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Seitdem die Datenschutz-Grundverordnung (kurz: DSGVO) am Horizont des europäischen Rechtsrahmens auftauchte, wird immer wieder vor einer „Abmahnwelle“ gewarnt. Massenhafte Abmahnungen durch Wettbewerber z.B. wegen kleinster Fehler in Datenschutzinformationen blieben bisher allerdings aus. Ein Grund hierfür könnte sein, dass lange Zeit stark umstritten war, ob Abmahnungen durch Wettbewerber nach der DSGVO überhaupt zulässig sind. Einer Vorlagefrage des BGH an den EuGH könnte nun abschließende Rechtssicherheit bringen.

 

Sperrwirkung der DSGVO?

Der Streit um die Beantwortung dieser Frage ist ebenso alt, wie die Aussicht der Abmahnwelle. Im Kern geht es darum, ob die Artikel 77 bis 84 der DSGVO einen abgeschlossenen Sanktionskatalog darstellen, der wettbewerbsrechtliche Ansprüche sperrt oder ob die in der DSGVO normierten Sanktionen nicht abschließend sind und Konkurrenten auch aus dem UWG wegen etwaigen Datenschutzverstößen in Anspruch genommen werden können.

Wohl nur noch ein (kleiner) Teil der Literatur und Rechtsprechung spricht sich für eine Sperrwirkung der Sanktionsnormen aus der DSGVO aus. Die DSGVO regele abschließend, welcher Personenkreis anspruchsberechtigt ist. Weitere Möglichkeiten der Sanktionierung habe der Unionsgesetzgeber gerade nicht eröffnen wollen. Zudem schaffe Art. 80 Absatz 1 DSGVO gerade die Möglichkeit, besondere Einrichtungen mit der Durchsetzung von Rechten zu beauftragen. Darüber hinaus würden die austarierten Mechanismen der DSGVO und die Ausübung der abgestuften, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechenden Untersuchungs- und Abhilfebefugnisse der Behörden nach Art. 58 DSGVO, durch ein Klagerecht von Mitbewerbern unterlaufen. Dies habe das Potenzial, vor allem kleinere Verantwortliche bei kleineren Verstößen überproportional zu belasten.

Die inzwischen wohl herrschende Meinung erkennt dagegen eine Klagebefugnis von Wettbewerbern bei DSGVO-Verstößen an, jedenfalls schließt sie wettbewerbsrechtliche Ansprüche nicht aus. Nach Art. 84 DSGVO ist es den Mitgliedstaaten unbenommen, Vorschriften über andere Sanktionen vorzusehen. Die DSGVO hat ausweislich ihrer Erwägungsgründe (ErwGr 152) zwar in erster Linie straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen im Blick; Art. 84 DSGVO ist aber weit auszulegen und lässt auch Schadensersatz- und/oder Unterlassungsansprüche als weitere Sanktionen gegen Datenschutzverletzungen zu.

Vorlagefrage des BGH

Der BGH hat nun zwei Verfahren ausgesetzt (Beschlüsse vom 12.01.2023 – I ZR 222/19 und I ZR 223/19), denen genau das besprochene Problem zugrunde liegt. Es streiten dabei jeweils zwei Apotheker darum, ob apothekenpflichtige Arzneimittel über Amazon angeboten werden dürfen. Datenschutzrechtlich relevant ist dies deshalb, weil im Rahmen der Bestellungen, Gesundheitsdaten der Kunden des Beklagten verarbeitet würden, wozu es nach Ansicht der Kläger an der Einwilligung i.S.d. Art. 9 Abs. 1, 2 DSGVO fehle.

Nachdem die Verfahren jeweils vor Landgerichten geführt wurden, landeten beide Verfahren vor dem OLG Naumburg, das in beiden Fällen Art. 9 Abs. 1 DSGVO als Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG ansah und entsprechend den Klagen stattgab. Beide Verfahren landeten schließlich vor dem BGH.

Dieser stellte dem EuGH nun die Frage, ob die Regelungen in Kapitel VIII der DSGVO nationalen Regelungen entgegenstehen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen.

Sofern der EuGH der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur folgt, wird er die Vorlagefrage des BGH verneinen. Damit wäre höchstrichterlich geklärt, dass Verstöße gegen die DSGVO auch von Mitbewerbern abgemahnt werden könnten. Interessant wird es dann sein zu beobachten, ob die damit gesteigerte Rechtssicherheit anschließend tatsächlich zu der häufig beschworenen Abmahnwelle führen wird. In Anbetracht dessen, dass die DSGVO schon seit Mai 2018 Anwendung findet, dürften die meisten Unternehmer jedoch bereits für eine rechtmäßige Ausgestaltung ihrer Datenverarbeitung gesorgt haben.