Gerechte finanzielle Lastenverteilung oder Dammbruch für die Finanzierung der öffentlichen Sicherheitspolitik?
Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom vergangenen Dienstag entschieden, dass die Erhebung von Gebühren für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen zulasten der DFL in der Form der Bremer Gebührenordnung verfassungskonform ist.
Ist die Entscheidung richtig? Handelt es sich bei dem bestätigten Vorgehen der Bremer Gebührenerhebung um gerechte finanzielle Lastenverteilung oder ist es ein Dammbruch für die private Finanzierung der öffentlichen Sicherheitspolitik? Ein Überblick:
A. Die „Lex Werder“
Anlass des jahrelangen Rechtsstreits ist eine „neue“(mittlerweile aber schon 10 Jahre alte) Vorschrift in der Gebührenordnung des Landes Bremen (§ 4 Abs. 4 BremGebBeitrG), der dem Land faktisch einen Anspruch auf Kostenerstattung für überproportional umfangreiche polizeiliche Schutzvorkehrungen bei sog. „Hochrisikospielen“ im bezahlten Fußball erlaubt. So lautet die Vorschrift:
„Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten. Die Gebühr kann nach den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet werden.“
Wer aufmerksam liest stellt fest: Die Vorschrift gilt nicht ausschließlich für den Fußball, sondern für Großveranstaltungen jeder Art. Das können auch Musikfestivals, Marathons, Konzerte oder Ereignisse wie das Münchener Oktoberfest sein. Seinen Ursprung hat die gesetzliche Regelung aber in Fußballspielen, bei denen erfahrungsgemäß besondere Gefahrenlagen durch Fangruppen der beteiligten Teams zu befürchten sind. Meist sind das die Derbys, bei denen sich die besondere jahrzehntelange Rivalität der Fans an Ort und Stelle begegnet.
Erstmals war es das Land Bremen, welches seine Gebührenordnung anpasste und von der DFL als Mitveranstalterin Gebühren in Höhe von mehr als 400.000€ für den Einsatz von fast 1.000 Polizeibeamten zur Absicherung der Begegnung Werder Bremen gegen den Hamburger SV forderte. Dem Land ging es dabei nicht um die Umlage von Kosten des Einsatzes seiner Polizeikräfte schlechthin, sondern um zusätzliche Kosten die für das Land unter anderem dadurch anfielen, dass es sich aus Mangel an genug eigenen personellen Ressourcen Einsatzkräfte von anderen Bundesländern kostenpflichtig „ausleihen“ musste. Der zugrunde liegende Gebührentatbestand wird daher auch „Lex Werder“ genannt.
Das Land Bremen hätte übrigens auch den SV Werder Bremen als Veranstalter der Begegnung im Weserstadion in Anspruch nehmen können, entschied sich aber für die finanziell vermeintlich schwergewichtigere DFL, die es aufgrund der Organisation des Ligabetriebs als Mitveranstalterin ansieht.
B. Der Rechtsweg…
Die DFL konnte den ersten und die dann in weiteren Saisons folgenden Gebührenbescheide vor dem Verwaltungsgericht Bremen noch erfolgreich anfechten, weil das Verwaltungsgericht die zugrundeliegende Kostenvorschrift (aus der sich die Höhe der Gebühr berechnen lässt), für nicht hinreichend bestimmt ansah. Das Land Bremen hatte aber in der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen Erfolg, das den Gebührenbescheid insgesamt für rechtmäßig hielt. Spätestens ab diesem Punkt rückte die Kostenvorschrift in den Hintergrund und die Problematik verlagerte sich auf verfassungsrechtliche Grundsatzfragen, die dann auch letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht zu klären sein sollten: Kann der Staat Gebühren für Aufgaben erheben, zu denen er gesetzlich ohnehin verpflichtet ist? Kann die DFL dafür zur Kasse gebeten werden, dass vermeintliche Gewalt durch Fußballfangruppen ein besonderes Polizeiaufgebot erfordern? Handelt es sich vielleicht sogar um ein verfassungsrechtlich verbotenes Einzelfallgesetz nur für die speziellen Fälle der Bundesligaderbys?
