Nicht selten formulieren Unternehmen ihre Stellenausschreibungen noch immer geschlechtsspezifisch und suchen bspw. nach einer „Sekretärin“ oder „Bürokauffrau“, obwohl derartige Formulierungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässig sind.
Eine solche Ausschreibung kann dazu führen, dass das Unternehmen eine Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung nach § 15 AGG an den oder die Bewerber/in zahlen muss. Dies machten sich in der Vergangenheit sog. „AGG-Hopper“ zunutze, in dem sie sich vielfach auf geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen diverser Unternehmen bewarben und bei einer Absage eine Entschädigungszahlung wegen Geschlechterdiskriminierung forderten. Die Stelle selbst wollten sie zu keinem Zeitpunkt antreten. Es ging ihnen ausschließlich um eine Entschädigungszahlung.
Rechtslage
Nach § 7 AGG dürfen Beschäftigte bzw. Bewerber/innen nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, d. h. nicht wegen ihres Geschlechts, Alters, ihrer Religion oder Weltanschauung, sexuellen Identität, ethnischen Herkunft oder einer Behinderung, benachteiligt werden.
Gemäß § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG ausgeschrieben werden. Wird bspw. ein oder eine Bewerber/in aufgrund des Geschlechts in einem Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt oder abgelehnt, ist das Unternehmen verpflichtet, eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, vgl. § 15 AGG.
AGG-Hopping 1.0
Mit Urteil vom 11. August 2016 (Az. 8 AZR 4/15) hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass ein Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann.
Dies ist der Fall, sofern der oder die Bewerber/in sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene aggaStelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen ist, nur den formalen Status als Bewerber/in im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.
Ein oder eine Bewerber/in, der/die sich systematisch und zielgerichtet auf Stellenausschreibungen bewirbt, um mit den anschließenden Entschädigungsklagen einen Gewinn zu erzielen, handelt demnach rechtsmissbräuchlich. Insbesondere wenn diese Vorgehensweise auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber – sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses – freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.
AGG-Hopping 2.0
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich das Landesarbeitsgericht Hamm erneut mit einem sog. „AGG-Hopper“ zu beschäftigen (LAG Hamm, Urteil vom 05.12.2023 – 6 Sa 896/23). In dem zugrundeliegenden Fall bewarb sich ein Student mehrfach auf ausschließlich für Frauen ausgeschriebene Stellen bei diversen Unternehmen, insbesondere auf Stellenausschreibungen als „Sekretärin“.
Nachdem seine Bewerbung abgelehnt wurde, forderte er eine Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung nach § 15 AGG. Als mehrere seiner Entschädigungsklagen wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen wurden, passte er seine Bewerbungen an erfolgreich geführte Entschädigungsverfahren an, indem er u. a. nicht mehr mit „Herr“ unterzeichnete, sondern mit seinem ausgeschriebenen Namen. Zudem fragte er bei dem jeweiligen Unternehmen nicht mehr– wie zuvor – an, ob tatsächlich nur eine „Sekretärin“ gesucht werden würde.
Schließlich bekam er auf eine Bewerbung im Januar 2023 erneut keine Rückmeldung und erhob abermals Klage vor dem Arbeitsgericht wegen einer Entschädigungszahlung aufgrund von Geschlechterdiskriminierung nach § 15 AGG. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Hamm wiesen seine Klage als rechtsmissbräuchlich ab.
Während des Rechtsstreits stellte sich heraus, dass der Student bundesweit eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren geführt hatte, in denen er ebenfalls eine Entschädigungszahlung wegen Geschlechterdiskriminierung nach § 15 AGG forderte. Insgesamt wurde deutlich, dass er seine Bewerbungen im Laufe der Zeit gezielt für zukünftige Entschädigungsprozesse angepasst hat, um dem Einwand des Rechtsmissbrauchs durch die betroffenen Unternehmen entgegenzutreten und zu minimieren. Deshalb lehnte das LAG Hamm einen Anspruch auf Entschädigung – trotz des in der Stellenausschreibung vorliegenden Verstoßes gegen das AGG – ab, da der Student sich gezielt in den Status als „Bewerber“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gebracht hat, um eine Entschädigung wegen Geschlechterdiskriminierung zu fordern. Dieses Verhalten ist treuwidrig und begründet eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB.
Praxishinweis
Bei der Formulierung von Stellenausschreibungen sollten Unternehmen unbedingt auf eine benachteiligungsfreie Formulierung achten, also auf eine Formulierung, die keine Benachteiligung aufgrund eines der in § 1 AGG genannten Merkmale (häufig: Geschlecht, Alter, Religion) indiziert.
Zwar können auch weiterhin objektive Kriterien die Benachteiligung aufgrund eines Merkmals im Sinne des § 1 AGG rechtfertigen. Regelmäßig beweist eine Stellenausschreibung als „Sekretärin“ aber im Sinne des § 22 AGG Indizien, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, so dass das Unternehmen im Streitfall darlegen und beweisen muss, weshalb die Stellenausschreibung keine Benachteiligung des männlichen oder diversen Geschlechts darstellt.
Selbst wenn – wie in dem vorliegenden Fall – ein evidenter Verstoß gegen das AGG vorliegt, sollten Unternehmen nicht ohne weiteres etwaige Entschädigungsforderungen nachkommen. Neben der Möglichkeit nachzuweisen, dass das Bewerbungsverfahren benachteiligungsfrei ablief, besteht für Unternehmen ggf. (auch) der Einwand des Rechtsmissbrauchs.