Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Beschwerde eines Geistlichen in Griechenland gegen seine Verteilung wegen öffentlicher Anstiftung zu Gewalt oder Hass gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und wegen Missbrauchs eines kirchlichen Amtes mit Urteil vom 27.06.2023 (Lenis gegen Griechenland -Urteil Nr. 47833/20) zurückgewiesen.
Das Urteil betrifft die Veröffentlichung eines homophoben Artikels durch den Herrn Lenis in seinem persönlichen Blog im Dezember 2015. Zu dieser Zeit debattierte das griechische Parlament über die Gesetzesinitiative zur Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare. Herr Lenis wurde aufgrund seines homophoben Artikels strafrechtlich verfolgt und schließlich wegen Anstiftung zum Hass und Diskriminierung verurteilt.
Zu dieser Zeit war Herr Lenis Metropolit (in etwa das Äquivalent eines Bischofs) der griechisch-orthodoxen Kirche für Kalavryta und Aigialeia.
Der Gerichtshof entschied, dass die Aussagen von Herrn Lenis nicht von Artikel 10 (freie Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention gedeckt sind. Der Gerichtshof stellte zudem fest, dass die geäußerten Werte der Herrn Lenis eindeutig im Wiederspruch zu den durch die Menschrechtskonvention vorgesehenen Schutzweck stehen.
Zum Sachverhalt
Der 1938 geborene Kläger, ist ein griechischer Staatsangehöriger und zum Zeitpunkt der Ereignisse als Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche von Kalavryta tätig.
Aufgrund der Debatte innerhalb des griechischen Parlaments über die Einführung von eingetragenen Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare, veröffentlichte Herr Lenis am 4. Dezember 2015 auf seinem Online-Blog einen Artikel zu diesem Thema.
In diesem bezeichnete er Homosexualität als „soziales Verbrechen“ und „Sünde“. Des Weiteren beschrieb er Homosexuelle als „Abschaum der Gesellschaft“, „defekt“ und „geisteskrank“. Schließlich forderte er seine Leser aber auch die Menschen im Allgemeinen dazu auf diese anzuspucken.
Aufgrund der Brisanz dieser Äußerungen, griffen mehrere Medienschaffende, sowie etliche Nutzer der sozialen Medien Lenis Text auf.
Aufgrund der Veröffentlichung des Schmähartikels wurde gegen Herrn Lenis Anklage wegen öffentlicher Anstiftung zu Gewalt oder Hass gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und wegen Missbrauchs eines kirchlichen Amtes erhoben. Herr Lenis wurde erstinstanzlich in allen Anklagepunkten freigesprochen.
Aufgrund dieses Urteils legte die Staatsanwaltschaften von Aigio und Patras Berufung ein.
Das zweitinstanzliche Berufungsgericht befand ihn beider Vergehen für schuldig und verurteilte ihn zu einer Strafe von sieben Monaten Haft, welche auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Herr Leis musste zudem Prozesskosten in Höhe von 240,00 EUR tragen.
Das Berufungsgericht betonte zudem besonders die gesellschaftliche Stellung, welche Herr Lenis durch sein Amt einnimmt und somit auch den Einfluss, welchen dieser über „seine“ Kirchengemeinde als auch, welchen weiteren weltlichen Einfluss dieser ausüben kann.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte schließt sich in seinem Urteil der Meinung des Berufungsgerichts an, wonach die Aussagen des Klägers nicht auf die Mitglieder des Parlaments, sondern in erster Linie gegen Homosexuelle im Allgemeinen gerichtet sind.
Das Gericht stützt seine Entscheidung auf folgende Hauptargumente:
- Durch sein Amt und der damit verbundenen Gesellschaftlichen aber auch „kulturellen“ Stellung habe Herr Lenis ganz konkret die Möglichkeit die Meinungen „seiner“ Kirchengemeinde aber auch von weiteren Personen zu beeinflussen
- Er habe seine Äußerungen über das Internet verbreitet, wodurch seine Botschaft leicht zugänglich gewesen sei
- Es haben sich seine Äußerungen gegen Homosexuelle gerichtet wobei der Gerichtshof auf bisherige Feststellungen verwies, wonach geschlechtliche und sexuelle Minderheiten aufgrund der Marginalisierung und Schikanierung, denen sie immer vielerorts noch ausgesetzt sind, besonderen Schutz vor hasserfüllten und diskriminierenden Äußerungen bedürfen.
Der Gerichtshof betonte, dass eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung ebenso schwerwiegend ist wie Diskriminierung aufgrund von Rasse, Herkunft oder Hautfarbe.
Der EGMR vertritt zudem die Ansicht, dass das hier Artikel 17 (Verbot des Rechtsmissbrauchs) zum Tragen kommt. Damit dieser Fall jedoch eintritt, muss klar sein, dass die getätigten Äußerungen darauf abzielen, die freie Meinungsäußerung für Zwecke zu nutzen, die eindeutig im Widerspruch zu den Werten stehen, welche die EMRK versuchen zu schützen.
Des Weiteren sind Äußerungen, welche einem religiösen oder moralischen Hintergrund geschuldet sind nicht vom Artikel 10 EMRK umfasst, wenn sie den angesprochenen Menschen ihre Natur absprechen oder die Aufforderung zu Gewalttaten enthalten ist. Somit ist die Eröffnung des Artikel 17 ERMK gerechtfertigt.
Darüber hinaus bezogen sich die Äußerungen unmittelbar auf ein Thema, das in der modernen europäischen Gesellschaft von großer Bedeutung ist, den Schutz der Würde und des menschlichen Wertes der Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung.