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Nach mehr als zwei Jahre schließen wir heute unsere kostenlose Corona-Helpline. Zeit für eine Schlussbilanz.

Seit Mitte März 2020 haben wir ca. 10.000 Anfragen beantwortet. Gastronomen, Veranstalter, Einzelhändler, Soloselbstständige und Künstler wandten sich an uns ebenso wie zahlreiche Eltern, Reisende und Bürgerinnen, die uns nach dem aktuellen Stand von Corona-Vorschriften fragten. Zeitweise waren bis zu 10 Mitarbeiter der Kanzlei mit der Beantwortung von Corona-Anfragen beschäftigt. In ca. 1.000 Fällen sind wir für Mandantinnen und Mandanten mit Corona-Themen vor Gericht gezogen.

 

Unsere Kanzlei hat seit Jahrzehnten viele Mandantinnen und Mandanten aus der Event- und Kulturbranche. Als daher Mitte März 2020 der erste bundesweite Lockdown beschlossen wurde, wussten wir, dass viele Fragen auf uns zukamen. Wir beschlossen, schon am ersten Tag des Lockdowns – am 16. März 2020 – eine kostenlose Helpline anzubieten zur telefonischen Erstberatung. Bundesweit und ohne jede Einschränkung. Wir dachten nicht eine Sekunde darüber nach, wie lange wir die Helpline anbieten sollten. Dass es mehr als zwei Jahre werden sollten, hätten wir uns gewiss nicht vorstellen können.

 

Die Resonanz war vom ersten Tag an überwältigend. Bereits in der ersten Woche erreichten uns nahezu 1.000 Bitten um Rückruf. Die Unsicherheit und Not war groß. Denn viele Branchen mussten schließen, und viele Selbstständige hatten plötzlich keine Arbeit mehr und wussten nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollten. Nicht selten hatten wir den Eindruck, dass Menschen einfach froh waren über ein offenes Ohr für ihre Nöte. Bis in die jüngste Zeit waren die Gespräche oft lang, auch wenn wir im konkreten Fall kaum helfen konnten.

 

Während die ersten Wochen davon geprägt waren, den Menschen Orientierung in einer Lage zu geben, die rechtlich noch sehr unübersichtlich war, häuften sich in der Folgezeit behördliche Verfahren, Eilanträge bei den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten sowie Klagen. Mal ging es um ein kleines Bußgeld, mal um eine aufwändige Verfassungsbeschwerde. Nur selten konnten uns die Mandanten zu unseren üblichen Stundensätzen bezahlen. Mehr als 95% der Verfahren führten wir auf der Grundlage gesetzlicher Gebühren oder verzichteten vollständig auf ein Honorar.

 

Je länger und detaillierter die einzelnen Corona-Verordnungen wurden, desto detaillierter wurden auch die rechtlichen Fragestellungen. So beschäftigten wir uns u.a. mit Fragen nach möglichen Entschädigungsansprüchen aufgrund der zwangsweisen Schließung von Betrieben. Es kamen versicherungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Betriebsschließungsversicherungen auf. Bei uns meldeten sich Eltern, die wollten, dass ihre Kinder endlich wieder zur Schule gehen können. Wir beschäftigten uns mit Quarantäne-Bestimmungen für Pendler und Reiserückkehrer, Test- und Maskenpflicht an Schulen, den Umgang mit abgesagten Veranstaltungen, der Beantragung von Hilfsgeldern, Reiseverboten, 2G-Zutrittsbeschränkungen, dem Impf- und Genesenenstatus. Erfolge hatten wir unter anderem mit zahlreichen Eilanträgen gegen die Berliner Sperrstunde für Gastronomie, der Durchsetzung des Anspruchs auf Beschulung in Hamburg und Berlin sowie – in jüngerer Zeit – mit Eilanträgen gegen die rechtswidrige Verkürzung des Genesenenstatus. Auch konnten wir Betroffenen dabei behilflich sein, endlich wieder ihre Angehörigen besuchen zu können. Die Fälle, in denen es um Besuchsverbote ging, waren menschlich besonders bewegend.

 

In den gerichtlichen Verfahren gab es viele Rückschläge und Enttäuschungen. Waren die Inzidenzzahlen hoch, hatte man bei den Verwaltungsgerichten keine Chance. Die Begründungen der Ablehnungsbeschlüsse waren oft haarsträubend. Ebbte dagegen eine „Welle“ ab und sanken die Inzidenzzahlen, konnte man eher auch einmal günstige Erfolgsprognosen bei den Gerichten stellen.

 

Kaum einmal traute sich ein Gericht, Corona-Regelungen grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Gerichte schritten nur dann ein, wenn es Unstimmigkeiten in den Regelungen gab, wenn beim Einzelhandel nach der qm-Größe der Geschäfte differenziert wurde oder bei den Schulen nach Jahrgangsstufen oder wenn man nicht recht erklären konnte, warum die Ansteckungsgefahr in einer Kneipe nach 22 Uhr höher sein soll als am früheren Abend. Selbst gegen unstimmige und sinnlose Regelungen hatte man allerdings bei den Verwaltungsgerichten keine Chance, wenn Inzidenzzahlen stiegen und neue „Wellen“ anrollten.

 

So bunt wie die rechtlichen Themen rund um Corona waren auch die Kuriositäten, wenn Corona-Vorordnungen auf die Realität stießen. So war etwa die Öffnung von Bars lange Zeit nur gestattet, wenn Sitzplatzreservierungen angeboten werden. Dass dies in 80% der Bars nicht möglich ist, weiß nur jemand, der eine Bar schon einmal von innen gesehen hat. Zur selben Kategorie zählt auch die Regelung, dass in der Gastronomie Fenster geöffnet sein müssen, um einen Durchzug zu ermöglichen, ab 22 Uhr aber alle Fenster zu schließen sind, damit es nicht so laut ist.

 

Alles hat ein Ende. Daher beenden wir jetzt nach mehr als zwei Jahren die Arbeit an der Helpline und blicken zurück auf unzählige spannende und fordernde Fälle, aber auch auf zum Teil bewegende Gespräche mit verzweifelten Menschen. Viele Nachwehen der Corona-Zeit werden uns auch weiter begleiten, und wir sind selbstverständlich auch weiterhin jederzeit ansprechbar.