Das Bundesverwaltungsgericht beanstandete zwar die Gebührenhöhe, hielt aber die gesetzliche Grundlage für rechtmäßig. Das Gericht differenzierte dabei insbesondere zwischen der allgemeinen Steuerschuld und dem Korrelat des Zugangs zu öffentlichen Gütern einerseits und der privaten Inanspruchnahme zum Zweck der eigenen Gewinnerzielung andererseits. Es hielt eine Gebührenerhebung für gerechtfertigt, wenn der Gebührenschuldner „als Nutznießer verstärkter Polizeipräsenz“ in Anspruch genommen wird und die Höhe der Gebühr mit Blick auf den durch den Polizeieinsatz ermöglichten Gewinn angemessen ist.
C. … bis nach Karlsruhe
Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reichte die DFL Verfassungsbeschwerde ein, die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als unbegründet zurückgewiesen wurde (BVerfG Urt. v. 14.1.2025 – 1 BvR 548/22 – Polizeikosten Hochrisikospiele). Das BVerfG begründet die Entscheidung anhand folgender Grundannahmen:
- Die polizeiliche Gefahrenabwehr muss von Verfassungswegen nicht zwingend nur aus dem Steueraufkommen finanziert werden.
- Vom Staat erhobene Gebühren setzen eine individuell-zurechenbare staatliche Leistung zugunsten eines Bürgers oder einer Gemeinschaft von Bürgern voraus, wobei die Zurverfügungstellung von Einsatzkräften bei bestimmten Bundesligaspielen eine den Veranstaltern individuell-zurechenbare Leistung sei.
- Die Gebührenerhebung ist verhältnismäßig und auch im Einzelfall verhältnismäßig angewendet worden.
I. Am Fundament rütteln: zur Gebührenfinanzierung des Gefahrenabwehrrechts
Die Gretchenfrage des Falles ist diese: Können Kosten der staatlichen Gefahrenabwehr generell oder in bestimmtem Umfang überhaupt Einzelnen auferlegt werden, weil diese vermeintlich (wirtschaftlich) von der Gefahrenabwehr profitieren?
1. Steuerstaat – auch gebührenfinanziert?
Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die Finanzverfassung grundsätzlich als Steuerstaat konstituiert. Der Staat hat danach seine Ausgaben in erster Linie durch die Erhebung von Steuern zu decken (siehe Art. 105 bis 108 GG). Diese finanzielle Einhegung soll zugleich den Staat demokratisch absichern. Die Erhebung von Steuern belässt die Hoheit über die Finanzen beim demokratisch legitimierten Parlament. Zusätzliche Einnahmequellen sollen nach der Konzeption der Verfassung die Ausnahme bleiben, darunter fällt insbesondere die staatliche Kreditaufnahme (vgl. Art. 115 GG – die inzwischen mystifizierte „Schuldenbremse“), die staatliche Erwerbstätigkeit und die Erhebung von Gebühren bei den Bürgern. Der Steuerstaat soll nicht nur Belastung, sondern auch Schutz des Bürgers sein: der Bürger soll grundsätzlich davon ausgehen können, nicht zusätzlich zur Steuer noch mit Abgaben an den Staat belastet zu werden.
Gebühren sind damit, so das Bundesverfassungsgericht, in Abgrenzung von der Steuer dazu bestimmt, staatliche Kosten zu decken und den Wert staatlicher Leistungen auszugleichen, wenn die Leistungen Einzelnen individuell zurechenbar zugutekommen. . Während die Steuer abstrakte Abgabe für den Staatshaushalt ist, ist die Gebühr als Reaktion auf eine bestimmte Bevorteilung des Einzelnen durch staatliches Handeln zu verstehen.
Grundsätzlich darf der Staat also auch Gebühren erheben, wenn er keine allgemeine Finanzpolitik macht, sondern Lasten und Vorzüge ausgleichen will, insbesondere indem er die Kosten für eine konkrete öffentliche Leistung zu decken sucht.
