Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wurde im Juli 2021 die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, kurz EAA) in nationales Recht überführt. Bis zum 28. Juni 2025 müssen private Wirtschaftsakteure bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anbieten. Die Pflichten, die Hersteller, Händler, Importeure und Dienstleistungsanbieter treffen, sind umfangreich. Neben den spezifischen Vorgaben für betroffene Produkte, steht vor allem der Begriff der elektronischen Dienstleistung im Fokus. Denn dieser betrifft vordergründig den E-Commerce-Bereich.
Welche Auswirkungen dies auf Unternehmenswebseiten, den Online-Shop oder Online-Marktplätze hat, ist das zentrale Thema unserer FAQs zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz.
Wenn Sie konkrete Fragen haben, die hier nicht beantwortet werden, setzen Sie sich gern mit uns in Verbindung.
FAQ zum BFSG
- Wen betrifft das Gesetz?
- Wen betrifft das Gesetz nicht?
- Gelten die Anforderungen nur im B2C- oder auch im B2B-Bereich?
- Gibt es eine Übergangsfrist zur Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen?
- Welche Produkte sind betroffen?
- Welche Anforderungen gelten für Produkte?
- Welche Dienstleistungen sind betroffen?
- Was sind Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr?
- Gilt das BFSG auch für kostenfreie Leistungen?
- Welche Pflichten treffen Online-Händler?
- Was heißt Barrierefreiheit für die Unternehmenswebseite?
- Was heißt Barrierefreiheit für Online-Marktplätze?
- Muss ein Community-Forum einer Webseite barrierefrei sein?
- Kann man zwischen Online-Shop und rein informatorischen Seiten (z.B. Blogs) unterscheiden?
- Gilt das BFSG auch für Vertragsverlängerungen und Upgrades?
- Ist es denkbar, dass das BFSG auch auf E-Mails Anwendung findet?
- Muss der Bezahlvorgang barrierefrei gestaltet sein?
- Gilt das BFSG für die Online-Services selbst?
- Gilt das BFSG für Produktvideos die vor dem 28.6.2025 veröffentlicht wurden?
- Müssen Unterstützungsdienste (z.B. Helpcenter) barrierefrei sein?
- Kann ich als Unternehmer für eingebettete Drittinhalte in Verantwortung gezogen werden?
- Müssen Live-Streaming-Events oder Webinare den Barrierefreiheitsanforderungen genügen?
- Müssen Kundenbewertungen von externen Plattformen barrierefrei zugänglich gemacht werden?
- Wie wird die Einhaltung des BFSG überprüft?
- Werden Verstöße gegen das BFSG abmahnfähig sein?
- Ich habe konkrete Frage, an wen kann ich mich wenden?
Wen betrifft das Gesetz?
Das BFSG betrifft alle Hersteller, Händler und Importeure der in § 1 Abs. 2 BFSG erfassten Produkte und die Erbringer der in Abs. 3 genannten Dienstleistungen.
Wen betrifft das Gesetz nicht?
Kleinstunternehmen (also Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanzsummer von höchstens 2 Millionen Euro –> § 2 Nr. 17 BFSG), die Dienstleistungen anbieten oder erbringen, sind nach § 3 Abs. 3 BFSG nicht vom BFSG erfasst. Kleinstunternehmen, die die in § 1 Abs. 2 genannten Produkte in den Verkehr bringen, müssen sich dagegen an die neuen Vorgaben halten.
Gelten die Anforderungen nur im B2C- oder auch im B2B-Bereich?
Das BFSG gilt nur im B2C-Bereich. Es regelt die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, die von Verbrauchern genutzt werden. Dienstleistungen die ausschließlich im B2B-Sektor angeboten werden, sind nicht vom BFSG betroffen. Besteht aber für Verbraucher nur die Möglichkeit, die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, handelt es sich um eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern und das BFSG findet Anwendung. Wer das ausschließen möchte, sollte deutlich machen, dass Verträge nur mit Unternehmern geschlossen werden und auch eine gewisse Vorsorge dafür treffen, dass Privatkunden nicht bestellen können.
