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In dieser außergewöhnlichen Podcast-Folge wenden sich Niko Härting und Stefan Brink zwei außergewöhnlichen Jubiläen zu: Vor 175 Jahren, genauer am 28. März 1849, trat die erste Verfassung des deutschen Reiches, auch Frankfurter Reichsverfassung (FRV) oder Paulskirchenverfassung genannt, in Kraft. Und vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates ausgefertigt.

Zwar war der Paulskirchenverfassung kein großer Erfolg beschieden und auch ihr epochaler Grundrechte-Katalog wurde schon 1851 wieder kassiert, dennoch finden sich dort zahlreiche jener qua Verfassung garantierten Individualrechte gegen den Staat, derer wir uns heute noch erfreuen: Von der „Preßfreiheit“ über Justiz-Grundrechte bis zu sozialen Grundrechten (Volksschulen wurden vom Schulgeld befreit) findet sich in der FRV jenes liberale Gedankengut, das die Märzrevolution von 1848 vorangebracht hatte. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 nahm sich am Frankfurter Grundrechtekatalog ebenso Vorbild wie die Väter und Mütter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat. Dennoch gibt es mit der Abschaffung des Landeskinderprivilegs, der Bindung der Religionsausübungsfreiheit an die Strafgesetze und dem Verbot der Ministerialjustiz in der FRV einige Freiheitsgarantien, die selbst nach 175 Jahren nicht vollständig in unserer gelebten Verfassung angekommen sind.

Die provisorische Verfassung vom Mai 1949, unser Grundgesetz (ab Minute 31:30), hat zwar nie – auch nicht mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 – eine Annahme durch Volksabstimmung erlebt; mit der Bindung aller Staatsgewalt an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) zu unabhängigen Gerichten (Art. 97 GG) und auch materiellen Gewährleistungen des Rechtsstaats (Menschenwürde und Gleichheit, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) hat es aber für uns besonders wichtige Garantien geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Grundgesetz über die Jahrzehnte hinweg durchaus unterschiedlich mit Leben gefüllt, aber trotz einiger Belastungsmomente dürfen wir uns freuen, das GG „in guter Verfassung“ zu erleben. Und daran mitwirken, dass dies auch so bleibt.