Was müssen Plattform zum Schutz des Urheberrechts alles beachten und welche Maßnahmen müssen sie dazu ergreifen? Das LG München I urteilte, dass Urheberinnen und Urheber jedenfalls nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Schadensersatz kann es dann noch oben drauf geben.
Das LG München I hatte in seiner Entscheidung (Urteil vom 9.2.2024 – 42 O 10792/22) einen Streit zwischen der bekannten Plattform TikTok und einem Filmproduktionsunternehmen zu entscheiden. Auf TikTok wurden Filme des Unternehmens durch Dritte unberechtigt hochgeladen. Das Unternehmen hat TikTok darauf hingewiesen und angeboten, die Filme kostenpflichtig zu lizensieren. Die beiden Parteien verhandelten dann lange erfolglos miteinander. Das taten sie dank TikToks Verhandlungsstrategie, bis es zu Gericht ging.
In der Verzögerungstaktik hat das LG München I einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) gesehen. Danach sind Diensteanbieter i. S. d. UrhDaG – wie TikTok oder YouTube, etc.– verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Denn für die öffentlichen Wiedergaben auf ihren Plattformen sind die Diensteanbieter nach § 1 Abs. 1 UrhDaG urheberrechtlich verantwortlich.
Dieser Pflicht wird im Lichte des Art. 17 der RL 2019/790/EU nicht hinreichend nachgekommen, wenn Diensteanbieter bei konkreten Verhandlungsangeboten der Urheberinnen und Urheber über Lizenzvereinbarungen nicht zügig und fair verhandeln. Im konkreten Fall sei nicht zu erkennen gewesen, dass TikTok zu einem interessengerechten Ergebnis gelangen wollte. Im Gegenteil liest sich der Tatbestand so, dass das Filmproduktionsunternehmen innerhalb der Verhandlungen einseitig Informationen zukommen lassen hat, worauf TikTok nur schleppend reagierte. Bestmögliche Anstrengungen waren das laut dem LG München I seitens TikTok nicht.
Auch eine Enthaftung nach § 1 Abs. 2 UrhDaG kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Das LG München I statuierte, dass Diensteanbieter die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ erfüllen müssen. Eine einfache oder qualifizierte Blockierung der Inhalte allein reicht damit nicht aus, um in den Genuss der Enthaftung zu kommen. Denn die Teilhabe der Rechtinhaber – die die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken – würde ins Leere laufen, wenn Diensteanbieter zwischen den Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG wählen könnten. Dann könnten Dienstanbieter nämlich gegen ihre Lizenzobliegenheit verstoßen und sich auf Blockierungsmaßnahmen zurückziehen.
Folglich können Diensteanbieter für die Verbreitung von Inhalten haftbar gemacht werden, wenn dabei gegen Lizenzobliegenheiten verstoßen wird. Rechteinhabern steht gegen Plattformen wie TikToK ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr für die Nutzung ihrer Inhalte zu. Das LG München I stellte fest, dass die Lizenzpraktiken der Plattformen weder öffentlich zugänglich seien (vgl. BT-Drs. 19/27426, 62), noch von der Beklagten im Rahmen des Verfahrens vorgetragen wurden.
Die Klägerin hingegen konnte nachvollziehbar darlegen, dass und weshalb sie eine „per-Stream“-Vergütung auf Grundlage der Tarife der GEMA für die Lizenzhöhe herangezogen hat. Das LG München I sah im vorliegenden Fall eine Lizenzgebühr von 3 € pro 1.000 Aufrufe als verhältnismäßig an.
Soweit also Werke von Urheberinnen und Urhebern auf Plattformen unberechtigt kursieren, sollten sie mit den Plattformen in Verhandlungen treten und konkrete Angebote zur Lizensierung unterbreiten – ggf. unter Orientierung an den Tarifen der Verwaltungsgesellschaften. Wenn die Plattformen auf diese Angebote nicht eingehen und nur zögerlich verhandeln, können die daraus folgenden Ansprüche durchgesetzt werden. Bei der Bestimmung der Tarife sowie der weiteren anwaltlichen Durchsetzung der Ansprüche, helfen wir gerne.
Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig. Die Herleitung des LG München I leuchtet aber insbesondere vor dem Hintergrund der RL 2019/790/EU ein.