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Noch in dieser Legislaturperiode wird der Gesetzgeber umfangreiche Gesetzesänderungen im Verbraucherrecht vornehmen, die Auswirkungen auf den Handel mit digitalen Produkten haben.

Die Bunderegierung plant derzeit die Umsetzung zweier EU-Richtlinien in nationales Recht. Hierzu hat die Regierung den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags sowie den Entwurf  eines  Gesetzes  zur  Umsetzung  der  Richtlinie  über  bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vorgestellt, welche weitreichende Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsehen. Mit diesen Gesetzentwürfen erfolgt die Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (RL (EU) 2019/770, nachfolgend „DIRL“) sowie der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (RL (EU) 2019/771, nachfolgend „Warenkaufrichtlinie“ oder „WKRL“).

Digitale-Inhalte-Richtlinie und die Umsetzung im deutschen Recht

Die DIRL soll eine Harmonisierung des Verbraucherrechts für digitale Inhalte im EU-Binnenmarkt ermöglichen. Mit der Umsetzung ins deutsche Recht macht der Gesetzgeber Unternehmern insbesondere Vorgaben zur vertragsgemäßen Beschaffenheit von digitalen Inhalten und Dienstleistungen und zu Gewährleistungsrechten.

Wen betrifft das Gesetzesvorhaben?

Der deutsche Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich in dem Gesetzesentwurf in § 327 BGB-E näher geregelt. Umfasst sind nach § 327 Absatz 1 BGB-E Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über die entgeltliche Bereitstellung digitaler Inhalte und digitalen Dienstleistungen (digitale Produkte). Die gesetzlichen Neuregelungen betreffen also das Verhältnis des Händlers/Verkäufers der digitalen Produkte mit dem Verbraucher. Die Bandbreite wird dabei vom Gesetzgeber weit gefasst. Absatz 2 definiert digitale Inhalte als Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Hierzu gehören beispielhaft Computerprogramme, Video- und Audiodateien, E-Books, etc..

Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher „1.die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen, oder 2.die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen.“

Was ist das Ziel des Vorhabens?

Ziel des neuen Gesetzesvorhabens ist – wie oben bereits angeklungen – die Umsetzung Digitale-Dienste-Richtlinie zur Stärkung des EU-Verbraucherrechts und zur Vollharmonisierung bisher unterschiedlicher Regelungen zum Verbraucherschutz bei digitalen Inhalten in der EU. Das Gesetzesvorhaben sieht nun eine Umsetzung dieser Richtlinie durch die Einführung neuer Vorschriften ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor. Zentrales Vorhaben ist dabei die Einfügung der §§ 327 –327u BGB-E unter dem neuen Titel 2a „Verträge über digitale Produkte“ im Abschnitt 3 des Buches 2 des BGB.

Welche Neuerungen sieht das Gesetzesvorhaben vor?

  1. Updatepflicht:

Die wohl interessanteste Neuerung verbirgt sich hinter § 327f BGB-E. Dieser Paragraph beinhaltet eine Regelung zu Aktualisierungen („Updates“) für digitale Elemente, die Verbraucher von Händlern erwerben. Nach Absatz 1 hat der Unternehmer sicherzustellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Auf die Händler kommen also Bereitstellungs- und Informationspflichten zu. Kommt der Unternehmer (Händler) diesen Pflichten zur Bereitstellung und Information über Updates nicht nach, liegt ein Mangel vor, sodass dem Verbraucher Gewährleistungsansprüche nach § 327i BGB-E zustehen. Die Bereitstellung kann auch auf physischen Datenträgern wie einem USB-Stick erfolgen, wobei sich regelmäßig die digitale Bereitstellung zum Download anbieten dürfte.

Absatz 2 regelt sodann die Informationspflicht. Hiernach muss der Unternehmer den Verbraucher informieren, dass ein neues Update zur Verfügung steht und den Verbraucher über die Folgen der Unterlassung der Installation des Updates informieren. Unterlässt er dies, so wird der Unternehmer nicht von seiner Haftung aufgrund eines Produktmangels, der auf das fehlende Update zurückzuführen ist, frei. Hier sollten Unternehmen also genau darauf achten, dass die Informationspflichten eingehalten werden und der Verbraucher eine leicht verständliche Installationsanleitung erhält. Hinsichtlich der Dauer der Updatepflicht komm es auf die Bereitstellungsdauer an (hierzu mehr unter 2.). Für das digitale Produkt wurde dies in § 327 f Absatz 1 Satz 3 BGB-E festgelegt.

