Auch in Zeiten des „eSport Winters“ befindet sich die Gamingindustrie im stetigen Wachstum und ist mittlerweile eines der größten Unterhaltungsmedien der Welt. Allein im vergangenen Jahr stieg der Umsatz der Industrie in Deutschland auf fast 10 Milliarden Euro. Innovative Spielkonzepte und einzigartige Spieldesigns sind entscheidend für den Erfolg von Videospielen. Der Markt um die Aufmerksamkeit in den Medien und die Spieler ist hart. Nicht selten werden Grundkonzepte und Spielideen erfolgreicher Spiele von Konkurrenten aufgegriffen, um so vergleichbare Spiele anzubieten und vom Hype des Grundspiels zu profitieren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich auch die Gerichtsverfahren in der Branche immer mehr häufen. So hatte sich nun das Landgericht Köln umfassend mit der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Spielkonzepten und Grenzen der Nachahmung befasst.
I. Mobile Games als Triebkraft der Rechtsprechung
Gegenstand des Urteils war ein Antrag eines Entwicklerstudios im Eilrechtsschutz auf Basis ihres Spiels, welches seit August 2022 zu den erfolgreichsten Mobile-Games gehört und von den Entwicklern weltweit am Markt angeboten wird. Allein im Google Play Store wurde das Rennsport-Idle-Game mehr als 10 Millionen Mal heruntergeladen und gehörte zeitweise zu den Top 10 Free-2-Play-Games der App Stores.
Nach Auffassung des Entwicklerstudios bildeten die Kombination der Grundelemente ihres Spiels ein einzigartiges Spielkonzept mit einer unterhaltsamen und allgemein ansprechenden Spielgestaltung, die für sich allein schon urheberrechtlichen Schutz genießen solle. Nicht nur das Spiel in seiner konkreten Ausgestaltung stelle ein einzigartiges urheberrechtliches Werk dar, sondern auch seine Grundidee. Das Studio war daher der Meinung, dass das Spiel eines Konkurrenten seine Urheberrechte verletze. Es räumte ein, dass die bloße Idee eines Videospiels grundsätzlich schutzlos ist. Jedoch war das Entwicklerstudio der Ansicht, dass das Spiel ihres Konkurrenten den maßgeblichen Gesamteindruck ihres eigenen Spiels übernehme, der den eigenschöpferischen und individuellen Aspekten des Spiels zugrunde liegt. Es seien nicht nur Sonderereignisse übernommen worden, sondern auch wesentliche Grundelemente in ihrer konkreten grafischen Ausgestaltung. Das Entwicklerstudio vertrat daher die Auffassung, dass das Konkurrenzspiel nicht nur um die bloße Idee ihres Spiels, sondern das Konzept im Ganzen übernahm.
Das Entwicklerstudio berief sich insoweit darauf, dass das Spielkonzept folgende Spielelemente beinhaltete:
- Das Vorliegen eines „idle game“ Rennspiels,
- in vier verschiedenen Disziplinen muss die Spielfigur ein bestimmtes Terrain autonom überwinden,
- Aufgabe des Spielers ist, vor jedem Rennen seine Figur durch Trainings und bestimmte Ausrüstung bestmöglich vorzubereiten,
- die Spielfigur nimmt autonom am jeweiligen Rennen teil,
- durch das Gewinnen von Rennen, bestimmte Ereignisse oder den Erwerb im Shop die Ausrüstungsgegenstände erlangt werden können, und dies durch folgende Spielelemente, die dabei ausgeführt werden müssen, gestaltet ist:
- Vor jedem Rennen wird eine bestimmte Benutzeroberfläche („user interface“) gezeigt, welche die erlangten Fähigkeiten und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten für die Spielfigur zeigt;
- beim Countdown vibriert das Smartphone oder Tablet zu den Zahlen 3 bis 1, und es wird aus der Vogelperspektive im leichten Schwenk auf die Starter herangezoomt;
- jede der vier Disziplinen zur Überwindung des Terrains wird in einer bestimmten Kameraperspektive gezeigt, wobei im Hintergrund natürliche Elemente zu erkennen sind;
- nach Überqueren der Ziellinie wird wieder eine bestimmte Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Position der Spielfigur wiedergibt;
- nach dem Rennen wird eine neue Benutzeroberfläche gezeigt, welche die Möglichkeiten der Verbesserung durch Trainings- und Ausrüstungsgegenstände darstellt.
Das Konkurrenzstudio auf Antragsgegnerseite wendete dagegen ein, dass weder einzelne Elemente des Spiels der Antragstellerin, noch deren Kombination in irgendeiner Weise „neu“ oder „besonders“ gewesen wären. Beide Spiele hätten einen bereits zuvor bekannten „Look and Feel“ und beruhen auf schon vorbekannte Ideen, die als solche nicht schutzfähig seien.
II. Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Köln wies den Antrag auf einstweilige Verfügung zurück. Es betont zwar den Grundsatz, dass bei einem Vergleich zweier Werke der jeweilige Gesamteindruck der Gestaltungen maßgeblich ist, vertrat jedoch die Auffassung, dass das angegriffene Spiel nicht die Urheberrechte der Antragstellerin verletze. Das Spiel des antragsstellenden Entwicklerstudios stellt zwar ein urheberrechtlich geschütztes Werk dar, der Gesamteindruck des Konkurrenz-Spiels der Antragsgegnerin weiche aber wesentlich vom Spiel der Antragstellerin ab.
Eine Absage gab das Gericht dabei insbesondere der Auffassung des antragstellenden Entwicklerstudios in Bezug auf deren Auffassung, dass es sich bereits bei dem Spielkonzept um ein schutzfähiges Werk handle. Das Spielkonzept, dass beiden Spielen zu Grunde lag, und die Abfolgen im Spiel folgte nach Meinung des Gerichts festgelegten Regeln, insbesondre solche, die durch Logik vorgegeben sind und wodurch so gut wie kein Raum für eine eigenschöpferische Tätigkeit bleibt.
So verfügen Rennspiele üblicherweise über die maßgeblichen Elemente, auf das Entwicklerstudio seinen Antrag stützt. Weder ist es neu, dass Spieler in mehreren Disziplinen antreten können, noch, dass Spieler durch Auswahl von Eigenschaften und Equipment ihren Charakter an unterschiedliche Spielherausforderungen anpasse müssen. Das dies vorliegend im Rahmen eins „Idle Game“ Trainingssystems erfolgen muss, führt nicht zu einer eignen schöpferischen Tätigkeit des Entwicklerstudios. Es ist – wie bei der Wahl von besserem Equipment – logische Folge des Trainingssystems, dass eine Spielfigur an Fertigkeiten gewinnt; das ist weder individuell noch schöpferisch.
Auch die Sammlung und Anordnung der verschiedenen Spielelemente für sich gesehen führt noch zu keiner Verletzung der Rechte des Antragssteller-Studios. Die zehn abstrakten Merkmale, die von der Antragstellerin angeführt wurden, sind in beiden Spielen unterschiedlich umgesetzt, insbesondere grafisch. Zudem sind die in beiden Spielen verwendeten Elemente bereits aus früheren Spielen wie Chao Races (Enthält ähnliche Disziplinen); Duck Life (Idle Racing-Game mit Training für Laufen, Schwimmen und Fliegen) oder Animal Raceway (Idle Racing-Game mit Trainingsfunktionen) bekannt; diese Konzepte sind für das Genre charakteristisch und daher nicht exklusiv. Darüber hinaus sind Ranglisten, Fortschrittsmöglichkeiten durch Ereignisse im Spiel und In-App-Käufe allgemein bekannte und weit verbreitete Elemente in Videospielen. Auch haben beide Parteien Grafiken und Buttons aus dem Unity Asset Store erworben. Dies führt zu einer ähnlichen visuellen Darstellung („Look and Feel“), was jedoch nicht als Urheberrechtsverletzung gewertet werden kann, da diese Materialien allgemein verfügbar und weit verbreitet sind. Im Ergebnis haben beide zwar ähnliche Elemente, aber die spezifische Umsetzung und das visuelle Design unterscheiden sich erheblich. Der Gesamteindruck des angegriffenen Videospiels stimmt nicht so mit dem klägerischen Spiel überein, dass eine Urheberrechtsverletzung angenommen werden kann.
Ebenso scheiterte der Versuch des Antragsteller-Studios, wettbewerbsrechtliche Ansprüche in Form des sog. ergänzenden Leistungsschutzes geltend zu machen. Das Spiel des Antragstellerstudios verfüge zwar über eine „wettbewerbliche Eigenart“, diese sei jedoch höchstens durchschnittlich zu bewerten. Das Spiel der Antragsgegnerin stelle jedoch keine unlautere Nachahmung dar. Es hat zwar die Grundidee eines „Idle Racing Games“ mit Trainingskomponenten übernommen. Diese Grundidee ist jedoch nicht schutzfähig. Vielmehr weiche der Gesamteindruck beider Spiele trotz gewisser Ähnlichkeiten nach Auffassung des Gerichts signifikant voneinander ab. Das Gericht wies insbesondere darauf hin, dass sich gerade die grafische Gestaltung und andere spezifische Elemente beider Spiele erheblich unterscheiden.
III. Fazit
Während das Gericht anerkennt, dass die konkrete Umsetzung eines Spiels urheberrechtlich geschützt sein kann, genügt die bloße Idee oder das allgemeine Konzept eines Spiels für den von der Klägerin begehrten Schutz nicht.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln zeigt, wie komplex und herausfordernd die rechtliche Lage in der innovationsgetriebenen Gamingindustrie sein kann. Insbesondere bei der Entwicklung von Spielkonzepten und Designs ist eine klare und strategische Herangehensweise erforderlich, um einen optimalen Schutz der kreativen Entwicklungen zu gewährleisten.
Sollten Sie Beratungsbedarf zum Schutz oder Verteidigung ihrer geistigen Leistungen haben, wenden Sie sich gerne an uns, um gemeinsam die besten Strategien für Sie zu entwickeln