Gibt es eine Übergangsfrist zur Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen?
Grundsätzlich nein! Das Gesetz ist seit 2021 in Kraft und lange bekannt. Die Wirtschaftsakteure müssen die betroffenen Produkte und Dienstleistungen also bis zum 28. Juni 2025 barrierefrei in den Verkehr bringen bzw. anbieten. Nach § 38 BFSG gibt es lediglich für einige Produkte und Dienstleistungen verlängerte Übergangsfristen.
Welche Produkte sind betroffen?
Nach § 1 Abs. 2 BFSG fallen unter anderem folgende Produkte unter das BFSG
- Hardwaresysteme für Verbraucher
- Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone
- Selbstbedienungsterminals
- Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-In-Automaten, interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen
- Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste
- Router
- Verbraucherendgeräte für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten
- Smart-TV
- E-Book-Reader
- Bedienungsanleitungen
Welche Anforderungen gelten für Produkte?
Ab dem 28. Juni sind mit vollständigem Inkrafttreten des BFSG nur noch Produkte in Verkehr zu bringen, wenn sie:
- den vorgeschriebenen Barrierefreiheitsanforderungen genügen
- das Konformitätsverfahren durchlaufen haben
- mit einer EU-Konformitätserklärung ausgestattet sind
- eine CE-Kennzeichnung aufweisen.
Welche Dienstleistungen sind betroffen?
Nach § 1 Abs. 3 BFSG fallen unter anderem folgende Dienstleistungen unter das BFSG:
- Telekommunikationsdienste
- bestimmte Elemente von Personenbeförderungsdiensten
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- E-Books und hierfür bestimmte Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
Was sind Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr?
Betroffen sind Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, also digitale Dienste nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden (§ 2 Nr. 26 BFSG) . Zentrales Merkmal ist hierbei das Hinwirken auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags. Welche Produkte (Waren oder Dienstleistungen) im Shop angeboten werden, ist für die Anwendbarkeit irrelevant.
Gilt das BFSG auch für kostenfreie Leistungen?
Gem. § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG gilt das Gesetz für Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Erforderlich ist ein Verbrauchervertrag. Verbrauchervertrag ist in § 310 Abs. 3 BGB definiert als Vertragsschluss zwischen Unternehmer und Verbraucher. Nicht Voraussetzung des Verbrauchervertrags ist, dass der Verbraucher eine entgeltliche Leistung erwirbt. Vielmehr soll das BFSG offenbar auch bei kostenfreien Leistungen gelten, solange ein Vertrag geschlossen wird.
Im Falle einer unentgeltlichen Registrierung auf einer Webseite kommt ein Verbrauchervertrag zustande, sofern auch Verbrauchern die Möglichkeit zur Registrierung eröffnet wird. Sign-Up-Pages müssen also barrierefrei sein. Das gleiche gilt für die Registrierungsmöglichkeit innerhalb einer mobilen App.
Welche Pflichten treffen Online-Händler?
E-Commerce-Händler müssen nicht nur die eigene Website barrierefrei gestalten, sondern auch
- in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (oder anderenorts auf der Website) einen Hinweis auf die Barrierefreiheitsanforderungen aufnehmen und
- Produkte, die unter § 1 Abs. 2 BFSG fallen und barrierefrei sein müssen, erst auf dem Markt bereitstellen, wenn:
- das Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist
- dem Produkt eine leicht verständliche deutschsprachige Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt sind
- der Hersteller seine Kennzeichnungspflichten erfüllt hat und
- Pflichtangaben zum Einführer angebracht wurden.
Insbesondere Händler, die Elektronik verkaufen, müssen sich also von der Einhaltung der oben aufgeführten Vorgaben an die Hersteller und Importeure überzeugen, bevor sie Produkte auf den Markt bringen.
Bei Kenntnis von Non-Konformität eines Produkts, muss
- der Verkauf beendet werden
- unverzüglich der Hersteller oder Einführer informiert werden und
- unverzüglich die Marktüberwachungsbehörden informiert werden
Was heißt Barrierefreiheit für die Unternehmenswebseite?
