Am 16. März 2020, vor fast genau fünf Jahren, beschloss die damalige Bundesregierung den ersten Corona-Lockdown in Deutschland – eine historische Entscheidung, die nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch das Leben vieler Menschen und die Arbeit vieler Unternehmen grundlegend veränderte. Auch wir als Kanzlei standen vor neuen Herausforderungen, die die rechtliche Beratung in vielen Bereichen nach wie vor beeinflussen. In diesem Interview werfen wir einen Blick zurück auf die vergangenen fünf Jahre und sprechen mit einem unserer erfahrenen Anwälte, Albrecht Doering, der sich in besonderem Maße mit den rechtlichen Fragen beschäftigte, die aus den Pandemie-Beschränkungen resultierten. Besonders im Fokus standen dabei Themen wie die Gastronomiebranche, Corona-Hilfen und deren Rückforderungen. Wir erfahren, wie sich die Arbeit innerhalb unserer Kanzlei in dieser turbulenten Zeit veränderte und wie sich die rechtlichen Fragestellungen bis heute weiterentwickeln.
Vor ziemlich genau 5 Jahren am 16. März 2020 wurde der erste Corona-Lockdown von der damaligen Bundesregierung beschlossen, der unmittelbar danach auch in Kraft trat. Inwieweit hat sich die Arbeit in der Kanzlei dadurch für dich verändert?
Wir haben direkt am ersten Tag des Lockdowns eine Corona-Helpline eingerichtet. Also eine Telefonnummer, unter der wir angeboten haben, dass Besorgte oder Betroffene von den Corona-Maßnahmen sich an uns wenden können. Das hat gerade in der Anfangszeit dazu geführt, dass das Telefon bei uns eigentlich gar nicht mehr still stand. Wir hatten teilweise zwei oder drei Mitarbeitende, die ausschließlich Anfragen bearbeitet haben, die über diese Helpline hereinkamen. Speziell bei mir hat das dazu geführt, dass ich in der Zeit von 2020 bis 2023 bestimmt 80 % meiner Arbeitszeit nur noch mit Fällen rund um Corona beschäftigt war. Die Themen waren dabei ganz unterschiedlich. Besonders viel hatte ich in der Zeit des Lockdowns mit der Gastronomiebranche zu tun und hier natürlich die Frage danach, wie es sein kann, dass ein Betrieb von heute auf morgen schließen muss und somit keine Einnahmen mehr hat, gleichzeitig aber weiter Miete und Gehälter zahlen muss. Im Laufe der Zeit hatte ich dann besonders viel damit zu tun, Unternehmen und andere Betroffene im Zusammenhang mit möglichen Hilfsgeldern zu beraten.
Gab es während der Corona-Krise besondere rechtliche Fragen oder Unsicherheiten unter den Menschen, die immer wieder aufkamen?
Wir hatten im Jahr 2021 einen Lockdown, der sich über die Weihnachtstage erstreckte. In dem Zusammenhang sind natürlich gerade im familiären Bereich viele Fragen aufgekommen, etwa, ob man denn überhaupt noch Weihnachten zusammen verbringen darf.
Seit März 2020 haben Du und Deine Kollegen über 1.000 Verfahren im
Zusammenhang mit Corona geführt. Worum geht es da überwiegend?
Wir haben während der Corona-Zeit unzählige Gerichtsverfahren geführt, die wir im Übrigen auch jetzt noch führen. Unmittelbar während der Corona-Zeit ging es in Berlin unter anderem um die Frage der Zulässigkeit einer Sperrstunde. Aus rechtlicher Sicht ist es nur schwer verständlich, dass Restaurants bis 18:00 Uhr geöffnet haben dürfen, danach dann aber nicht mehr. Jetzt sind wir überwiegend mit der Überprüfung der so genannten Corona-Gelder beschäftigt. D. h. also, Unternehmen, die während der Corona-Zeit finanziell unterstützt wurden und jetzt aber teilweise mit Rückforderungen konfrontiert sind. Gerade in diesen Bereichen besteht noch immer ganz viel Klärungsbedarf.