  1. Bereitstellung:

  • 327b BGB-E regelt die Art und Weise der Erfüllung der Leistungspflicht des Unternehmers zur Bereitstellung des digitalen Produkts. Nach Absatz 2 hat die Bereitstellung des digitalen Produkts unverzüglich zu erfolgen, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Absatz 3 und 4 regeln die konkrete Form der Bereitstellung. So sieht Absatz 3 vor, dass „ein digitaler Inhalt bereitgestellt ist, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist.“ Nach Absatz 4 ist eine digitale Dienstleistung bereitgestellt, sobald die digitale Dienstleistung dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zugänglich gemacht worden ist. Die Zugänglichmachung verlangt daher nur, dass dem Verbraucher eine Nutzungsmöglichkeit geboten wird. Der Unternehmer erfüllt seine Verpflichtung bereits dann, wenn dem Verbraucher ohne weitere hierfür nötige Handlungen des Unternehmers der ungehinderte Zugriff ermöglicht wird.

Kommt der Unternehmer seinen Pflichten zur Bereitstellung nach § 327b BGB-E nicht nach, so kann der Verbraucher nach 327c BGB-E den Vertrag beenden (Absatz 1) oder Schadensersatz verlangen (Absatz 2).

Praxishinweis: Händler werden sich nach den zuvor gemachten Ausführungen fragen, wie sie diesen Updatepflichten nachkommen sollen, wenn sie nicht zugleich Hersteller des digitalen Produkts sind. Dies ist in der Tat problematisch. Der Gesetzgeber hat hierauf aber mit der Einführung von § 327u Abs. 1 BGB -E reagiert, der einen Regressanspruch des Unternehmers gegenüber „dem  Unternehmer, der sich ihm gegenüber zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet  hat (Vertriebspartner)“, geltend machen. Wenn daher der Vertriebspartner keine Updates bereitstellt und der Händler sich dadurch eines Gewährleistungsanspruchs des Verbrauchers ausgesetzt sieht, kann er wieder den Vertriebspartner in Regress nehmen.

  1. Mängel und Gewährleistungsrechte

Der Unternehmer haftet darüber hinaus, wenn seine digitalen Inhalte und Dienstleistungen den vertraglich geschuldeten Anforderungen nicht entsprechen, folglich mangelhaft sind. Dem Verbraucher stehen dann nach § 327i BGB-E Rechte zu. Dazu gehören das Recht auf Nacherfüllung oder Nachbesserung (§ 327l-BGB-E), bei entgeltlichen Verträgen das Recht auf Minderung (§327n BGB-E), das Recht auf Beendigung des Vertrags (§ 327m Absatz 1, 2, 4 und 5 BGB-E) und das Recht auf Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§327m Absatz 3 BGB-E) zu. Voraussetzung ist allerdings ein Mangel an dem Produkt nach § 327e-BGB oder ein Rechtsmangel nach § 327g BGB-E. Wie auch bei der WKRL sieht die DIRL subjektive und objektive Anforderungen und Anforderungen an die Integration der digitalen Produkte vor (§ 327e Absatz 1 BGB-E). Die weiteren Absätze des § 327e BGB-E konkretisieren diese Anforderungen.

  1. Verjährung und Beweislastumkehr

Wichtig sind auch die Regelungen zur Verjährung (§ 327j BGB-E) und zur Beweislastumkehr (§ 327k Absatz 1 BGB-E), welche teilweise den Regelungen entsprechen, die auch in Umsetzung der WRKL vorgenommen wurden (siehe dazu detailliert unten unter II.). Die Verjährungsfrist beträgt danach zwei Jahre. Auch ist eine Verlängerung des Verjährungsendes von zwei Monaten vorgesehen, falls ein Mangel erst kurz vor dem Verjährungsbeginn auftritt. Die Beweislastumkehr ist wiederum auf die Dauer von einem Jahr nach Bereitstellung beschränkt. Falls jedoch eine dauerhafte Bereitstellung geschuldet ist, gilt die Beweislastumkehr für die gesamte Dauer des Bereitstellungszeitraums.

 

Warenkaufrichtlinie und Umsetzung im deutschen Recht

Die WKRL enthält Regelungen zu Kaufverträgen zwischen Verkäufern und Verbrauchern. Ziel ist es, einheitliche Regelungen im EU-Binnenmarkt zu schaffen, um die Rechte der Verbraucher zu stärken. Zugleich verfolgt die Richtlinie aber auch das Ziel, Unternehmern den Verkauf ihrer Produkte innerhalb des EU-Binnenmarktes zu erleichtern.

Wen betrifft das Gesetzesvorhaben?

Die WKRL ist auf Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern über “Waren mit digitalen Inhalten” anwendbar. Laut dem Regierungsentwurf liegt ein solcher Kaufvertrag nur vor, wenn die Sache „in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann“ (§ 475 b I 2 BGB-E). Hierunter fällt beispielsweise die fortlaufende Bereitstellung von Verkehrsdaten in einem Navigationssystem. Nach § 475 b I 1 BGB-E sind die Regelungen nur anwendbar, wenn es sich um einen Verkauf handelt, bei dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder ein Dritter die digitalen Inhalte bereitstellen, wobei § 475 b I 3 BGB-E die Vermutung enthält, dass sich die Verpflichtung des Verkäufers auf die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen erstreckt.

