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Ein Weihnachtsmarkt ohne Musik ist für die meisten Menschen kaum vorstellbar. Hohe GEMA-Gebühren könnten allerdings dafür sorgen, dass zukünftig nicht nur auf Weihnachtsmärkten eine stille Nacht Einzug hält. Das Abstellen auf neue und teurere Tarife, stellt aktuell ein Problem für Veranstaltende und Betriebe, die auf Musikwiedergabe angewiesen sind, dar. Hier stehen bei Vielen Rechnungssummen im Raum, die eine drei- oder sogar vierstellige prozentuale Steigerung zu den Vorjahren darstellt.

1. Problematik

Aufgekommen ist diese Problematik nun vermehrt im zweiten Halbjahr 2023. So berichtete beispielhaft der BR im August 2023 über die Stadt Bayreuth, die von der GEMA eine Rechnung für den Christkindlesmarkt erhalten habe, die 8.000 % höher gewesen sei als zur letzten regulären Veranstaltung im Jahr 2019. Zur Begründung der Preissteigerung bezog sich die GEMA auf Tarifsteigerungen vor der Corona-Pandemie, die jetzt umgesetzt würden (vgl. hier). Auch andere Städte, wie etwa Mainz, Leipzig, Radebeul und Schweinfurt haben mit ähnlichen GEMA-Gebühren zu kämpfen.

Wie sich in der Praxis zeigt, beschäftigt die Frage – wie es zu solchen horrenden Rechnungen kommen kann – nicht nur Städte die Weihnachtsmärkte betreiben. Vielmehr kamen vermehrt Veranstaltende auf uns zu, bei denen insbesondere die Einordnung in bestimmte Tarife zumindest fragwürdig erscheint. Beispielhaft ein privat betriebener Weihnachtsmarkt der eine Rechnung von über 50.000 EUR erhalten hat, während der korrekte Tarif eine Vergütung von knapp 8.000 EUR vorsieht oder ein Saunaclub, der anstatt mit ca. 25 EUR pro 100 m²/Monat mit ca. 130 EUR pro 100 m²/Monat abgerechnet werden sollte. Dementsprechend bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung mit dieser Thematik.

2. Hintergrund

Die aktuellen Erhöhungen der Vergütungen gehen zum Teil auf die bereits vor gut 10 Jahren beschlossene Tarifreform sowie sukzessiv angestiegene Tarife zurück.

Unser Kollege Herr Schröder-Ringe hat in zwei Fachbeiträgen zur damaligen GEMA-Tarifreform die Hintergründe der GEMA, ihrer-Tarife und die Auswirkungen der Reform anschaulich erläutert (IPRB 4/2013, S. 93 ff.; IPRB 2/2014, S. 26 f.). Dementsprechend wollen wir hier nur einen kurzen und allgemeinen Einstieg zur GEMA und ihrer Tarife geben, bevor wir zur eigentlichen Problematik ausführen.

a) Rolle der GEMA

Aus dem Urheberrecht ergibt sich, der grundsätzliche Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Die Werke von Urhebern dürfen außerdem im Grundsatz nur vom Urheber selbst verwertet (also bspw. öffentlich wiedergegeben oder vervielfältigt) werden. Diese Rechte können sodann durch Vertrag oder Gesetz von Verwertungsgesellschaften, wie die GEMA eine ist, wahrgenommen werden. Die Verwertungsgesellschaften kümmern sich also darum, dass Kunstschaffende Vergütungen für die Verwertung ihrer Werke durch andere erhalten.

Da dies die Regel ist, haben Veranstaltende gem. § 42 VGG die Pflicht ihre Veranstaltung bei den Verwertungsgesellschaften, hier der GEMA, anzumelden. So erschließt sich zunächst, warum Veranstaltende sich an die GEMA wenden müssen.

b) Die GEMA-Tarife

Die Vorgaben zur Tarifgestaltung ergeben sich indes aus §§ 38 ff. VGG. Hier werden etwa in § 39 Abs. 1 S. 1 VGG Kriterien zur Tarifgestaltung festgelegt. Dabei soll der „geldwerte Vorteil“, den Veranstaltende aus der Verwertung ziehen, regelmäßig maßgebliches Kriterium zu Festsetzung der Tarife sein. Obergrenzen gibt es allerdings nicht. Da es für jede Regel eine Ausnahme gibt, können Verwertungsgesellschaften aber nach § 39 Abs. 1 S. 2 VGG auch andere Berechnungsgrundlagen heranziehen. Beispielhaft Zuschauerzahlen oder Veranstaltungsflächen, die auch der BGH bereits als zulässige Berechnungsgrundlage bestätigt hat (BGH, Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 175/10). Nach Durchsicht der Rechtsprechung tendiert diese dazu, Tarife von Verwertungsgesellschaften eher selten zu kippen.

