Wenn bei der Abmahnung von Markenverletzungen neben den Anwaltsgebühren auch Patentanwaltsgebühren in derselben Höhe erstattet verlangt werden, sorgt dies häufig für Verstimmung beim Inanspruchgenommenen. Warum muss auch der Patentanwalt miterstattet werden? Wo es doch gar nicht um eine Patentstreitsache geht? Grund dafür ist der § 140 Abs. 4 MarkenG, der die Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs für den Einsatz von Patentanwälten bei markenrechtlichen Streitfällen stark erleichtert. Dem BGH war dies nun aber doch zu einfach, weshalb er erst beim EuGH nachgefragt hat und dann selbst noch entschied. Aber der Reihe nach.
Der doppelte Kostenerstattungsanspruch
Doppelvertretungen eines Mandanten sind nicht unüblich. Dies erscheint besonders in patentrechtlichen Streitigkeiten logisch: Der Patentanwalt stellt seine technische Expertise und der Rechtsanwalt ist postulationsfähig vor Gericht.
In markenrechtlichen Streitigkeiten ergibt eine Doppelvertretung hingegen immer weniger Sinn. Nur in wenigen Einzelfällen spielen technische Überlegungen im Markenrecht überhaupt noch eine Rolle und spätestens seit der Einführung des „Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz“ erfordern markenrechtliche Fragestellungen nicht mehr den Einsatz von auf Markenrecht spezialisierter Anwältinnen oder Anwälte und eines Patentanwalts oder eine Patentanwältin. Dennoch bestimmt § 140 Abs. 4 MarkenG einen Kostenerstattungsanspruch im Falle der Beauftragung von PatentanwältInnen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und zwar ohne dass geprüft werden muss, ob deren Hinzuziehung überhaupt notwendig war.
In der Praxis bedeutete dies für die in Kennzeichenstreitsachen Unterlegenen oftmals einen doppelten Kostenerstattungsanspruch. Einerseits für die gegnerische Rechtsanwältin und andererseits für den gegnerischen Patentanwalt. Dessen Mitwirkung konnte allein durch anwaltliche Versicherung nachgewiesen werden. Gegen die gesetzliche Regelung richteten sich immer wieder Gerichtsverfahren wobei jedoch der BGH in immerhin fünf Verfahren den § 140 Abs. 4 MarkenG stets als mit höherrangigem Recht vereinbar ansah.
Vorlagefrage vor dem EuGH
Diese Auffassung änderte sich jedoch mit dem Beschluss „Kosten des Patentanwalts VI“ des BGH (BGH, Beschl. v. 24.09.2020 – I ZB 59/19). Das Gericht sprach darin von erheblichen unionsrechtlichen Zweifeln an der zugrunde liegenden Norm und legte dem EuGH die Sache in einem Vorlageverfahren vor.
Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen ob Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Kostenerstattungsanspruch für die Beauftragung eines Patentanwalts entstehen kann, auch wenn keine Prüfung vorgesehen ist, ob dessen Mitwirkung wirklich notwendig war (EuGH, Urt. V. 28.04.2022 – C-531/20 „NovaText“). Der EuGH erklärte, dass Vorschriften der EU-Richtlinie dahingehend auszulegen seien, dass dem Gericht jedenfalls eine Beurteilung zustehen müsse, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Prozesskosten zumutbar und angemessen seien.
Änderungen der Rechtslage nach dem BGH
Im Zuge der Entscheidung des EuGH hält der BGH nichtmehr an seiner Linie fest und erklärt, § 140 Abs. 4 MarkenG sei richtlinienkonform auszulegen (BGH, Beschl. v. 13.10.2022 – I ZB 59/19). Nur zweckentsprechende Rechtsverfolgungskosten seien erstattungsfähig. Eine patentanwaltliche Mitwirkung muss daher nun auch tatsächlich notwendig gewesen sein. Die Darlegungslast dafür liegt auf der Anspruchstellerseite.
Zu beachten ist dabei allerdings, dass es sich im vorliegenden Verfahren um einen grenzüberschreitenden EU-Sachverhalt handelt, dessen Behandlung auf reine Inlandssachverhalte ohne Bezug zur EU keine Auswirkungen hat. Dennoch sehen einige Stimmen den § 140 Abs. 4 MarkenG bereits als verfassungswidrig an, da Kennzeichenstreitsachen ohne sachlichen Grund anders behandelt würden als sonstige zivile Streitigkeiten. Hierin wird ein Verstoß gegen Art. 3 GG gesehen. Die Entscheidung in einer dahingehend bereits anhängigen Verfassungsbeschwerde (BVerfG – Az. 1 BvR 1183/16) steht bisher noch aus.
Jedenfalls bei Binnengrenzen überschreitenden Sachverhalten darf eine unterlegene Partei nun aber verhalten aufatmen, unbegründete Kostenerstattungsansprüche braucht sie nicht mehr zu fürchten.