In den vergangenen Monaten wurde eine scharfe Debatte um die neue Urheberrechtsrichtlinie der EU [Richtlinie (EU) über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG] geführt. Am 15.4.2019 stimmte der Rat der Europäischen Union für die umstrittene Urheberrechtsreform und beendete damit den Legislativprozess. Seit diesem Zeitpunkt läuft die zweijährige Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten.
Die Urheberrechtsreform enthält unter anderem das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (geregelt in Artikel 15 der Richtlinie) und eine verschärfte Haftung für Diensteanbieter (geregelt in Artikel 17). Die neue Urheberrechtsrichtlinie bedarf der Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber. Deshalb lässt sich bislang nur abschätzen, welche konkreten Neuerungen die einzelnen Mitgliedsstaaten verabschieden werden und welche Implikationen dies haben wird. Wir versuchen dennoch kurze Antworten auf die wichtigsten Fragen zu der nunmehr beschlossenen Urheberrechtsreform zu geben.
I. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Was hat es mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf sich?
Das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger (ehemals Artikel 11, nunmehr Artikel 15 der Richtlinie) soll Suchmaschinen sowie News-Plattformen (zum Beispiel Google News) dazu verpflichten, für die Nutzung kurzer Textausschnitte (sog. Snippets) journalistischer Texte zu bezahlen. Insofern müssten die Betreiber von Nachrichtenplattformen Lizenzen von den Presseverlagen einholen. Private oder nicht-kommerzielle Nutzungen sind von der Regelung ausgenommen. Außerdem enthält Artikel 15 weitere Ausnahmen: Nicht gelten soll die Regelung für das Verlinken auf Pressetexte. Auch die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus Presseveröffentlichungen ist vom Anwendungsbereich ausgenommen. Insbesondere ist unklar, was „sehr kurze Auszüge“ sein sollen. Diese Ausnahmeregelungen werden, wenn sie nicht durch die nationalen Gesetzgeber hinreichend konkretisiert werden, zu Rechtsunsicherheit führen.
In Deutschland gibt es mit dem § 87f UrhG bereits seit dem Jahr 2013 ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Allerdings haben die meisten Verlage den Nachrichtenportalen bislang die freie Nutzung von Snippets gestattet. Kritiker merken deshalb an, dass die europäische Regelung ebenso ins Leere laufen könnte wie bereits das deutsche Leistungsschutzrecht. Verlegerverbände begrüßen die neue europäische Regelung dennoch als einen fairen Ausgleich zwischen Nachrichtensuchmaschinen und Verlagen.
Welche Nachteile könnte die Regelung mit sich bringen?
Die weitaus schlimmere Befürchtung vieler Kritiker ist, dass die Regelung im Zusammenspiel mit dem bestehenden wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen großen und kleinen Verlagen die Medienvielfalt einschränken wird. So wird angeführt, dass große Plattformen nur Lizenzverträge mit großen Verlagen abschließen könnten, um die Kosten möglichst gering zu halten. Dadurch würden Nutzern viele Inhalte vorenthalten, da diese schwerer auffindbar wären. Dies würde auch kleine Verlage wirtschaftlich benachteiligen. Im Übrigen weist die Kritik darauf hin, dass die Regelungen allen Verlagen schaden könnte: Weniger Nutzer würden über Nachrichtenportale auf die Online-Angebote der Printmedien gelangen; dies könnte die Werbeeinnahmen der Verlage schmälern.
II. Haftung der Diensteanbieter und Upload-Filter
Wie wird die Haftungsverschärfung für Diensteanbieter aussehen?
Der besonders umstrittene Artikel 17 ist der breiten Öffentlichkeit aufgrund seiner Stellung in einer nunmehr veralteten Richtlinienfassung als Artikel 13 bekannt geworden. Diese Regelung soll dazu führen, dass Anbieter solcher Dienste, die Nutzer Inhalte hochladen und teilen lassen (beispielsweise YouTube), schärfer für Urheberrechtsverletzungen haften sollen. Bislang sind solche Plattformen noch privilegiert: So können Diensteanbieter zurzeit nicht Täter einer Urheberrechtsverletzung sein; sie trifft nur eine Löschungspflicht nach Kenntniserlangung vom Urheberrechtsverstoß. Diese Haftungsprivilegierung wird Artikel 17 der Richtlinie beseitigen. Nunmehr sollen Diensteanbieter direkt für auf der Plattform begangene Urheberrechtsverletzungen haften. Insofern haben sie vom Rechteinhaber auch eine Lizenz zu erwerben. Wird den Diensteanbietern keine Lizenz erteilt, müssen sie im Streitfall nachweisen, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um an eine Lizenz zu kommen. Zusätzlich müsste ein Diensteanbieter den Nachweis erbringen, dass er „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt alle Anstrengungen unternommen hat, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände, zu denen die Rechteinhaber den Anbietern dieser Dienste einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben, nicht verfügbar sind“. Können Diensteanbieter diese beiden Nachweise nicht erbringen, so haften sie im Falle einer Urheberrechtsverletzung.
