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In seinem Urteil 14 U 503/23 hat das OLG Dresden entschieden, dass ein DNS-Resovler-Dienst nicht aus §§ 97 Abs. 1, 15, 19a UrhG wegen täterschaftlicher öffentlicher Widergabe für das Zugänglichmachen potentiell rechtsverletzender Inhalte hafte, weil ihm zwar eine kausale, nicht aber die erforderliche zentrale Rolle zukomme. Damit schloss sich das OLG Dresden dem kürzlich ergangenen Urteil des OLG Köln zu dem Anbieter Cloudflare an. Das OLG Köln hatte ebenfalls die Haftung eines DNS-Resolvers mangels zentraler Rolle verneint und eine täterschaftliche Haftung allein für den CDN-Dienst bejaht.

Hintergrund

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Tonträgerherstellerin, die die Beklagte, Anbieterin eines Domain Name Systems (DNS) Resolver, wegen einer öffentlichen Wiedergabe eines Tonträgers auf Unterlassung in Anspruch nahm. Dies, weil die Beklagte ihren Nutzern einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung gestellt habe, der spezifische Domains in numerische IP-Adressen übersetzt, so dass es den Nutzern mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich war, den Internetdienst unter der jeweiligen Domain zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrig gespeicherte Kopien des eben erwähnten Musikalbums aufzurufen. Dass der Tonträger rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, weil durch die Verlinkung ein neues Publikum erreicht wurde, an das der Urheber nicht gedacht hatte (vgl. EuGH GRUR 2016, 1152 Rn. 41 ff. – GS Media), war in dem Verfahren relativ unstreitig. Es ging lediglich um die konkrete Rolle der Beklagten in dem Vorgang der öffentlichen Zugänglichmachung.

Das LG Leipzig hatte die Beklagte auf Unterlassung verurteilt. Hiergegen wandte sich die Beklagte in der Berufung mit der Begründung.

Die Entscheidung

Das OLG Dresden hat der Berufung der Beklagten stattgegeben. Die Beklagte sei weder als Täterin noch als Teilnehmerin nach §§ 97 Abs. 1, 15, 19a, 85 UrhG für die Rechtsverletzung verantwortlich. Die Beklagte betreibe weder selbst die Webseite, über die der Tonträger heruntergeladen werden konnte, noch habe sie die Verlinkung zu dem Speicherplatz eingestellt. Sie hafte aber auch nicht deshalb wegen täterschaftlicher öffentlicher Wiedergabe, weil sie den Zugriff nach einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung nicht unverzüglich gesperrt habe.

Zwar ermögliche der DNS-Resolver der Beklagten dem Internetnutzer den Zugang zu den Hyperlinks, durch welche die Kopien des Musikalbums für die Nutzer aufrufbar werden und sei damit kausal für die Rechtsverletzung. Dennoch ergebe sich daraus nicht ohne weiteres auch die vom EuGH geforderte zentrale Rolle. Der DNS-Resolver helfe dem Internetnutzer beim sog. DNS-Lookup dabei, Domainnamen in numerische IP-Adressen aufzulösen. Der DNS-Resolver startet die Abfragefolge, die schließlich dazu führt, dass die vom Nutzer angefragte URL in die benötigte IP-Adresse übersetzt wird. Erst dieser DNS-Lookup ermöglicht dem Internetnutzer, der die IP-Adresse der Domain unbekannt ist, den Zugang zur Seite und ist deshalb unverzichtbar. Hypothetische Kausalverläufe, einen anderen DNS-Resolver zu nutzen, stünden der Kausalität nicht entgegen, so das OLG Dresden.

Aus dieser kausalen ergäbe sich jedoch nicht ohne weiteres auch eine zentrale Rolle des DNS-Resolvers. Nach Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2001/29/EG stelle „die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken“ keine Wiedergabe dar (EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 79 – YouTube und Cyando).
Zu der Rolle der Beklagten führte das OLG Dresden aus:

Im Streitfall stellen die Nutzer der Beklagten rechtsverletzende Inhalte für die öffentliche Zugänglichmachung nicht zur Verfügung, sondern fragen sie allenfalls ab. Die Beklagte speichert diese Inhalte nicht. Sie übermittelt auch nicht solche Inhalte, sondern nur die Domain-Anfrage eines Nutzers und die IP-Adresse des Servers, auf dem diese Inhalte eventuell gespeichert sind. Diese Übermittlung veranlasst sie nicht, ebenso wenig wie sie den Adressaten und die Inhalte der Informationen auswählt. Ihr kommt nicht nur im Vergleich zu derjenigen, die die Rechtsverletzung selbst begangen (Betreiber der Internetseite) oder durch die Erbringung von Dienstleistungen zu ihr beigetragen haben (Hostprovider), eine weniger zentrale Rolle zu (BGH GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperre). Auch im Verhältnis zum Internet-Zugangsanbieter (AccessProvider), der außerhalb des erweiterten Haftungsregimes des UrhDaG selbst keine öffentliche Wiedergabe vornahm, ist der DNS-Provider noch weiter von der Rechtsverletzung entfernt, da er keine rechtsverletzenden Inhalte übermittelt. Eine zentrale Rolle für die Vornahme von Rechtsverletzungen im Internet ergibt sich für die Beklagte demnach nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin entschied das Gericht außerdem, dass § 8 Abs. 1 TMG den DNS-Resolver als Angebot von Vermittlungsdiensten im Sinne von § 2 Nr. 1 TMG freistelle und die Beklagte auch deshalb nicht als Störerin hafte. Dies ließe sich jedenfalls auch anhand der Haftungsprivilegierung von Art. 4 des ab 17.02.2024 geltenden Digital Services Act (DSA) begründen.

Letztlich blieb auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine DNS-Sperre nach § 7 Abs. 4 S. 1 TMG für die Klägerin erfolglos. Laut Ansicht des Gerichts habe die Klägerin die Unzumutbarkeit weiterer Bemühungen oder die Aussichtslosigkeit einer vorrangigen Inanspruchnahme der unmittelbaren Verletzter, Webseitenbetreiber oder Hostprovider, nicht detailliert dargelegt.

Ausblick

Durch das Urteil des OLG Dresden festigt sich die Rechtsprechung zu der Rolle der Intermediäre um Urheberrechtsverletzungen. Die Sorge der Kritiker, dass eine uferlose undifferenzierte Haftung umsichgreifen würde, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Das OLG Dresden und das OLG Köln haben sauber differenzierend die unterschiedlichen Rollen der Intermediäre untersucht und nachvollziehbare und praktikable Haftungsgrundsätze geschaffen. Siehe hierzu auch meinen Kommentar in der K&R 2024, 136-137 (Paywall).