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Der BGH hat mit Urteil vom 23.04.2024 – Az. II ZR 99/22 an seine bisherige Rechtsprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten angeknüpft und sie um die Entscheidung zur Wirksamkeit einer nachträglichen Verfallsklausel erweitert.

Hintergrund

Der Beklagte war Geschäftsführer bei der Klägerin, einer GmbH.

Gemäß § 6.3 seines Anstellungsvertrags unterlag der Beklagte einem zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Als Entschädigung für dessen Einhaltung wurde vertraglich vereinbart, dass für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Zahlung von monatlich 50 % der zuletzt bezogenen Monatsbezüge erfolgen soll. In § 6.6 dieses Vertrages wurde außerdem vereinbart, dass ein Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot dazu führt, dass die Karenzentschädigung ex tunc, also rückwirkend, wegfällt und in diesem Fall bereits ausgezahlte Teile der Karenzentschädigung an die beklagte GmbH zurückzuzahlen sind.

Der Beklagte wurde dann als Geschäftsführer der Klägerin abberufen, die Gesellschafter widersprachen einer Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses und erklärten vorsorglich die ordnungsgemäße Kündigung. Die Klägerin zahlte an den Kläger keine Karenzentschädigung.

Der Beklagte wurde dann bei einem Konkurrenzunternehmen als Geschäftsführer tätig.

Auf die Klage der Klägerin erhob der Beklagte Widerklage, mit der er die Karenzentschädigung samt Zinsen begehrte. Erstinstanzlich wurde die Widerklage vom Landgericht Berlin abgewiesen. In zweiter Instanz änderte dann das Kammergericht Berlin die Entscheidung ab und gab der Widerklage teilweise statt.

 

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt: Er hat entschieden, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und auch der rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung wirksam sind.

 

1. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gem. § 6.3 des Anstellungsvertrags ist wirksam.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertragspartner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner zu schützen. Sie sind nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten. Ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot diesen Anforderungen entspricht, ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks, zu beurteilen.

Das Berufungsgericht habe im vorliegenden Fall unter Anwendung dieser Grundsätze entschieden, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wirksam sei. Rechtsfehler seien nicht zu erkennen.

Der BGH weist zudem darauf hin, dass eine Anspruchsgrundlage für die Karenzentschädigung im Übrigen entfallen würde, wenn man von der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots ausginge.

 

2. Der gem. § 6.6 des Anstellungsvertrags geregelte nachträgliche Entfall der Karenzentschädigung belaste den Beklagten auch nicht unbillig.

Es stehe den Parteien frei, ob sie einen rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung für den Fall, dass gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen wird, vereinbaren oder nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Senats muss dem Geschäftsführer einer GmbH, mit dem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, keine Karenzentschädigung, dessen Höhe frei vereinbart werden könnte, versprochen und später gezahlt werden.

Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht, denn die Regelung stelle auch keine Konsequenz für das Wettbewerbsverbot im Fall einer Pflichtverletzung des Klägers dar. Es erschließe sich bereits nicht, welche Pflichtverletzung der Kläger im Gleichbehandlungsinteresse sanktionierungsbedürftig sein solle.

Die Karenzentschädigung sei auch nicht erkennbar als Einkommensersatzleistung ausgestaltet, die dem Beklagten billigerweise nicht rückwirkend genommen werden dürfe, denn es war der Klägerin nach dem Vertrag erlaubt, einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten.

Zudem habe das Berufungsgericht, indem es isoliert den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung für unwirksam erachtet habe, in der Sache eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion des in § 6 Nrn. 3 und 6 des Anstellungsvertrags geregelten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vorgenommen.

Dabei habe es zum einen verkannt, dass im Wege der geltungserhaltenden Reduktion ausschließlich ein die zeitlichen Schranken übersteigendes Wettbewerbsverbot auf das noch zu billigende zeitliche Maß zurückgeführt werden kann. Unter anderem widerspreche eine weitergehende geltungserhaltende Reduktion dem mit § 138 BGB verfolgten Zweck, den Betroffenen das Risiko der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung zuzuweisen.

Zum anderen wäre auch bei Nichtigkeit nur des rückwirkenden Wegfalls der Karenzentschädigung entsprechend § 139 BGB im Zweifel das gesamte nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinfällig. Denn das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass die Parteien das Wettbewerbsverbot auch ohne die Verfallsregelung vereinbart hätten.

Die Klägerin verstoße auch nicht gegen § 242 BGB, indem sie sich auf den rückwirkenden Entfall der Karenzentschädigung beruft, obwohl sie diese nicht gezahlt habe. Ein solcher Verstoß könne allenfalls bei einer ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung zu bejahen sein, da dieses Verhalten den Beklagten quasi zur Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit herausgefordert hätte.

 

Praxishinweis

Die Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung des BGH um die Wirksamkeit einer nachträglichen Verfallklausel dürfte bewirken, dass in Zukunft zunehmend in Anstellungsverträgen von Geschäftsführern eine solche Klausel verwendet werden wird.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der BGH in der vorliegenden Entscheidung nicht damit beschäftigen musste, ob die nachträgliche Verfallsklausel gegen § 309 Nr. 6 BGB, der Vertragsstrafen betrifft, verstößt, denn das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass es sich bei dem Wettbewerbsverbot nicht um AGB im Sinne von § 305 BGB handelt.

Entgegen des vorliegenden Falles, dürfte in einer solchen Konstellation jedoch eine AGB-Kontrolle erforderlich sein, denn Anstellungsverträge werden in der Regel formularmäßig gestellt.

Ob die nachträgliche Verfallklausel mit der Wertung von § 309 Nr. 6 BGB vereinbar ist, erscheint zweifelhaft, denn bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kommt ihr ein strafender Charakter zu, der mit § 309 Nr. 6 BGB schwer vereinbar ist (Denninger, NZG 2024, 1077).

Für die Praxis, in der Anstellungsverträge für Geschäftsführer gewöhnlich formularmäßig gestellt werden, hat das Urteil des BGH mithin keine Neuerungen mit sich gebracht. Es bleibt folglich abzuwarten, ob an ein Wettbewerbsverbot geknüpfte nachträgliche Verfallklauseln, einer AGB-Kontrolle standhalten.