können, dass ihre inzwischen meist kosten- oder zumindest anmeldepflichtigen Mediatheken nicht genutzt werden, wenn ein Nutzer die Sendungen selbst aufzeichnet. Auch eine Gleichbehandlung wesentlich Ungleichem im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern könnte Aussicht auf Erfolg haben. Der Ansatz hat abe rmit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil wieder geklärt werden müsste, inwiefern sich Privatkopien auf die Einnahmen der Sendeunternehmen in einer Art auswirken, die bei den öffentlich-rechtlichen nicht erfolgt.

D. Fazit

Die Rechtsstreitigkeit scheint bei Licht betrachtet etwas aus der Zeit gefallen. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der privaten Aufzeichnung von Fernsehsendungen wird wohl vernachlässigbar sein. Insbesondere haben die privaten Fernsehsender die Aufnahmemöglichkeiten für ihre Programme ohnehin schon empfindlich eingeschränkt. Nichtsdestotrotz bleibt spannend wie das LG Erfurt entscheidet, weil die Annahme einer Unionsrechtswidrigkeit Auswirkungen (wenn auch nur marginale) bis in die Verbraucherpreise für Unterhaltungselektronik haben wird. Bei den nicht unbedingt zukunftssicher aufgestellten Sendeunternehmen wäre die zusätzliche Einnahmequelle auf jeden Fall willkommen.