Welche Änderungen sind nun vorgesehen?

Die Umsetzung der WKRL hat auf die Gewährleistungsrechte von Verbrauchern große Auswirkungen und erweitert diese auf digitalen Elemente.

 

Beschaffenheitsanforderungen

Eine wesentliche Änderung wird bei § 434 BGB vorgenommen, welcher künftig vorsieht, dass die Sache frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. Während die subjektiven Anforderungen Zubehör und auch Aktualisierungen ((§ 475 b Absatz 3 Nr. 2 BGB-E ) verlangen, beinhalten die objektiven Anforderungen beispielsweise technische Normen. Zudem müssen Montageanforderungen und Installationsanforderungen (§ 475 b Absatz 2 BGB-E) beachtet werden.

Besondere Beachtung sollten Verkäufer auch den weiteren Anforderungen in § 434 Absatz 2 und 3 BGB-E schenken. So kann künftig beispielsweise gemäß § 434 Absatz 3 Nr. 2 b BGB-E zu der geschuldeten Beschaffenheit der Sache auch zählen, was der Verkäufer im Rahmen einer öffentlichen Äußerung versprochen hat. Will der Verkäufer dies verhindern, muss gegebenenfalls etwas anderes ausdrücklich vereinbart werden.

Bereitstellungszeitraum

Eine wichtige Neuerung ergibt sich im Hinblick auf den Bereitstellungszeitraum. Dieser Bereitstellungszeitraum wird auf mindesten zwei Jahre festgelegt. Dies bedeutet, dass der Verkäufer in dieser Zeit bei fortlaufender Bereitstellung der digitalen Produkte für die Vertragsmäßigkeit auch der digitalen Elemente einstehen muss. Dabei handelt es sich um einen Mindestzeitraum. Ein längerer Zeitraum kann von den Vertragsparteien vereinbart werden. Durch diese Regelung muss die Mangelfreiheit einer Ware somit künftig über den Gefahrübergang hinaus bestehen bleiben.

Aktualisierungen

Nach§ 475 c Absatz 3 BGB-E müssen während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber zwei Jahre ab Ablieferung der Sache, Aktualisierungen bereitgestellt werden. Zudem muss der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert werden. Ob der Verbraucher die Aktualisierungen, insbesondere Sicherheitsupdates, auch installiert, liegt aber nicht in der Verantwortung des Verkäufers.

Beweislastumkehr

Eine weitere wichtige Änderung aus praktischer Sicht findet sich in § 477 BGB-E. Nach Absatz 1 beträgt die Beweislastumkehr zugunsten der Verbraucher bezüglich der Mangelfreiheit von Waren künftig nicht mehr sechs Monate, sondern ein Jahr. Nach Absatz 2 beträgt die Beweislastumkehr bei Sachen mit digitalen Elementen, bei denen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart wurde, sogar zwei Jahre.

Verjährung

Aufpassen müssen Verkäufer künftig auch bei der Verjährung. Zwar gilt weiterhin die zweijährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Käufers (§ 438 Absatz 1 Nr. 3 BGB), doch können sich Beginn und Ende des Verjährungszeitraums ändern. So beginnt die Verjährung bei einer Sache mit mangelhaftem digitalen Element erst mit Ablauf des Bereitstellungszeitraums der digitalen Elemente, folglich nach mindestens zwei Jahren (§§ 475 c Absatz 1 und 2, 475 e Absatz 1 Nr. 1 BGB-E). Das Ende der Verjährung tritt zudem nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat, soweit dies noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt (§ 475 e Absatz 3 BGB-E). Zeigt sich ein Mangel somit einen Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist, so hat der Verbraucher noch fast zwei Monate Zeit, um den Mangel zu erforschen und eigene Ansprüche geltend zu machen.

Garantie

Für Verkäufer, die Verbrauchern ein Garantieversprechen geben, ist künftig § 479 BGB-E von Bedeutung. Dieser regelt, dass Garantieerklärungen Verbrauchern auf dauerhaften Datenträgern zur Verfügung gestellt werden müssen. Zudem muss klargestellt werden, dass eine Garantie etwaige Gewährleistungsrechte unberührt lässt und auch die Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechte für den Verbraucher unentgeltlich ist.

 

Fazit

Die geplanten Umsetzungen der EU-Richtlinien bedeuten umfangreiche Änderungen im Verbraucherschutzrecht. Da die Vorschriften der WKRL von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Juli 2021 umgesetzt und ab dem 1. Januar 2022 verbindlich angewendet werden müssen, sollten Händler die Gesetzesänderungen auf dem Schirm haben. Gerade die Aktualisierungs- und Informationspflichten müssen beachtet werden. Zudem bieten die Gesetzesänderungen auch einen gewissen Spielraum für Abweichungen, so dass betroffene Händler ihre AGB überprüfen und anpassen sollten, um böse Überraschungen zu vermeiden.