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Am 16.11.2022 ist die Verordnung (EU) 2022/2065, auch genannt „Gesetz über digitale Dienste“ oder „Digital Services Act“ („DSA“) in ersten Teilen in Kraft getreten. Volle Anwendung findet die Verordnung ab dem 17.02.2024.

Was ist der DSA?

Der Digital Services Act ist auf alle Betreiber von sog. Vermittlungsdiensten anwendbar, die ihre Leistungen in der Europäischen Union erbringen. Hierunter fallen unter anderem soziale Netzwerke und Online-Marktplätze. Dabei verfolgt der DSA ein gestaffeltes Konzept für in die Pflicht genommene Diensteanbieter. Insbesondere gelten besondere Verpflichtungen für große und sehr große Plattformen und Suchmaschinen.

Der DSA enthält dabei auch Aussagen, die für das klassische Werberecht von Bedeutung sind. Die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zu Werbungen nach UWG, TMG und MStV nehmen vor allem Werbende in die Pflicht und sollen Transparenz für die Adressaten der Werbung herstellen, dass ihnen Werbung angezeigt wird.

Aber für die richtige Einordnung, Beurteilung und Gewichtung von Werbung und geschalteten Inhalten generell ist es außerordentlich wichtig, auch zu wissen, von wem sie stammen und aus welchen Gründen sie verbreitet werden.

Hier greift der DSA ein

Die erste Stufe des „DSA-Werberechts“ stellt Art. 26 DSA dar, der für alle Anbieter von Online-Plattformen gilt.

Fremdwerbung: Gemäß Art. 26 DSA trifft die Anbieter von Online-Plattformen, die Werbung auf ihren Online-Schnittstellen darstellen, die Pflicht, ein gewisses Transparenzniveau gegenüber jedem Nutzer sicherzustellen.

Nutzer müssen in der Lage sein, klar, präzise und eindeutig zu erkennen,

1. dass es sich bei Informationen um Werbung handelt,

Werbung im Sinne des DSA ist jede Information, die einem Plattform-Nutzer deswegen angezeigt wird, weil ein Dritter dafür bezahlt hat (Art. 3 lit. r) DSA). Der Wortlaut der Verordnung spricht zwar dafür, dass ein Entgelt gezahlt werden muss. Der weite Schutzzweck deutet hingegen darauf hin, dass nur das Fehlen jeder geldwerten Gegenleistung für das Schalten der Information die „Bezahlung“ ausschließt.

2. in wessen Namen die Werbung angezeigt wird und wer diese bezahlt hat (wenn es sich um verschiedene Personen handelt),

Dabei kann ein expliziter Hinweis nach dem Schutzzweck der Norm entfallen, falls sich die werbende Person eindeutig und ohne Zweifel aus der Werbung selbst ergibt, beispielsweise aufgrund Verwendung einer bekannten Marke. Für Unternehmen wird eine Einzelfallprüfung aber regelmäßig unnötigen Aufwand verursachen, sodass eine prinzipielle Angabe der Person angezeigt sein dürfte.

3. aufgrund welcher Parameter ihnen diese Werbung angezeigt wird.

Parameter im Sinne des DSA sind alle Einflussfaktoren, die die Werbeanzeige bestimmen. Dies können allgemeine Kriterien (z.B. Alter oder Geschlecht) oder Signale von Adressaten selbst (wie das Anklicken bestimmter Produkte oder anderer Werbungen) sein. Unternehmen können sich hier an den Leitlinien der Kommission zu Art. 5 P2B-Verordnung orientieren.

All diese Informationen müssen in Echtzeit und für jede einzelne Werbung in einer Weise dargestellt werden, die unmissverständlich und an die Art der Online-Schnittstelle des Dienstes angepasst ist. Denkbar ist beispielsweise die Anzeige neben dem Inhalt in einem Infobalken. Dabei können die Anforderungen an die Darstellung zwischen mobilen Apps und Webseiten variieren.

