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Am 05.04.2023 hat das Bundeskabinett die 11. GWB-Novelle beschlossen. Das umgangssprachlich als Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz bezeichnete Änderungsgesetz sieht eine weitreichende Erweiterung der Befugnisse des Bundeskartellamtes (BKartA) vor. Herzstück sind die neuen Eingriffsbefugnisse im Zusammenhang mit Sektoruntersuchungen nach Vorbild der britischen Competition and Markets Authority (CMA). Der Regierungsentwurf wird jetzt dem Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Der Beitrag gibt einen Überblick über die geplanten Neuerungen und beurteilt die Auswirkungen auf die Praxis.

Dieser Beitrag ist Teil 2 eines zweiteiligen Themas. In Teil 1 ging es um die neue Sektoruntersuchung, in Teil 2 soll es jetzt um die neue Abschöpfung kartellrechtswidrig erlangter Vorteile und um die Durchsetzungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Digital Markets Act gehen.

A.        Abschöpfung kartellrechtswidriger Vorteile

I.           Neuregelung

Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung räumt § 34 GWB schon jetzt dem BKartA ein. Sie dient der Absicherung der Durchsetzung des Kartellrechts. Unternehmen sollen aus dem Kartellverstoß grundsätzlich keinen Vorteil ziehen können. Deshalb hat das BKartA die Möglichkeit, neben einer Geldbuße auch noch generell die aus dem Kartellverstoß erlangten Vorteile abzuschöpfen. So soll schon präventiv klargestellt werden, dass sich ein Kartellverstoß nicht lohnt. Dabei ist die Vorteilsabschöpfung subsidiär gegenüber den anderen Maßnahmen, das heißt auf die Höhe der Vorteilsabschöpfung wird alles angerechnet, was das Unternehmen insbesondere im Zusammenhang mit dem Kartellverfahren bereits an Bußgeldern und Schadensersatzzahlungen geleistet hat.

Der jetzigen Vorteilsabschöpfung liegt ein Vergleich zwischen der tatsächlichen Wirtschaftslage des Unternehmens (also mit Kartellverstoß) und der hypothetischen Wirtschaftslage des Unternehmens, hätte dieses den Kartellverstoß nicht begangen, zugrunde. Diese Hypothese bedeutet aktuell eine hochkomplexe ökonomische Analyse. Kartellverstöße dauern regelmäßig mehrere Jahre an, entsprechend muss sich auch das hypothetische Alternativszenario auf mehrere Jahre richten. Das BKartA tappt dabei oft im Dunkeln, weil die Rechtsverletzer aus der Natur der Sache viel bessere Informationen über die erlangten Vorteile haben. Dabei erfordern § 39 VwVfG und Art. 20 II, III GG, bzw. Art. 41 EU-GrCh, dass der Entscheidung ein hinreichend nachvollziehbarer Berechnungsmaßstab zugrunde liegt, so dass eine etwaig überhöhte Entscheidung angefochten werden kann. Die Gesetzesbindung der Verwaltung und das Begründungserfordernis zwingen die Kartellbehörde in Verbindung mit dem vorgesehenen Berechnungsmaßstab dazu, langwierige Berechnungen aufwändig zu dokumentieren, um einen Kartellverstoß hinreichend ahnden zu können.

Der Gesetzgeber reagiert mit dem neuen § 34 Abs. 4 GWB-E auf die Schwierigkeiten bei der Kartellrechtsdurchsetzung und verlagert die Beweislast bei der Vorteilsabschöpfung auf die Rechtsverletzer. Das geschieht durch eine gesetzliche Vermutung und die Ermächtigung die Höhe des Vorteils zu schätzen. Konkret sieht das folgendermaßen aus:

 

