Direkt zum Inhalt wechseln

Aufsichts- und Prüfungsverfahren der Kartellbehörden gehören für viele Unternehmen nicht zum Alltag. Wenn es dann doch dazu kommt, geht dies mit einer erheblichen Offenbarungspflicht gegenüber den Kartellbehörden einher; die den Behörden zur Verfügung zustellenden Informationen umfassen oft auch solche, die die viele Unternehmen zum Umfang ihrer Geschäftsgeheimnisse zählen würden. In der Praxis kann es aber dazu kommen, dass gerade derartige Informationen von den Kartellbehörden mit einigen Konkurrenten am Markt geteilt werden. Da die Geschäftsgeheimnisse eines Unternehmens aber gerade nicht in die Hand von Konkurrenten kommen sollte kommt es immer wieder zum Streit. Über einen solchen Fall verhandelte der Bundesgerichtshof vor kurzem unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

I.           Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens waren Googles Praktiken im Zusammenhang mit den Google Automotive Services, einem Produktbündel aus Google Maps, dem Sprachassistenten Google Assistan und einer Version des App-Stores Google Play, das Google Fahrzeugherstellern zur Lizenzierung anbietet. Google bot Fahrzeugherstellern die Dienste grundsätzlich nur als Bündel an und machte nach Auffassung des Bundeskartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation dieser Dienste im Infotainmentsystem des jeweiligen Fahrzeugherstellers, damit diese bevorzugt genutzt werden.

Da Googles Verhalten nach vorläufiger Einschätzung des Bundeskartellamtes gegen mehrere der neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a GWB) verstieß und Google als Unternehmen marktübergreifende Bedeutung hat, prüfte das Bundeskartellamt ob es Google verpflichten könnte das beanstandete Verhalten zu beenden. Zur weiteren Sachaufklärung und um bessere Kenntnisse über die Markt zu gewinnen beabsichtigte das Bundeskartellamt vorläufige Einschätzung zu Googles Praktiken gegenüber zwei am Verfahren beteiligten Wettbewerbern Googles (dem Karten-Spezialisten TomTom und dem Sprachassistent-Anbieter Cerence) in teilgeschwärzter Fassung offenzulegen, damit diese zu den wettbewerblichen Bedenken Stellung nehmen können. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes wüssten Wettbewerber über den Markt am besten Bescheid. Google hingegen beanstandete die Schwärzungen als unzureichend, weil die Wettbewerber dadurch Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erhalten würden und legte daher Beschwerde beim Bundeskartellamt ein, dass den Streit dem BGH zur Entscheidung vorgelegt hatte

 

II.         Die Entscheidung

Nachdem der BGH am 20.02.24 zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelte, wies es noch mit Beschluss vom selben Tag am Abend die Beschwerde Googles bis auf ein einzelnes Zitat zurück (Beschluss vom 20. Februar 2024 – KVB 69/23). Die Zurückweisung betraf insbesondere neben Bewertungen der Strategie Googles durch das Bundeskartellamt auch die wörtliche Wiedergabe einzelner Klauseln aus Verträgen zwischen Google und einzelnen Fahrzeugherstellern.

Das Gericht wog dabei das Interesse des Kartellamts an einer Sachaufklärung und das Interesse Googles an der Geheimhaltung der Information ab. Es stellte insoweit fest, dass die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber am Verfahren beteiligten Wettbewerbern zu Ermittlungszwecken sowie zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte in Betracht kommt, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Die Offenlegung gegenüber den Wettbewerbern muss zur Sachaufklärung geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Nach Auffassung des BGH handelte es sich bei den in Streit stehenden Textpassagen entweder schon nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Googles, oder das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts überwog das Geheimhaltungsinteresse Googles.

 

III.        Fazit

Zwar stärkt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes die Praxis des Bundeskartellamtes schon während des laufenden Verfahrens Unternehmensinformationen mit Wettbewerber des Unternehmens zu teilen; sie gibt dem Vorgehen jedoch auch klare Grenzen auf. Die vom Gericht vorgenommene Abwägung zeigt erneut, dass dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Unternehmen besondere Sensibilität gewidmet werden sollte. Zwar sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse grundrechtlich geschützt, um diesen Schutz in Anspruch nehmen zu können bedarf es jedoch angemessener Schutzkonzepte. Nur mit entsprechenden Schutzmaßnahmen sind Betriebsinformationen überhaupt als Geschäftsgeheimnisse im Sinne des GeschGehG geschützt, deren potenzielle Offenlegung durch die Kartell- oder andere Behörden derart gewichtige Nachteile haben kann, dass eine Offenlegung nicht zulässig ist.

 

Sind Fragen offen geblieben? Schreiben Sie gerne eine unverbindliche Mail an thiess@haerting.de.