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Mal wieder hat der BGH zu kartellrechtswidrigen Preisabsprachen unter Herstellern geurteilt. Die Entscheidung der Richter hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Automobilindustrie, sondern wird in allen Bereichen des Leasings relevant.

I. Was ist genau vorgefallen

Gegenstand des Verfahrens waren mehrere Leasing- und Mietkaufverträgen die zwischen der Klägerin, einem mittelständigen Händler im Baustoffsegment, und der Daimler AG über LKW von Daimler und anderen Herstellern. Nachdem die europäische Kommission im Juli 2016 feststellte, dass Daimler und mindestens vier weiteren Hersteller (MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF) seit den 1990er Jahren bis mindestens 2011 unter anderem Preise, Preiserhöhungen und den Zeitplan für die Einführung von Emissionstechnologien im LWK Bereich abgesprochen hatten, machte die Klägerin gegenüber Daimler einen Schadensersatzanspruch geltend.

Die Klägerin war der Auffassung, dass ihr ein Schadensersatz gegen die am Kartell beteiligte Beklagte Daimler AG nicht nur bezüglich der zwischen ihr und der Daimler AG bestehenden Verträge zustand, sondern auch für Verträge mit anderen Leasinggebern. Sie war insoweit der Auffassung, dass sich die Absprachen des sog. LKW-Kartells nicht nur auf die Preise der kartellbeteiligen Unternehmen ausgewirkt haben, sondern – zumal die Kartellbeteiligten zu den führenden Herstellen von LKW im Europäischen Wirtschaftsraum gehören – auch auf die Preisgestaltung der nicht beteiligten Unternehmen Auswirkungen hatten.

II. Die Entscheidungsgründe des BGH

Der BGH (Urteil vom 05.12.2023; Az. KZR 46/21) hat dabei festgestellt, dass die Klägerin generell von dem Kartell betroffen war. Dafür war – nach der ständigen Rechtsprechung im Kartellrecht – nicht erforderlich, dass die Klägerin eine konkret-individuelle Betroffenheit nachweisen konnte; sondern es genügte, dass es generell Preisabsprachen des Kartells gab und somit das Verhalten des Kartells geeignet war einen Schaden zu begründen.

Dabei bestätigte der BGH seine vorherige Rechtsprechung zum selben Kartell, dass neben den Verträgen über Fahrzeuge des Kartells auch Verträge mit anderen Herstellern unmittelbar oder mittelbar einen Schaden begründen. Nach Auffassung des BGH genügt es, dass die Fahrzeuge auf den Grundmodellen („Ecktypen“) aufbauten, deren Listenpreise Gegenstand der Absprachen waren, da die durch das Kartell bewirkte Verfälschung der Bedingungen des Marktgeschehens damit jedenfalls geeignet war, sich auf die individuellen Transaktionspreise für Fahrzeuge der Kartellbeteiligten auszuwirken. Die kartellbedingte Preiserhöhung ist nicht nur dazu geeignet, den entsprechenden Kaufpreis zu beeinflussen, sondern auch die Höhe von Leasing- oder Mietkaufraten, da bei gewerblichen Nutzungs- und Finanzierungsverträgen typischerweise ein Zusammenhang zwischen dem Anschaffungspreis eines Wirtschaftsguts und der Höhe des dafür zu entrichtenden Nutzungsentgelts besteht.

Der BGH entschied insoweit auch, dass die Entscheidung des OLG, das der Klägerin gegen die Daimler AG dem Grunde nach einen Schadensersatz zugesprochen hat, nicht deshalb angreifbar ist, nur weil das OLG den Erfahrungssatz herangezogen hat, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Nach dem BGH macht es insoweit keinen Unterschied, dass das Kartell sich nicht über die von Endkunden zu zahlenden Preise, sondern nur über Listenpreise geeinigt hat. Listenpreise bildeten typischerweise den Ausgangspunkt der Preisgestaltung und wirkten sich dadurch notwendig auf die zu zahlenden Transaktionspreise aus.

Da die Leasing- und Mietkaufverträge auf die vollständige Deckung des jeweiligen Anschaffungspreises gerichtet waren, folgt nach dem BGH zudem, dass auch die von der Klägerin zu zahlenden Leasing- und Mietkaufentgelte kartellbedingt überhöht waren. Der BGH stellte zudem fest, dass dem Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, angesichts der Schwere und der Dauer des Kartellverstoßes sowie der Marktabdeckung der Kartellbeteiligten im Europäischen Wirtschaftsraum ein erhebliches Gewicht in der Gesamtabwägung zukommt.

III. Auswirkungen des Urteils

Der BGH hat mit seiner Entscheidung erneut die Rechte der Kartellbetroffenen auf allen Ebenen gestärkt und insbesondere für Märkte und Produkte in denen vor allen Leasingverträge ein erhebliches Gewicht haben, wird das Urteil – wie die auch vorherigen Entscheidungen zum LKW-Kartell – in Zukunft richtungsweisend sein. Dies betrifft nicht nur die Automobilbranche, sondern auch andere Produkte die klassischerweise geleast werden; von industriellen und agrarwirtschaftlichen Maschinen, über Geräte der Medizintechnik bis hin zur klassischen Office IT und Hardware.