2. Gefahrenabwehrrecht ist Staatssache – aber nicht unbedingt Staatsausgabe
Auf Basis dieser grundsätzlichen Feststellungen zur allgemeinen Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung wird vertreten, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr des Staates eine Gebührenerhebung regelmäßig unzulässig sein muss. Die zwei wesentlichen Argumente sind:
- Die Gefahrenabwehr ist Kernaufgabe des Staates. Der Staat verfügt aus guten Gründen über das Gewaltmonopol und muss daher auch die finanzielle Lasten der Ausübung dieser Aufgabe tragen, ohne den Bürger dafür zu belangen.
- Der Staat muss aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber den Bürgern (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) bei Gefahren für die allgemeine Sicherheit und Ordnung eingreifen, darf dann aber infolge der Erfüllung dieser Pflichten keine Gebühren erheben.
Das BVerfG hält diese Argumente in ihrer Pauschalität für falsch. Es nennt bestimmte hoheitliche Leistungen, bei denen für Kernaufgaben des Staates Gebühren erhoben werden, zB die Gerichtsverfahren vor den ordentlichen (staatlichen) Gerichten.
Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie der Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG würden zeigen, dass ein Anspruch auf Gebührenfreiheit jeglicher staatlicher Leistungen nicht besteht.
II. Gebührenschuldner DFL
Zunächst sei angemerkt, dass die DFL nicht zwingend Gebührenschuldnerin sein musste. Das Bundesland Bremen hätte genauso gut den SV Werder Bremen als Heimverein und Veranstalter in Anspruch nehmen können. Es wäre aber politisch brisant gewesen, ein Aushängeschild der Stadt auf diese Weise zu belasten. Dass die DFL als zumindest Mitveranstalter ebenfalls als Adressat der Gebührenpflicht in Frage kommt, machte es der Behörde „optisch“ leichter.
Aus dem Ausgleichscharakter der Gebühr folgt, dass sie einen individuellen und konkreten Anknüpfungspunkt haben muss, der ihre Erhebung rechtfertigt (zB eine besondere Verantwortlichkeit, eine besondere Nähebeziehung oder eine individuelle Zurechenbarkeit). Es muss also ein konkreter Bezug zwischen dem Abgabepflichtigen und dem durch die öffentliche Leistung erlangten Vorteil bestehen. Hier müsste also die DFL durch die Polizeipräsenz bei Ligaspielen einen ausgleichsfähigen Vorteil erlangt haben.
Das BVerfG konzentriert sich auf die das übliche Maß überschreitende „Sondernutzung“ öffentlicher Leistungen, dass also die DFL durch die (Mit-)Veranstaltung der Ligaspiele in besonderer Weise die begrenzten staatlichen Ressourcen zur Gefahrenabwehr in Anspruch nimmt.
Die bloße Kausalität könne zwar offensichtlich nicht ausreichen, aber die DFL auf die polizeilichen Maßnahmen objektiv betrachtet zur weiteren Durchführung ihrer Veranstaltungen angewiesen. Die Zufahrtswege und die Sicherheit rund um das Stadion und in der Stadt seien Vorbedingungen des Ligabetriebes.
Unerheblich sei zudem die polizeirechtliche (Nicht-)Verantwortlichkeit der DFL. Die Polizeipflichtigkeit sei von der Kostenpflichtigkeit zu trennen. Das ergibt sich im Urteil letztlich aus dem immer wieder betonten Austauschcharakter der Gebührenerhebung. Nicht das Verhalten sei Anlass der Gebühr, sondern der finanzielle Ausgleich von Leistung und Gegenleistung.
III. Verhältnismäßigkeit
Kurz hält sich das BVerfG bei der Angemessenheit: Die Gebührenlast habe keine unangemessene Belastung zur Folge und würde auch keine erdrosselnde Wirkung zeigen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG überwiege nicht das legitime Ziel die Allgemeinheit nicht mit der finanziellen Sonderbelastung der Polizei durch die Veranstaltung von Hochrisikospielen zu belasten.
D. Ein bisschen Rütteln stößt schon nicht das Haus um?
Vor der Begründung im Einzelnen merkte der Präsident des BVerfG, Prof. Dr. Stephan Harbarth, mit Blick auf den öffentlichen Diskurs Folgendes an: „darüber, ob die getroffene Regelung politisch vernünftig, klug oder gar wünschenswert ist, hat der Senat nicht befunden, er hat nur entschieden, dass das Grundgesetz dem Gesetzgeber die Schaffung einer solchen Regelung, wie sie hier vorliegt, für Hochrisikospiele der Fußballbundesliga, nicht untersagt“.