Das BFSG findet nicht auf alle Webseiten eines Unternehmens Anwendung. Erfasst sind nur solche, die eine Vertragsschlussmöglichkeit bieten und somit eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr darstellen. Dazu zählen vor allem Online-Shops und auch Online-Marktplätze. Entscheidend ist, dass die Website auf den Abschluss eines Vertrags hinwirkt. Das kann durchaus eine Terminbuchung bei einem Friseur oder Arzt sein. Theoretisch denkbar ist auch, dass der Vertrag erst offline geschlossen wird. Dafür muss die Website den Vertrag aber schon so konkret vorbereiten, dass der Offline-Vertragsschluss nur noch Formalie ist. Eine bloße Werbung fällt eindeutig nicht in den Anwendungsbereich.
Bei Webseiten, die sowohl Informationsinhalte als auch Funktionen für den Vertragsschluss bieten (hybride Webseiten), greift das BFSG nur auf die Bestandteile, die im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Verbrauchervertrags stehen. Dabei sind alle Elemente der Webseite erfasst, die letztlich auf den Verkauf abzielen. Webseiten können also grundsätzlich teilbar sein. Insbesondere Blogs oder reine Produktpräsentationen ohne direkte Verkaufsmöglichkeit fallen aus dem Anwendungsbereich heraus. Dabei reicht ein allgemeiner Link in den Online-Shop des Websitebetreibers auf einer anderen Domain nicht aus.
Was heißt Barrierefreiheit für Online-Marktplätze?
Der Betreiber des Online-Marktplatzes muss sicherstellen, dass die Plattform den Anforderungen des BFSG als Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr entspricht. Er trägt die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards. Der Händler kann jedoch ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden, wenn er seine Produkte auf einem Marktplatz vertreibt, der nicht barrierefrei ist – insbesondere dann, wenn der Händler von der mangelnden Barrierefreiheit Kenntnis hat. Dies ergibt sich aus dem Verhältnis „Händler-Hersteller“ gemäß § 11 Abs. 2 BFSG.
Muss ein Community-Forum einer Webseite barrierefrei sein?
Es kommt drauf an…
Ein Community-Forum muss barrierefrei sein, wenn es darauf abzielt, den Abschluss eines Verbrauchervertrags zu fördern, da es dann als Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr gilt. Entscheidend ist, ob der Hauptzweck des Forums darin besteht, Nutzer zum Vertragsabschluss zu führen. Wenn das Forum hauptsächlich dazu dient, Inhalte bereitzustellen, den Austausch zu fördern und nicht direkt auf den Verkauf oder Vertragsabschlüsse ausgerichtet ist, fungiert es nicht primär als Verkaufsplattform. In solchen Fällen steht der Community-Gedanke im Vordergrund, und ein direkter Bezug zu einem Verbrauchervertrag ist nicht gegeben. Ist das Forum jedoch Teil eines Kundenakquisitionsprozesses oder dient dazu, die Funktionen eines Produkts zu demonstrieren, kann es als Plattform für den Vertragsabschluss verstanden werden und muss barrierefrei sein.
Kann man zwischen Online-Shop und rein informatorischen Seiten (z.B. Blogs) unterscheiden?
Ja. Das BFSG wird für alle Webseiten Geltung haben, über die Verbraucher Verträge schließen können. Es geht dabei ausdrücklich nicht um die Leistung selbst, sondern den Bestellprozess im Internet. Dabei findet das BFSG nicht automatisch auf die gesamte Webseite Anwendung. Vielmehr muss bei abgrenzbaren Teilen der Webseite danach differenziert werden, ob der jeweilige Bestandteil im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchvertrags erbracht wird. Alle Elemente der Webseite, die letztlich auf den Verkauf von Leistungen an Verbraucher abzielen, müssen barrierefrei sein. Je enger die jeweilige Information mit dem Verkaufsprozess verbunden ist, umso eher gelten die Anforderungen des Gesetzes. Für Service-Leistungen, die sich in erster Linie an bestehende Kunden richten und nicht den Verkauf weiterer Produkte zum Ziel haben, gelten die neuen Vorgaben dagegen nicht.
