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Berlin war immer eine Stadt der Kultur und des Nachtlebens. Seit der Corona-Krise ist dies anders. Die Theater, Konzerthallen und Clubs sind geschlossen. Öffnungsperspektiven gibt es kaum. Der Berliner Senat lässt die Kulturszene der Hauptstadt im Stich.

Das Warten auf neue Soforthilfe

Zu Beginn der Corona-Krise bemühte sich Berlin zumindest um eine finanzielle Unterstützung der Betroffenen. Vorbildlich und einzigartig die unbürokratische Hilfe für Kulturschaffende und Solo-Selbstständige Ende März. Für 120.000 Antragsteller stellte man jeweils 5.000 EUR für den Lebensunterhalt bis Ende Mai bereit. Schnell, unbürokratisch und online. Oft war das Geld schon am nächsten Tag auf dem Konto.

Drei Monate später sitzen die Betroffenen auf dem Trockenen. Vergeblich hoffen bislang Schauspieler und Musiker, DJs und Veranstaltungstechniker, Booking Agents und Tontechniker auf ein weiteres Hilfspaket aus Landesmitteln. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zeigt mit dem Finger auf den Bund. Dort hat Kultur-Staatssekretärin Monika Grütters (CDU) zwar immer wieder Bundes-Soforthilfe für Kulturschaffende gefordert, sich jedoch nicht durchsetzen können. Den Betroffenen helfen Schwarze-Peter-Diskussionen nicht.

Clubs ohne Öffnungsperspektive

Die ganze Welt beneidet Berlin um seine einzigartige Clubszene. Ein Magnet für Touristen und für junge Leute aus aller Welt, die gerne hier leben, tagsüber in den Start-Ups arbeiten und nachts feiern. Ein Öffnungskonzept hat der Berliner Senat für die Clubs nicht. Niemand diskutiert ernsthaft über die Bedingungen, unter denen nicht nur Restaurants, Fitnessstudios und Kneipen, sondern auch Clubs die Türen wieder öffnen können. Klaus Lederer beklagt in einem taz-Interview kürzlich das Fehlen des „Korrektivs der Kultur“. Zu den Clubs fällt ihm zugleich nur Vages ein über eine „Normalität…, die schon vorher falsch war“. Wenn es um die Clubs geht, heißt „möglichst bald“ für Lederer „im nächsten Jahr“.

Auch drei Monate nach Beginn der Corona-Krise gelten die Clubs offenkundig vor allem als Brutstätten des Virus und als ein Luxus, den wir uns derzeit nicht leisten können. Thüringen hat soeben verkündet, dass nur noch drei Arten von Betrieben geschlossen bleiben: Bordelle, Swinger-Clubs und Diskotheken.

Das Virus macht vergesslich. Vergessen hat man in Berlin, dass Clubs als fester Bestandteil der Berliner Kulturszene galten. Vergessen hat man das hohe Lob der „Clubkultur“ in Berliner Sonntagsreden und Tourismusbroschüren. Vergessen hat man, dass das Berliner Nachtleben einzigartig ist und einen erheblichen Beitrag bei dem Aufschwung der Stadt zu einer echten Weltmetropole geleistet hat.

In der Corona-VO vergessen

Als ob all dies nicht traurig genug wäre: Die Berliner Corona-Verordnung wird mit jeder Lockerung nicht kürzer, sondern länger. Für Gaststätten gab und gibt es ausführliche Regelungen, für die Clubs gibt es nur ein Verbot. Clubbetreibern mit Veranstaltungsräumen und Biergärten berichten, dass sie darum kämpfen müssen, Hochzeiten auszurichten und Außenbereiche als Restaurantbetriebe zu öffnen. Eine klare Regelung, was den Clubbetreibern erlaubt ist, hat man in der ellenlangen Berliner Corona-Verordnung vergessen. Und ein Gastronom musste sich in der Stadt, die keine Sperrstunde kennt, für seine Branche jüngst vor Gericht das Recht erkämpfen, nicht bereits um 23 Uhr die Türen schließen zu müssen.

Verwirrung bei den Theatern

Den Betreibern privater Theater und Spielstätten geht es leider nicht viel besser. Veranstaltungen mit bis zu 150 Personen sind zwar in Berlin seit Anfang Juni wieder erlaubt. Dass dies auch für Theater, Konzerthallen und Galerien gilt, hat man in der Corona-Verordnung jedoch nicht klargestellt. In der Kulturszene herrscht Verwirrung über die neuen Regelungen. Anders als in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen hat keine der bekannten Berliner Spielstätten bislang von den neuen Öffnungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht.

In einer Pressemitteilung bemühte sich die Berliner Kulturverwaltung Ende Mai um Aufklärung über die neuen Regeln, wirkte dabei aber vor allem ängstlich und kleinlaut. Viel war von Hygiene, Open Air und der „epidemiologischen Lage“ die Rede und nur wenig von einer Öffnung der Spielstätten. Keine Ermutigung der Theaterbetreiber zur Öffnung ihrer Häuser, sondern eher eine Warnung vor Übermut.

Besonders ärgerlich: Da die Privattheater auf dem Papier ihre Häuser wieder öffnen dürfen, geraten sie bei Dienstleistern und Vertragspartnern in eine rechtlich prekäre Situation. Eine Minderung der Miete wird ebenso erschwert wie eine Verweigerung der Gage für ausgefallenen Veranstaltungen. Die ohnehin sehr angespannte wirtschaftliche Lage der Privattheater wird durch die halbherzig-unentschlossene Politik des Berliner Senats verschärft. All dies geschieht sehenden Auges: Die großen subventionierten Theater, die auf finanzielle Hilfe des Berliner Senats vertrauen dürfen, bleiben per Verordnung bis Ende Juli geschlossen und somit von Forderungen ihrer Dienstleister verschont.

Nach der Fashion Week das Nachtleben?

Die Fashion Week hat Berlin soeben verloren. Wenn nicht bald ein Ruck durch den Berliner Senat geht, ist es auch um die Zukunft Berlins als Kulturstadt und als Weltmetropole des Club- und Nachtlebens schlecht bestellt.