3. Welcher Tarif gilt?

Aus den eingangs angeführten Beispielen geht nun aber das eigentliche Problem hervor. Die GEMA entscheidet, welcher der vielen (korrekt festgesetzten) Tarife anwendbar sein soll und wählt dabei erfahrungsgemäß öfters den höheren. Und genau das ist es, was häufig zu Streit mit der GEMA führt.

Zwar werden die Tarife anhand von beispielhaften Aufzählungen und Oberkategorien dargestellt, so dass eine erste Vorauswahl getroffen werden kann. Allerdings fällt auf, dass in vielen Fällen mehrere Tarife anwendbar sein können. So wird beispielsweise bei einem Weihnachtsmarkt mit Eintritt der Tarif M-V vorgeschlagen. Guckt man aber in Tarif M-U II. werden in Ziffer 5 Weihnachtsmärkte ausdrücklich genannt. Wenig überraschend ist der von der GEMA vorgeschlagene Tarif M-V in der Vergütung deutlich höher angesetzt.

Dass der Vorschlag der GEMA nicht immer richtig ist, zeigt sich auch in der Rechtsprechung

So ging es etwa in einer Entscheidung des Landgerichts Mannheim (LG Mannheim, Urteil vom 28.11.2008 – 7 O 65/08) um die Einordnung einer Gaststätte als „Diskothek“ im Sinne des Tarifs MU III 1c der GEMA. In diesem Fall kamen zwei Tarife in Frage. Läuft eine Auslegung nach dem Wortlaut ins Leere, kann laut dem Landgericht der Tarif zunächst auch teleologisch und systematisch ausgelegt werden. Dies ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn in Bezug auf die einzelnen Begrifflichkeiten des Tarifs keine Definitionen vorliegen. Auch eine Bestimmung des Hauptzwecks der Veranstaltung bzw. des Betriebs kann helfen diese dem richtigen Tarif zuzuordnen. So war es in dem vorliegenden Urteil von entscheidender Bedeutung, dass das Tanzen als Hauptzweck einer Diskothek anzusehen ist. Das Spielen von Musik und Vorhandensein eines „DJ-Pults“ allein, sei dagegen nicht ausreichend. In seinem Urteil vom 28.11.2008 entschied das Landgericht folglich, dass die GEMA den Gaststättenbetrieb fälschlicherweise in den Tarif für Diskotheken eingeordnet hat.

Ein weiteres Urteil, dass sich mit der Einordnung der GEMA Tarife auseinandersetzt, kommt vom Bundesgerichtshof aus dem Jahr 1983 (BGH, Urteil vom 1.6.1983 – I ZR 98/81). Auch hier erscheinen zwei Tarife anwendbar. Der BGH stellte zunächst fest, dass bei Aufzählung von Regelbeispielen in einem Tarif davon auszugehen ist, dass ein anderer Tarif der den gleichen Personenkreis anspricht nicht gleichzeitig applikabel sein kann, da ansonsten die Regelung des Tarifs mit beispielhafter Aufzählung überflüssig wäre. Sofern das Tarifwerk keinen unmittelbar passenden Tarif enthält, sei zudem der Tarif anzuwenden, der nach seinen Merkmalen der im Einzelfall vorliegenden Art und Weise und dem Umfang der Nutzung möglichst nahe kommt.

Bei den genannten Entscheidungen handelt es sich freilich um Einzelfallentscheidungen. Jedoch zeigt sich, dass sich die Einordnung der GEMA rechtlich überprüfen lässt. Gibt es keine klaren Definitionen der GEMA, was mit den Begrifflichkeiten im Tarifwerk gemeint ist, kommt es auf eine Auslegung nach juristischer Methodik an. Hierbei spielen die Formulierung in den Tarifwerken, dessen Systematik, der Zweck der Veranstaltung oder des Betriebs und der Umfang der Musiknutzung eine entscheidende Rolle.

4. Empfehlung

Soweit also durch etwas „durchklicken“ in der Tarifübersicht der GEMA erkennbar wird, dass der von der GEMA vorgeschlagene Tarif nicht der einzige ist, der anwendbar scheint, sollte anwaltliche Hilfe hinzugezogen werden. So kann die Einordnung der GEMA überprüft und beim weiteren Vorgehen unterstützt werden.

Abschließend gilt: egal ob Vertrag oder separate Lizenzeinholung, Veranstaltende und Betriebe sollten sich über die Tarifstruktur der GEMA informieren und die Tarifeinordnung in Zweifelsfällen hinterfragen.