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Hintergrund

Streitgegenstand war ein Herrenwaschgel der Beklagten L’Oréal Paris, welches sie auf ihrer Internetseite in einer aus Kunststoff bestehenden Tube mit einer Füllmenge von 100 ml bewarb. In der Online-Werbung ist die Tube auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet. Sie ist im unteren Bereich des Verschlussdeckels transparent und gibt den Blick auf den orangefarbigen Inhalt frei. Der darüber befindliche Bereich ist nicht durchsichtig, sondern silbern eingefärbt. Die Tube ist nur im durchsichtigen Bereich bis zum Beginn des oberen, nicht durchsichtigen Bereichs mit Waschgel befüllt.

Ein Verbraucherschutzverband klagte auf Unterlassung, weil die Werbung den Eindruck erweckt, die Tube sei nahezu vollständig mit Waschgel befüllt.

Entscheidung

Das LG und das OLG Düsseldorf wiesen die Klage ab. Das OLG Düsseldorf zweifelte nicht daran, dass eine solche „Mogelpackung“ im stationären Handel relevant wäre. Dies beruht auf der Annahme, dass der Verkehr unterschiedliche Erwartungen an Produktverpackungen stellt: grundsätzlich geht der Verbraucher davon aus, dass die Verpackung in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge des Produkts steht. Die beanstandete Produktverpackung verhindert nicht zuverlässig, dass der am Erwerb interessierte Verbraucher die tatsächliche Füllmenge erkennt, denn er nimmt den Übergang von der transparenten Verpackung zur silbernen Bedruckung lediglich als Gestaltungsmerkmal, nicht aber als Füllhöhenangabe wahr. Im Gegensatz zum Online-Vertrieb wird ein Verbraucher beim Erwerb im Laden das Produkt in die Hand nehmen und einen Blick auf die Rückseite werfen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass ein durchschnittlich informierter Verbraucher, der an dem Produkt interessiert ist, dieses eingehend betrachtet und auf seine Inhaltsstoffe überprüft. Der Verbraucher wird das Produkt eher flüchtig wahrnehmen und sich, wenn überhaupt, auf die darauf abgedruckten Kernaussagen konzentrieren, statt die genaue Füllmenge durch das sich in der Verpackung bewegende Waschgel zu erkennen.

Im Falle der „Bereitstellung auf dem Markt“ im Wege des Onlinevertriebs sei die nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3a UWG notwendige spürbare Interessenbeeinträchtigung nach Auffassung des OLG Düsseldorfs nicht gegeben: Verbraucher nehmen die konkrete Größe der Produktverpackung erst bei Anlieferung und damit nach Vertragsabschluss zur Kenntnis. Sie können zwar anhand der Produktabbildung zwar auf ein bestimmtes Aussehen der Verpackung schließen, die Füllmenge als solche entnimmt man mangels Kenntnis der tatsächlichen Größe der Produktverpackung aber allein der Füllmengenangabe (hier unstreitig zutreffend 100 ml). Der Verbraucher mag deshalb aus der Füllmenge auf eine bestimmte Größe der Verpackung schließen, nicht aber von der Verpackung auf eine bestimmte Füllmenge.

 

Der BGH lehnte diese Differenzierung ab und bejahte einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Die Produktgestaltung täuscht entgegen § 43 Abs. 2 MessEG durch ihre Gestaltung und Befüllung eine größere Füllmenge vor, als in der Tube tatsächlich enthalten ist. Der entscheidende Schutzzweck des § 43 Abs. 2 MessEG besteht darin, den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung zu schützen. Dieser Schutzzweck ist unabhängig vom Vertriebsweg stets betroffen, wenn eine Fertigpackung ihrer Gestaltung und Befüllung nach in relevanter Weise über ihre relative Füllmenge täuscht. Dies stellt zudem eine spürbare Interessenbeeinträchtigung dar, da § 43 Abs. 2 MessEG den Verbraucher vor irreführenden Angaben über die Füllmenge einer Verpackung schützen soll. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 MessEG erfüllt sind, war nicht weiter relevant, da die Vorschrift aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung der Richtlinie 2005/29/EG nicht anwendbar ist. Die Irreführung über die Füllmenge einer Verpackung beurteilte der BGH daher allein nach § 5 UWG. Die beanstandete Internetwerbung für das Waschgel verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Eine wettbewerbsrelevante Irreführung liegt vor, wenn die Verpackung nicht im angemessenen Verhältnis zur Füllmenge steht, da die Tube des Waschgels nur zu zwei Dritteln gefüllt ist.

Fazit

Die Entscheidung zeigt einen weiteren Verstoß auf, mit dem die ohnehin überlange Liste der Abmahngründe im Onlinehandel verlängert wird. Onlinehändler können nun wegen Mogelverpackungen kostenpflichtig auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, obwohl sie keine Kenntnis vom Grad der Befüllung der Verpackung hatten. Wenn die Händler nicht auf den Abmahnkosten sitzen bleiben wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Produkthersteller in Regress zu nehmen, die den eigentlichen Verstoß begangen haben.