I. Konsequenzen im Fußball…
Ins Zentrum stellt das BVerfG damit die Auswirkungen des Urteils auf die Fußballszene, die schwer abzuschätzen sind. Die DFL hat nach aktueller Praxis die Gebühren an die Vereine weitergereicht. Dadurch beeinflusst das Urteil mittelbar auch die Landschaft des sportlichen Wettkampfes, weil die – notorisch diffizile – Finanzlage der Vereine betroffen ist. So muss man bedenken, dass es nicht wenige Vereine in Deutschland gibt, die zugleich wenig Geld und praktisch nur Hochrisikospiele haben (man denke an Dynamo Dresden oder Hansa Rostock) und die Zusatzbelastung vielleicht gar nicht stemmen können. Gleichzeitig gibt es in der Bundesliga Vereine, die sehr viel Geld und fast keine Hochrisikospiele haben (so wohl RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim). Wenn die Gebührenerhebung also flächendeckend erfolgen sollte, wird sich dadurch auch die finanzielle Ungleichheit in den Profiligen verschärfen. Ziehen die übrigen Bundesländer nun nach und erlassen gebührenrechtliche Grundlagen nach dem Bremer Vorbild, wird zwar vermutlich auch die DFL als Gebührenschuldner (und nicht direkt die Vereine) herangezogen, aber die Frage, nach welchem Schlüssel die DFL die Kosten umlegt, wird eine Herausforderung. Zudem wären nach dem Tatbestand der Bremer Verordnung auch Clubs außerhalb der DFL betroffen, z.B. Regionalligavereine mit hohem Zuschauerschnitt wie Jena, Halle, Lok. Leipzig, Offenbach und Duisburg und würden damit sehr wahrscheinlich unmittelbarer Gebührenschuldner.
Befürchtet wird, dass die Entscheidung für einen solchen Gebührentatbestand den Behörden intransparenten Ermessensspielraum verschafft, wann ein sog. Hochrisikospiel vorliegt und mit welchem personellen und materiellen Aufwand Gefahren kontrollierbar sind. Dies ausgehend davon, dass dem Gebührentatbestand die falsche Grundannahme zugrunde liegt, Fußballfans bzw. die Ultras unter ihnen seien generell gewaltgeneigt.
Diese Gefahr besteht in der Tat. Einzig möglich wäre es, durch gerichtliche Überprüfung der Gebührenbescheide und vor allem der Gebührenhöhe, das polizeiliche Vorgehen im Umfeld von Fußballspielen gerichtlicher Überprüfung zuzuführen. Die Rechtsprechung könnten dann Maßstäbe bilden, die bei der Einschätzung von Gefahrenlagen von den Behörden heranzuziehen sind.
II. … und darüber hinaus
Diese Perspektive macht neben der eloquenten Mahnung zur politischen Vorsicht das Urteil aber auch kleiner als es ist. Das BVerfG hat nämlich nicht nur über eine Regelung für Hochrisikospiele der Bundesliga entschieden, sondern über § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG, der abstrakt auf alle gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5000 Teilnehmern und ähnlichem Gefährdungspotential anwendbar ist, also auch auf Weihnachtsmärkte, Marathonveranstaltungen oder das Münchener Oktoberfest. Es hat zudem den Weg für weitere Gebührenvorhaben des polizeirechtlichen Gesetzgebers frei gemacht, weshalb im Vorfeld nicht ohne Grund vor einer Entgrenzung gewarnt wurde.
Es geht je nach Betrachtungsweise also um eine finanzverfassungsrechtliche Frage mit mehr oder weniger weitreichenden Implikationen für die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik. Abgetan werden können zwar apokalyptische Szenarien, wie die Verunmöglichung von Versammlungen durch extreme Gebührenauflagen, da das BVerfG im Urteil Art. 8 GG ausdrücklich als Beispiel eines gebührenfreien Grundrechts nennt (Rn. 72) und auch in bisherigen Entscheidungen im Kontext von Art. 8 GG einen erheblich härteren Rechtfertigungsmaßstab für Gebühren angelegt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2007 – 1 BvR 943/02).
