Das Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts hat mit seinem von uns erstrittenen Beschluss vom 21.8.2024 eine bauaufsichtliche Verfügung des Landkreises Verden zur Beschränkung der durch das MOYN-Festival bei Bremen zu nutzenden Flächen und der Teilnehmerzahl außer Vollzug gesetzt, weil es der Auffassung ist, dass Festivals keine Baugenehmigung benötigen (Az.: 1 ME 121/24).
Dank der Eilentscheidung des OVG konnte das https://moynfestival.de/ seine Tore pünktlich öffnen.
1. Sachverhalt
Das diesjährige Moyn-Festival öffnet seine Tore vom 22. bis zum 25.8.2024. Wie in den Jahren zuvor soll es auf Grünlandflächen beidseits des Flusses Wümme in der Gemeinde Oyten stattfinden. Geboten wird ein vielfältiges Musik- und Kulturprogramm auf verschiedenen Bühnen mit Workshops und anderen Veranstaltungen. Den Besucherinnen und Besuchern stehen zudem ein umfangreiches gastronomisches Angebot sowie Möglichkeiten zur Übernachtung auf einer zum Campen vorgesehenen Fläche zur Verfügung.
Das erfolgreiche Festival wurde jedes Jahr größer. In diesem Jahr plante die Veranstalterin mit bis 2.000 Personen mehr als im letzten Jahr. Weil der Veranstalterin aus Naturschutzgründen untersagt wurde, bestimmte Flächen entlang der Wümme zu nutzen, sollte das Festivalgelände nach Westen erweitert werden. Mit diesen Erweiterungen war der Landkreis Verden nicht einverstanden. Er ist der Auffassung, dass das Festival einer Baugenehmigung bedürfe, die nach der geltenden Rechtslage nicht erteilt werden könne. Da die Gemeinde aber zur künftigen Ermöglichung von Genehmigungen einen Bebauungsplan aufstellen wolle, sei er bereit, das Festival weiterhin zu dulden, allerdings nur in der bisherigen Größenordnung. Mit einer bauaufsichtlichen Verfügung hat er deshalb mit sofortiger Wirkung die Personenzahl auf maximal 4.500 beschränkt und die Westerweiterung des Geländes untersagt.
2. Die Entscheidung
Den gegen diese Verfügung gerichteten Eilantrag der Veranstalterin hatte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. August 2024 (Az.: 2 B 1292/24) als unzulässig abgelehnt. Auf die dagegen erhobene Beschwerde hat der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht den verwaltungsgerichtlichen Beschluss geändert und die Verfügung des Landkreises außer Vollzug gesetzt.
Das OVG hat festgestellt, dass es sich bei dem MOYN-Festival nicht um eine bauliche Anlage oder eine sonstige nach Baurecht zu beurteilende Grundstücksnutzung handele. Das Festivalgelände erlange durch das MOYN-Festival und eine weitere dort regelmäßig stattfindende Großveranstaltung nicht dauerhaft den Charakter eines Fest- bzw. Ausstellungsplatzes, sondern stelle sich weiterhin als Grünland dar. Deshalb dürfe der Landkreis keine baurechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Grundstücksnutzung als solcher stellen und die Anzahl der Besuchenden nicht beschränken.
Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Nutzung in zeitlicher Hinsicht so verfestigt, dass sie die Grundstückssituation prägt (BVerwG, Beschl. v. 29.6.1999 – 4 B 44.99 -, BRS 62 Nr. 116 = juris Rn. 7). Eine unabsehbare Dauer ist hingegen nicht erforderlich; wie auch sonst können auch befristet konzipierte Nutzungen baurechtliche Relevanz erlangen. Wann nach diesen Maßstäben die erforderliche Verfestigung erreicht ist, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, die den zeitlichen und räumlichen Umfang der Nutzung, mithin das Maß der Beanspruchung, einbezieht (vgl. Senatsbeschl. v. 26.1.2022 – 1 ME 119/21 -, BauR 2022, 635 = juris Rn. 7; v. 13.6.2022 – 1 ME 38/22 -, RdL 2022, 362 = juris Rn. 11). Diese Rechtsprechung ist auf die in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2-4 NBauO genannten weiteren Arten der Bodennutzung übertragbar. Auch diese erlangen baurechtliche Relevanz erst dann, wenn sie die Situation eines Grundstücks in zeitlicher und räumlicher Hinsicht prägen, das Grundstück sich einem objektiven Betrachter also nicht mehr als Freifläche mit temporär abweichender Nutzung, sondern – beispielsweise – als Ausstellungs- oder Campingplatz darstellt.
Der Beschluss des Senats ist unanfechtbar. Die Pressemitteilung ist hier [Link einfügen: https://oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/moyn-festival-in-oyten-kann-wie-geplant-stattfinden-234838.html] abrufbar.
3. Folgen der Entscheidung
Erstmals wurde höchstrichterlich entschieden, dass ein Festival keine Baugenehmigung benötigt.
Solange Festivals – wie so oft auf der grünen Wiese – auf und dann vollständig zurückgebaut werden, haben sie nur temporären Charakter. Damit fehlt es nach der Ansicht des OVG an der für die Annahme einer baulichen Anlage notwendigen Verstetigung.
Weil Festivals damit dem Baurecht entzogen werden, können auch keine bauaufsichtsrechtlichen Beschränkungen erteilt werden. Zuständig für die „Genehmigung“ sind damit die Ordnungsbehörden und nicht mehr die Bauämter. Für die Festivalbetreibenden bedeutet diese wegweisende Entscheidung eine große Erleichterung, weil sich hiermit bauplanungsrechtliche Fragen als auch langwierige Baugenehmigungsverfahren erübrigen.
Diese Entscheidung hat auch Bedeutung für die Durchführung von anderen, temporären (Kultur-)Veranstaltungen, ob nun um im Außenbereich oder bei der Zwischennutzung bestehender Anlagen.