Mit dem Urteil vom 1.8.2023 erweitert das OLG Nürnberg (3 U 2910/22 ) die Haftung von Plattformbetreibern auf von Dritten eingestellte urheberrechtswidrige Inhalte, wenn der Plattformbetreiber nach Kenntnis von rechtswidrigen Angeboten nicht unverzüglich tätig wird.
Ein Foto der Manhatten Bridge…
Nachdem der Rechteinhaber entdeckte, dass ein von ihm ersteltes Foto der Manhattan Bridge von einem Verkäufer auf einer Handelsplattform verwendet wurde, machte er den Online-Marktplatz hierauf aufmerksam und forderte u.a. die Löschung des Angebots. Als die Plattform der Aufforderung nicht nachkam und der Rechteinhaber noch weitere Angebote entdeckte, in denen sich sein Foto fand, erhob er Klage.
Haftung des Plattformbetreibers
Hieraufhin verurteilte das Gericht die Plattformbetreiberin als Täterin für Urheberrechtsverletzungen der jeweiligen Verkäufer auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz, weil sie auch nach der Abmahnung des Rechteinhabers nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um zukünftige Rechtsverletzungen zu unterbinden.
In seiner Entscheidung überträgt das Gericht die insbesondere zu YouTube ergangene Rechtsprechung von Europäischem Gerichtshofes und Bundesgerichtshofs zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe.
Wie der EuGH versteht das OLG Nürnberg den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ (vgl. § 15 Abs. 2 UrhG) weit und fasst darunter nicht nur den Upload als unmittelbare Wiedergabehandlung, sondern auch mittelbare Handlungen wie den Betrieb von Plattformen (mittlerweile ständige Rechtsprechung EuGH vom 22.6.2021, Az. C‑682/18 und C‑683/18, Rn. 77 ff. – YouTube und uploaded).
Sodann beruft sich das Nürnberger Gericht auf den Bundesgerichtshof, der eine Haftung derartiger Intermediäre als Täter auch bei der Verletzung von Verkehrspflichten im Urheberrecht (BGH vom 2.6.2022, Az. I ZR 140/15 – YouTube II) bejaht und eine Haftung als Täter und nicht bloß als Störer annimmt (BGH vom 2.6.2022, Az. I ZR 135/18, Rn. 42 – uploaded III). Auf die Haftungsprivilegierung, die in der – der Umsetzung des Art. 14 Abs. 1 RL 2000/31/EG dienenden – Vorschrift des § 10 TMG vorgesehen ist, kann sich der täterschaftlich haftende Plattformbetreiber dabei nicht berufen (vgl. BGH vom 2.6.2022, Az. I ZR 135/18 Rn. 50– uploaded III).
Verkaufsplattform ist wie ein Sharehoster zu behandeln
Das OLG sieht keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer Video- oder Sharehosting-Plattform und einer Verkaufsplattform. Wie bei den ersten beiden Plattformen sei eine Haftung der Verkaufsplattform gegeben, wenn sie zum einen auf eine Urheberrechtsverletzung hingewiesen worden sei und es zum anderen (pflichtwidrig) unterlassen habe, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren und Vorsorge zu treffen, dass es nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen komme. Die Verkaufsplattform hafte daher als Täterin für die schuldhafte Verletzung von Verkehrspflichten nach § 276 Abs. 2 BGB, weil sie trotz eines Hinweises nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um den Zugang zu dem Lichtbild und kerngleiche Verletzungshandlungen zu verhindern.
Weil (erst), dass Untätigbleiben auf den hinreichenden Hinweis des Rechteinhabers haftungsbegründend ist, kann der Kläger zwar Unterlassung, Schadenersatz und Auskunft verlangen – nicht jedoch Ersatz der Abmahnkosten.
Drei Fallgruppen der Plattformhaftung
Vorliegend hat sich das OLG auf die Fallgruppe „nicht Tätigwerden nach Kenntnis“ bezogen, um eine täterschaftliche Haftung zu begründen. Der EuGH nimmt eine täterschaftliche Haftung des Plattform-Betreibers aber auch noch in folgenden Konstellationen an:
- Der Plattformbetreiber weiß oder müsste wissen, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden und er ergreift nicht die geeigneten technischen Maßnahmen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen;
- Der Betreiber ist an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt, er bietet auf seiner Plattform Hilfsmittel an, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder er fördert ein solches Teilen wissentlich, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
Der Digital Services Act kommt und Sie sollten vorbereitet sein
Vor diesem Hintergrund und auch mit Blick auf den strengeren Haftungsrahmen des Digital Service Acts sollten Plattformbetreiber über ein schnelles und effizientes Notice-and-Take-Down-Verfahren verfügen, um berechtigten Unterlassungsbegehren unverzüglich nachkommen zu können. Daneben sollten sie immer auch prüfen, welche systemimmanenten Risiken ihre Plattform mit sich bringt und welche angemessenen technischen Maßnahmen ergriffen werden können, um Urheberrechtsverletzungen wirksam zu begegnen.
Fragen Sie unser Digital Team gern, wenn Sie wissen wollen, ob Ihre Plattform den strengen Vorgaben des DSA genügt.