Gibt es einen Fall, der dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Zu meinen Mandanten gehören auch Catering-Unternehmen, die während des Lockdowns keine Einnahmen mehr erzielen konnten, weil Veranstaltungen untersagt waren. Die Catering-Unternehmen waren insofern zwar nicht direkt von den Corona-Maßnahmen betroffen, denn man hätte weiterhin Catering anbieten können. Die Unternehmen waren aber mittelbar von den Maßnahmen betroffen. Denn wer bestellt schon ein Catering, wenn keine Veranstaltungen mehr durchgeführt werden dürfen? Gerade in diesen Fällen führen wir gerade Gerichtsverfahren, um klären zu können, ob auch Unternehmen, die zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar von den Corona Maßnahmen betroffen waren, ebenfalls einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für die erlittenen Verluste haben.
Wie haben Gerichte in der Regel auf Anträge und Klagen gegen staatliche Corona-Maßnahmen reagiert? Gab es dort eine Entwicklung?
Ich beobachte leider nach wie vor, dass die Gerichte sehr zurückhaltend sind, was Entscheidungen generell im Zusammenhang mit Corona betrifft. Gerade was das Thema Corona-Gelder angeht, hören wir häufig von den Gerichten, man könne einer Klage nicht stattgeben, denn wenn man dem Einzelnen jetzt Gelder zusprechen würde, dann würden am Ende ja alle kommen und das wäre wirtschaftlich nicht machbar.
Welche rechtlichen Fragen stehen bei der Aufarbeitung der Corona-Zeit besonders im Mittelpunkt?
Die rechtlichen Fragen haben sich im Laufe der Zeit natürlich geändert. Jetzt geht es etwa nicht mehr um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einzelnen Maßnahmen wie etwa eines Lockdowns oder einer Sperrstunde. Vielmehr stehen jetzt ausschließlich Fragen rund um die unzähligen Programme der Corona-Gelder im Vordergrund.
In Bezug auf Rückforderungen von Corona-Gelder: Um welche Summen geht es da?
Die Summen der Rückforderungen sind ganz unterschiedlich. Je nach Antragsteller standen einem Gelder nach unterschiedlichen Berechnungen zu. Wir sprechen hier also teilweise von Selbstständigen, die einen Zuschuss zum Lebensunterhalt bekommen haben. Wir sprechen aber auch über große Konzerne, wo es um mehrere Millionen geht. Eine mögliche Rückforderung ist aber für alle Betroffenen ein harter Schlag, denn die Gelder sind natürlich längst ausgegeben und wurden aufgrund von fehlenden Einnahmen auch tatsächlich benötigt. Kommt es jetzt zu Rückforderungen, geht es für viele Betroffene tatsächlich an die Existenz.
Was waren aus deiner Sicht die größten rechtlichen Versäumnisse oder Missstände während der Pandemie, die nun aufgearbeitet werden müssen?
Versäumnisse oder Missstände, das ist schwierig zu sagen. Was aber besonders ärgerlich ist, ist, dass es damals hieß, dass Corona-Gelder unkompliziert dort ausgezahlt werden sollen, wo diese auch benötigt werden und man jetzt – fünf Jahre später – anfängt, die Lupe anzulegen. Antragsvoraussetzungen waren dabei anfangs gar nicht so klar definiert, das hat sich eigentlich alles erst im Nachhinein kristallisiert.
Wie lange werden Verfahren, v. a. Verfahren zur Rückforderung von Corona-Geldern, die Gerichte voraussichtlich noch beschäftigen? Ist das überhaupt absehbar?
Ich bin mir sicher, dass wir mit dem Thema noch Jahrzehnte beschäftigt sein werden. Wir sind jetzt erst an der Zeit, dass die Corona-Gelder von den Behörden überprüft werden. Bis hierüber auch mal ein Gericht entschieden hat, vergeht noch viel Zeit.