Welche Diensteanbieter sind von der Regelung ausgenommen?
Als nicht-kommerzielle Dienste sind Wissensplattformen wie Wikipedia oder Software-Entwicklungsplattformen wie GitHub von den Regelungen ausgenommen.
Ansonsten gilt: Für Diensteanbieter, deren Dienste der Öffentlichkeit in der Union seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen, deren Jahresumsatz 10 Millionen Euro nicht übersteigt und die nicht mehr als 5 Millionen Nutzer pro Monat haben, bleibt es bei der Löschungsverpflichtung ab Kenntniserlangung von einem Urheberrechtsverstoß. Darüber hinaus sind auch sie dazu verpflichtet, Lizenzen von den Rechteinhabern einzuholen oder sich zumindest nachweislich ernsthaft darum zu bemühen.
Wird es eine Verpflichtung zum Einsatz von Upload-Filtern geben?
Über Upload-Filter verlieren die Autoren der Richtlinie im Artikel 17 kein Wort. Insofern gibt es keine explizite Verpflichtung zur Verwendung der Filtersoftware. Allerdings sind die oben bereits erwähnten Anforderungen an die Diensteanbieter sehr streng („nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt“). Insofern kann man sich leicht auf den Standpunkt stellen, dass Upload-Filter heutzutage state of the art und somit verpflichtend wären. Eine klare Beantwortung dieser Frage wird erst die Umsetzung des deutschen Gesetzgebers erlauben.
Was ist das Problem an Upload-Filtern?
Das wichtigste Problem ist die Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit durch Overblocking. So haben Upload-Filter in der Vergangenheit bereits gemeinfreie Inhalte gesperrt. Auch können die Filterprogramme im Gegensatz zum urheberrechtlich geschulten Richter ganz bestimmte erlaubte Nutzungsformen nicht erkennen. Für sie sind beispielsweise die urheberrechtlich zulässige Parodie und das geschützte Original ein und dasselbe. Das führt zu Löschungen von Inhalten, die gar keinen Urheberrechtsverstoß begründen. Zwar findet sich in der Richtlinie der Auftrag an die Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, dass Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien und Pastiches weiterhin zugänglich bleiben. Allerdings würde dieses Unterfangen mit der Einführung einer Upload-Filter-Pflicht deutlich erschwert.
Des Weiteren ist die Upload-Filter-Technologie komplex und nicht einfach zu entwickeln. Das macht sie teuer. Insofern könnte es sein, dass kleinere Diensteanbieter sich diese Technologie nicht leisten können.
III. Weitere Fragen zur Urheberrechtsreform
Enthält die Richtlinie ein Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter?
Nein, ein solches Leistungsschutzrecht wurde diskutiert. Es wurde aber nicht in die Richtlinie mitaufgenommen.
Welche sonstigen Regelungen enthält die Richtlinie?
Ansonsten finden sich in der Richtlinie Vereinfachungen für die Forschung und Wissenschaft. Insbesondere das automatisierte Auswerten von beispielsweise urheberrechtlich geschützten Texten (sogenanntes Data-Mining) soll erleichtert werden. Solche Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber allerdings bereits im deutschen UrhG geschaffen.
Interessant wird auch sein, ob mit der Umsetzung der Richtlinie (Artikel 15) die vom BGH für rechtswidrig erklärte Verlegerbeteiligung wiederaufleben wird.
Außerdem finden sich in der Richtlinie Regelungen zum Urhebervertragsrecht. Hier hat der deutsche Gesetzgeber keinen großen Umsetzungsaufwand mehr, da in Deutschland zum größten Teil bereits jetzt entsprechende Normen gelten.