Deutschland. Das Bundesministerium für Justiz hat am 5. April 2022 einen Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz zur Abstimmung an die übrigen Ressorts weitergeleitet. Damit beginnt das seit dem 17. Dezember 2021 überfällige Umsetzungsverfahren der sogenannten EU-Whistleblower-Richtlinie. Ein Beschluss des Bundeskabinetts wird für Juni 2022 erwartet, ein Inkrafttreten des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes bereits für Herbst 2022. Eine Schonfrist soll hinsichtlich einzelner Pflichten für Beschäftigungsgeber mit unter 250 Beschäftigten gelten. Wir erklären, was nach dem Entwurf vorgesehen ist und an welchen Stellen Handlungsbedarf für Sie besteht.
Worum geht es?
Die EU hat im Oktober 2019 eine Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern erlassen (sog. Whistleblower-Richtlinie). EU-Richtlinien müssen – anders als EU-Verordnungen – aber zunächst in nationales Recht umgesetzt werden und entfalten in der Regel keine direkte Wirkung. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz soll diese Richtlinie in Deutschland umsetzen. Bisher besteht in Deutschland nur ein lückenhafter, durch die Rechtsprechung insbesondere der Arbeitsgerichte, entwickelter Schutz von Personen, die Mitteilungen über strafbares Verhalten in Unternehmen und Behörden geben. Das neue Gesetz konkretisiert bestimmte Schutzmaßnahmen zugunsten von Hinweisgebern und schreibt unternehmensinterne sowie externe Verfahren für die Meldung von Rechtsverstößen vor (sog. Meldekanäle).
Welche Unternehmen sind betroffen?
Hinsichtlich der Schutzmaßnahmen, die der Entwurf vorsieht, sind alle Unternehmen betroffen, die mindestens eine Person beschäftigen. Geschützt sind unter anderem Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen und Auszubildende. Hinsichtlich der Einrichtung von Meldekanälen sind grundsätzlich nur Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten betroffen, sowie Unternehmen aus bestimmten Sektoren unabhängig von der Beschäftigtenzahl.
Was gibt es für Unternehmen zu tun?
Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine Stelle für interne Meldungen über Straftaten, bestimmter Ordnungswidrigkeiten und bestimmter Verstöße gegen Unionsrecht einzurichten und zu betreiben. Zu beachten ist, dass Beschäftigte ein Wahlrecht zwischen diesem internen Meldekanal und der Mitteilung an eine externe, behördliche Meldestelle haben. Eine Behinderung oder der Versuch einer Behinderung, eine externe Meldestelle zu kontaktieren, kann mit einer Geldbuße von 100.000 EUR geahndet werden.
Ein Vorteil für die Unternehmen besteht darin, dass der Beschäftigtenschutz bei einer Offenlegung an die Öffentlichkeit erst möglich sein soll, wenn eine Meldung an die externe Meldestelle ohne Erfolg geblieben ist.
Die internen Meldekanäle müssen so gestaltet werden, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen Personen und die sie unterstützenden Personen Zugriff erhalten. Meldungen müssen in Textform (jedenfalls per E-Mail) und mündlich (per Telefon) möglich sein. Die hinweisgebende Person hat einen Anspruch auf eine persönliche Zusammenkunft mit der zuständigen Person der Meldestelle. Das Unterlassen der Einrichtung einer internen Meldestelle kann mit einem Bußgeld in Höhe von 20.000 EUR geahndet werden.
Die internen Meldestellen sind verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs eine Rückmeldung zu erstatten, die die geplanten und bereits ergriffenen Maßnahmen umfasst, sowie die Gründe für diese Maßnahmen. Interne Nachforschungen und die Rechte der Personen, die Gegenstand der Meldung sind, dürfen durch die Mitteilung nicht beeinträchtigt werden. Hier gilt es in besonderem Maße, die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu beachten.
Wie sollen Hinweisgeber geschützt werden?
Nach dem Entwurf sollen gegen hinweisgebende Personen gerichtete „Repressalien“ verboten werden. Hierunter fallen nach der Richtlinie beispielsweise Kündigungen, die Versagung einer Beförderung, eine Aufgabenverlegung, die Ausstellung eines negativen Arbeitszeugnisses oder die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages.
Wichtig: Zugunsten der hinweisgebenden Person gilt die gesetzliche Vermutung, dass eine Benachteiligung im oben genannten Sinne eine Repressalie darstellt. Im Streitfall muss somit der Beschäftigungsgeber beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruht.
Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz und es soll ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 EUR verhängt werden können.
Bis wann müssen die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt sein?
Hinsichtlich des Verbots von Repressalien handelt es sich in Teilen um eine Kodifizierung der Rechtsprechung zum arbeitsrechtlichen Maßregelungsverbot, sodass die beschriebenen Benachteiligungen teilweise bereits nach heutigem Recht unzulässig sind. Im aktuellen Referentenentwurf ist bezüglich der Einrichtung der internen Meldestellen eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023 nur für Beschäftigungsgeber mit weniger als 250 Beschäftigten vorgesehen.
Konkrete Umsetzung im Unternehmen
In der Folge „Blowin‘ in the Wind – Die Einführung von Whistleblowing-Hotlines in Unternehmen“ unseres HÄRTING.fm-Podcast haben wir mit unserem Gast über die Umsetzung der rechtlichen Anforderungen und die konkrete Einführung eines Meldekanals im Unternehmen gesprochen. Die Folge können Sie hier über spotify, Apple Podcast oder Deezer anhören und abonnieren.