Man sollte sich aber angesichts der aktuellen Haushaltslage nicht vormachen, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Gebührenerhebung keinen weiteren Gebrauch machen wird. Besonders gefährdet werden dadurch zunächst mal die versammlungsrechtlichen Grauzonen. So gab es beim CSD schon behördliche Versuche den Charakter als Versammlung zu verneinen, womit der Anwendungsbereich für einen polizeirechtlichen Gebührentatbestand möglicherweise eröffnet wäre. Auch klassische öffentliche Events wie Weihnachtsmärkte oder Marathonläufe dürften für Gebührenforderungen anfällig sein.
Eine uferlose Gebührenfinanzierung der staatlichen Sicherheitsstruktur droht das öffentliche Leben veröden zu lassen, ohne dabei für mehr Sicherheit zu sorgen oder den Staat zu entlasten. Nicht vergessen sollte man in der Debatte, dass alle gefahrgeneigten Veranstaltungen mit hohem Besucheraufkommen zugleich wirtschaftlich relevant sind. Was der Gebührenstaat einnimmt, fehlt beim Steuerstaat, wenn diese Veranstaltungen die Gebührenlast nicht mehr heben können. Viel wird dann an den Instanzgerichten hängen bleiben, die hoffentlich genau in das Urteil des BVerfG schauen und sich der vielen Schranken bedienen, die darin zu finden sind.
Die zentralen einschränkenden Elemente sind (1.) der Ausgleichscharakter der Gebührenerhebung, der es erforderlich macht, dass der Gebührenschuldner erhebliche Gewinne durch die Inanspruchnahme der staatlichen Gefahrenabwehr generieren kann, (2.) die Begründung des besonderen Näheverhältnis oder der individuellen Zurechenbarkeit für den Gebührenschuldner, wobei es insbesondere auf die Kausalität, die Kenntnis von der Gefahrgeneigtheit, die Notwendigkeit der Gefahrenabwehr für die Gewinnerzielung und das Inkaufnehmen der Gefahrgeneigtheit ankommt und (3.) die Verhältnismäßigkeit, die hier wegen des quantitativ extremen Ausmaßes der Inanspruchnahme staatlicher Kapazitäten, des besonders hohen Gewinnes der DFL und des nur geringen Eingriffsgewichts in jedem Punkt gegen die DFL sprach. So sähe beispielsweise bei Konzerten durch Art. 5 III GG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung schon ganz anders aus.
Parallelen lassen sich zur Rechtsprechung des BVerfG über Sonderabgaben ziehen (bspw. BVerfG Beschl. v. 18.5.2004 – 2 BvR 2374/99; BVerfG, Urt. v. 6.7.2005 – 2 BvR 2335/95), die von einer Hervorhebung der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung und restriktiver Auslegung geprägt ist. Diese Rechtsprechungslinie spricht eher gegen eine zukünftige uferlose Ausdehnung der gefahrenabwehrrechtlichen Gebührentatbestände und stattdessen einer zunehmenden Fokussierung auf das Merkmal der individuellen Zurechenbarkeit, das einer einschränkenden Auslegung unterzogen werden könnte.
E. Fazit
Das Urteil des BVerfG bietet in einer Zeit angespannter Haushalte erhebliches politisches Konfliktpotenzial, es ist davon auszugehen, dass es mindestens auf die Vereinslandschaft in der Bundesliga erhebliche Auswirkungen haben wird, sollten andere Länder mit ähnlichen Tatbeständen nachziehen. Auch darüber hinaus wird der Gesetzgeber Versuche starten die finanzielle Last der Gefahrenabwehr abzuwälzen. Zugleich bietet das Urteil aber Instrumente für die Instanzgerichte um einer uferlosen Gebührenfinanzierung der Polizei Einhalt zu gebieten. Es wird an der instanzgerichtlichen Rechtsprechung liegen, ob das Urteil die Gestattung eines Fremdkörpers im finanzverfassungsrechtlichen Gefüge oder das Einläuten einer gebührenrechtlichen Neuausrichtung bedeutet.