Nutzerwerbung / Influencer: Dasselbe gilt, wenn Nutzer selbst kommerzielle Kommunikation über die Plattform verbreiten. Hier muss nach dem DSA sichergestellt werden, dass Nutzer diese Kommunikation als Werbung kennzeichnen können und andere Nutzer in der Lage sind, dies zu erkennen. Dies ergänzt die Kennzeichnungspflichten z. B. für Influencer nach dem UWG oder TMG und nimmt die Anbieter der Plattformen in die Pflicht, derer sich bedient wird. Der DSA regelt in Art. 26 auch – wie § 22 MStV (Medienstaatvertrag) – ein Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten, ist aber wegen der weiten Definition in Art. 3 DSA weiter, weil auch Inhalte politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art erfasst sind.

Außerdem ist zu beachten, dass Werbung, die auf Basis von Profilbildung gem. Art. 4 Nr. 4 DSGVO ausgespielt wird verboten ist, soweit hierfür besonders sensible Informationen nach Art. 9 DSGVO (wie z. B. Gesundheitsdaten) verwendet werden.

Noch strenger: Art. 39 DSA

Pflichten für sehr große Online-Plattformen: Für Anbieter sehr großer Online-Plattformen oder sehr großer Online-Suchmaschinen, die Werbung auf ihren Online-Schnittstellen anzeigen, gibt es nach Art. 39 DSA zusätzliche Compliance-Pflichten zu beachten. Diese müssen nach Art. 39 Abs. 1 DSA ein Online-Archiv über alle Werbungen führen, die auf der Plattform seit Inkrafttreten des DSA geschaltet wurde; ab der Schaltung bis ein Jahr nach deren Löschung. Dieses soll zum einen die Erforschung der Auswirkungen von Werbung im Internet, als auch die Durchsetzung des DSA für diese wichtigen Marktteilnehmer erleichtern.

Dieses Archiv soll nach Art. 39 Abs. 2 DSA zumindest Angaben enthalten über

  • den Inhalt der Werbung, einschließlich des Namens des Produkts, der Dienstleistung oder der Marke und des Gegenstands der Werbung,
  • die Person, in deren Namen die Werbung angezeigt wird,
  • die Person, die für die Werbung bezahlt hat, falls es sich um eine dritte Person handelt,
  • den Zeitraum, in dem die Werbung angezeigt wurde,
  • ob die Werbung gezielt einer oder mehreren bestimmten Gruppen von Nutzern angezeigt werden sollte, und falls ja, welche Hauptparameter dafür verwendet wurden,
  • die auf den sehr großen Online-Plattformen nach Art. 26 Abs. 2 DAS von Nutzern veröffentlichte und ermittelte kommerzielle Kommunikation,
  • die Gesamtzahl der Nutzer, die erreicht wurden oder gezielt angesprochen werden sollten.

Der Anbieter muss diese Informationen dabei sicherstellen, dass die Informationen präzise und vollständig sind. Die Informationen dürfen außerdem keinerlei personenbezogene Daten von Nutzern beinhalten.

Ausnahmen für KMU

Der Compliance-Aufwand für den DSA ist insgesamt ziemlich hoch. Für kleinere Anbieter gibt es aber auch Erleichterungen, da diese den benötigten Aufwand oft nicht so gut stemmen können, wie die Marktführer. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Sinne der Kommissionsempfehlung 2003/361/EU, also Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und weniger als 50 Mio. EUR Umsatz bzw. weniger als 43 Mio. EUR Bilanzsumme, sind gem. Art. 19 Abs. 1 DSA von den Anforderungen des Art. 26 DSA ausgenommen.

Konsequenzen und Ausblick

Verstöße gegen das DSA-Online-Marketingrecht können nicht nur von den nationalen Aufsichtsbehörden durchgesetzt werden. Auch Wettbewerber und Verbände können nach § 3a UWG i. V. m. Art. 26 DSA bzw. Art. 90 DSA privat dessen Einhaltung fördern. Hier droht also ein Abmahnrisiko! Bis zum vollen Inkrafttreten des DSA im Februar kommenden Jahres sollten Unternehmen, die unter die Verordnung fallen, dafür sorgen, dass sie die Pflichten erfüllen können. Sonst droht am kalten Jahresanfang ein böses Erwachen.