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Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich eine variable Vergütung in Gestalt eines Bonus‘, dessen Auszahlung an das Erreichen diverser Ziele geknüpft ist, die einseitig von dem Arbeitgeber vorgegeben werden, ist der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig, wenn er dem Arbeitnehmer die Ziele so spät vorgibt, dass der Zielvorgabe keinerlei Anreiz- und Motivationsfunktion für den Arbeitnehmer zukommen kann (BAG, Urt. v. 19.02.2025, Az. 10 AZR 57/24).

 

I. Rechtlicher Hintergrund

Bereits im letzten Jahr hat das Landesarbeitsgerichts Köln entschieden, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der vollen Bonuszahlung hat, wenn der Arbeitgeber die Ziele erst im September des Jahres anstatt bis zu dem arbeitsvertraglich vereinbarten Zeitpunkt – bis zum 01. März eines jeden Jahres – vorgibt (LAG Köln, Urt. v. 06.02.2024 – 4 Sa 390/23). Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann eine gar nicht oder so spät erfolgte Zielvorgabe, nicht mehr die Anreiz- und Motivationsfunktion erfüllen, die Zielerreichung wird mithin unmöglich gemacht und begründe einen Schadensersatzanspruch in maximaler Bonushöhe.

Mit dieser Argumentation folgt es der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über eine gar nicht oder zu spät erfolgte Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich einer Bonuszahlung (BAG, Urt. v. 03.07.2024 – 10 AZR 171/23). Demnach könne eine Zielvereinbarung entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne und wisse, auf das Erreichen welcher persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert lege und deshalb bereit sei, bei Erreichung dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine der Leistungssteigerung und dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum sei deshalb nicht möglich (BAG 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 46).

Diese Rechtsauffassung hat das Bundesarbeitsgericht nun kürzlich auch auf den Fall der einseitigen Zielvorgabe durch den Arbeitgeber übertragen und das Landesarbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung bestätigt (BAG, Urt. v. 19.02.2025, Az. 10 AZR 57/24): „Der Arbeitgeber hat seine Verpflichtung schuldhaft verletzt, indem er dem Arbeitnehmer keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt hat, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren. Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.“ Einen konkreten Zeitpunkt, bis wann der Arbeitgeber die Ziele vorgegeben haben muss, benennt das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht.

 

II. Unterscheidung zwischen Zielvereinbarung und Zielvorgabe

Ob die Festlegung der zu erreichenden Ziele des Arbeitnehmers durch eine Zielvereinbarung oder durch eine Zielvorgabe erfolgt, ist regelmäßig im Arbeitsvertrag geregelt.

1. Zielvereinbarung

Bei einer Zielvereinbarung einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer (in der Regel zu Beginn des Geschäftsjahrs oder zum Ablauf des vorangegangenen Geschäftsjahrs) gemeinsam über Art, Gewichtung, Umfang oder Zeitpunkt der zu erreichenden Ziele innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

2. Zielvorgabe

Anders als Zielvereinbarungen werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt wird (BAG 17.12.2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 37 mwN, BAGE 173, 269). Eine Mitwirkung des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich und die Zielvorgabe kann auch gegen dessen Willen durchgesetzt werden.

 

III. Mitverschulden

Zu berücksichtigen ist allerdings die unterschiedliche Handhabung eines etwaigen Mitverschuldens des Arbeitnehmers gem. § 254 Abs. 1 BGB, wonach der Schadensersatzanspruch unter bestimmten Umständen zu mindern ist.

Im Falle der verspäteten Zielvereinbarung kann ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers anspruchsmindernd zu berücksichtigen sein, wenn er den Arbeitgeber z. B. überhaupt nicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung aufgefordert hat, sodass gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Minderung des Schadensersatzanspruchs in Höhe von 10 % angemessen ist (BAG, Urteil v. 17.12.2020, Az. 8 AZR 149/20). Dies gilt zumindest dann, wenn die Initiativlast für das Führen von Zielvereinbarungsgesprächen arbeitsvertraglich nicht eindeutig dem Arbeitgeber auferlegt ist.

Im Falle der verspäteten Zielvorgabe kommt dagegen ein Mitverschulden des Arbeitnehmers regelmäßig schon deshalb nicht in Betracht, da allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt.

 

IV. Folgen für Arbeitgeber und Handlungsempfehlung

Arbeitgeber sollten stets im Blick haben, ob sie im Rahmen von Bonusvereinbarungen die Initiativlast zur Festlegung der zu erreichenden Ziele alleine tragen oder ob sie diese gemeinsam mit dem Arbeitnehmer festlegen.

In jedem Fall ist Arbeitgebern anzuraten, unternehmensinterne Abläufe einzuführen, die die rechtzeitige Festlegung oder die rechtzeitige Vereinbarung der zu erreichenden Ziele gewährleistet und den Prozess insgesamt dokumentiert.

Wenn bereits eine Verspätung eingetreten ist, sollte zudem in Betracht gezogen werden, dem Arbeitnehmer für den noch ausstehenden Zeitraum Ziele vorzugeben, die er in zeitlicher Hinsicht noch erreichen kann, bzw. im Falle einer Zielvereinbarung entsprechende Ziele mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren, da dies schadensmindernd wirken kann. Zwar nennt das Bundesarbeitsgericht keinen konkreten Zeitpunkt, bis wann dem Arbeitnehmer die Ziele vorgegeben werden müssen. Bis zum Abschluss des ersten Quartals des jeweiligen Geschäftsjahres dürfte dies jedoch möglich sein, weil die zukünftigen Ziele häufig von den Ergebnissen des Vorjahres abhängen. Hierbei gilt „je früher umso besser“.