  1. Es wird vermutet, dass der Kartellverstoß irgendeinen Vorteil bringt (§ 34 Abs. 4 S. 1 GWB-E)
  2. Die Vermutung nach (1) kann nur dadurch widerlegt werden, dass ein Vorteil aufgrund der Natur des Verstoßes (also nach objektiven Kriterien) ausgeschlossen ist (§ 34 Abs. 4 S. 6, 9 GWB-E)
  3. Es wird vermutet, dass der Vorteil mindestens 1% des Umsatzes durch den Verkauf im Inland für die Dauer des Kartellverstoßes, längstens aber für 5 Jahre ausmacht (§ 34 Abs. 4 S. 4, 5 GWB-E)
  4. Die Vermutung nach (2) kann durch das Unternehmen widerlegt werden, indem dieses beweist, dass weder die am Verstoß unmittelbar beteiligte juristische Person oder Personenvereinigung noch das Unternehmen im Abschöpfungszeitraum einen Gewinn in entsprechender Höhe erzielt hat, wobei der globale Gewinn der wirtschaftlichen Einheit zugrunde zu legen ist (§ 34 Abs. 4 S. 7, 8 GWB-E)
  5. Die tatsächliche Höhe des Vorteils kann nach § 287 ZPO geschätzt werden, wobei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt (§ 34 Abs. 4 S. 2, 3 GWB-E)
  6. Die Höhe des Abschöpfungsbetrages ist auf 10% des Gesamtumsatzes des Unternehmens aus dem, der Entscheidung vorangegangenen, Geschäftsjahr gedeckelt (§ 34 Abs. 4 S. 10 GWB-E)

Abweichend vom Referentenentwurf ist der Regierungsentwurf erneut erheblich zurückhaltender. Während im Referentenentwurf noch der gesamte Zeitraum des Verstoßes, wie er in der Verfügung des BKartA festgestellt wird, zugrunde gelegt wird, ist die Abschöpfung im Regierungsentwurf auf 5 Jahre gedeckelt. Auch die Frist für die Abschöpfung sollte im Referentenentwurf noch von sieben auf zehn Jahre erhöht werden, der Regierungsentwurf tastet die Frist von sieben Jahren aber nicht an.

 

II.         Beurteilung

Durch die Neuerungen wird ein weitgehender Gleichlauf mit dem privaten Schadensersatz aus § 33a GWB erreicht, dieser sieht in § 33a Abs. 2 bereits jetzt eine widerlegliche Schadensvermutung vor und als haftungsbegründende Norm hat § 287 ZPO auf § 33a GWB sowieso Anwendung gefunden. Auch an der Verhältnismäßigkeit der Norm und insoweit ihrer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dürften weitestgehend keine Zweifel bestehen. Allenfalls könnte man in Frage stellen, ob die Abweichung zwischen § 33a Abs. 2 und § 34 Abs. 4 S. 1, 7 zulässig ist. Während die Vermutung in § 33a Abs. 2 nämlich auch dem Grunde nach im Einzelfall widerleglich ist, ist die Vermutung aus § 34 Abs. 4 S. 1 gemäß S. 7 nur „der Art nach“ also nach objektiven Kriterien widerleglich, die Widerlegbarkeit ist so eingeschränkt.

 

In der Praxis wird die Neuerung zu schnelleren Verfahren beim BKartA führen und eine höhere Belastung für die Rechtsverletzer bedeuten, die im Nachgang des Kartellverstoßes jetzt vollumfänglich die Last des Vollbeweises gegen die Vermutung tragen. Entsprechend schwieriger wird es für Rechtsverletzer werden, kartellrechtliche Abschöpfungen zu reduzieren oder zu beanstanden. Das lässt sich im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz bei der Durchsetzung des EU-Rechts und generell wegen der auch präventiven Funktion der Vorteilsabschöpfung aber gut rechtfertigen.

 

B.         Digital Markets Act

Abschließend macht die GWB-Novelle noch Gebrauch von der Möglichkeit aus Art. 38 Abs. 7 des Digital Markets Act (VO (EU) 2022/1925), den eigenen nationalen Behörden eine Ermittlungsbefugnis einzuräumen. Damit darf das BKartA jetzt als nationale Behörde untersuchen, ob die sogenannten „Gatekeeper“ (oder in der deutschen Sprachfassung „Torwächter“) ihren Pflichtenkatalog aus Art. 5, 6 und 7 des Digital Markets Act einhalten. Die Untersuchungsbefugnis ist in § 32g GWB-E geregelt und sieht nur eine Benachrichtigung der Kommission vor, die dann Maßnahmen gem. Art. 29 ff. Digital Markets Act treffen kann. Betreffen tut diese Neuerung ausschließlich „Gatekepper“ also insbesondere die Big-Tech-Unternehmen wie Apple, Google und Microsoft. Hintergedanke des Digital Markets Act ist vor allem das Abbauen von Wettbewerbsbeschränkungen, die dadurch entstehen, dass einzelne Anbieter den Zugang zu einem Markt monopolisieren. Ein typischer Anwendungsfall wird also beispielsweise der App Store sein, durch den Apple den Markt für iOS-Software kontrolliert.