Es ist daher möglich, zwischen einem Online-Shop und rein informatorischen Seiten wie Blogs zu differenzieren. Informatorische Inhalte, die nicht im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss oder dem Verkaufsprozess stehen, unterliegen nicht den Barrierefreiheitsanforderungen des BFSG.
Gilt das BFSG auch für Vertragsverlängerungen und Upgrades?
Ja. Können innerhalb der in Anspruch genommenen Dienstleistung (z. B. ein Portal oder eine App) weitere Verträge geschlossen werden (Upgrades oder Vertragsverlängerungen), gilt das BFSG. Damit sind alle Seiten, in denen Upgrades beworben oder gebucht werden können, vom BFSG erfasst. Dies gilt nicht, wenn diese Zusatzleistungen nur Geschäftskunden offen stehen (z.B. Enterprise-Lösung).
Ist es denkbar, dass das BFSG auch auf E-Mails Anwendung findet?
Ja. Auch bei E-Mails kommt es darauf an, ob sie im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchvertrags erbracht werden. Hierbei ist zu differenzieren:
- Gesetzlich verpflichtende E-Mails (z.B. Bestellbestätigungen oder Rechnungen) werden nicht im Hinblick auf den Abschluss des Vertrages erbracht. Vielmehr werden diese nach Vertragsschluss im Rahmen der Dienstleistungserbringung versendet. Für solche E-Mails gilt das BFSG nicht. Gleiches gilt für Willkommens-E-Mails und Passwort-Resets, die nach Abschluss eines Vertrages versandt werden und keinen weiteren Vertragsschluss im Sinn haben.
- Dagegen können E-Mails, die im Hinblick auf die Änderung von AGB versandt werden als Teil von Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr angesehen werden, weil sich daran ja eine Vertragsänderung anschließen soll.
- Auch E-Mails, die auf mögliche Upgrades oder Cross-Selling-Opportunities hinweisen, müssen im Zweifel barrierefrei ausgestaltet werden.
- Für Marketing-Newsletter kommt es auf die Nähe zum Vertragsschluss an. Werden die Newsletter zum Zwecke des unmittelbaren Sale verkauft, greift das BFSG. Stehen dagegen allgemeine Informationen zum effektiven Arbeiten oder zum Umgang mit Produkten im Vordergrund, wird man nicht davon ausgehen können, dass es sich schon um eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr handelt.
Muss der Bezahlvorgang barrierefrei gestaltet sein?
Ja. Auch der Bezahlvorgang ist als Dienstleistung, die mit der angebotenen Leistung im Zusammenhang steht, umfasst. Sinn des Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderungen eine Teilhabe zu ermöglichen und angebotene Leistungen grundsätzlich in gleicher Weise buchen zu können. Sollte dies für den Bezahlvorgang nicht möglich sein, fehlt es daran.
Gilt das BFSG für die Online-Services selbst?
Nein. Das BFSG gilt nicht direkt für die angebotenen Dienstleistungen selbst, sondern in erster Linie für den Zugang und die Prozesse, über die Verbraucher diese Dienstleistungen oder Produkte in Anspruch nehmen können, insbesondere im Online-Bereich.
Gilt das BFSG für Produktvideos die vor dem 28.6.2025 veröffentlicht wurden?
Produktvideos unterfallen grundsätzlich dem BFSG, da sie als Bestandteil einer Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr zur Förderung eines Verbrauchervertrags dienen. Eine Ausnahme besteht jedoch für „aufgezeichnete zeitbasierte Medien“, die vor dem 28.6.2025 veröffentlich wurden (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 BFSG). Dazu zählen Audio-, Video- und interaktive audiovisuelle Inhalte, sodass auch Produktvideos darunter fallen. Auf einer Website veröffentlichte Videos, die vor dem Stichtag online gestellt und seitdem keine inhaltlichen Änderungen erfahren haben, müssen auch nach dem 28.6.2025 nicht barrierefrei sein. Dies gilt im Ergebnis auch für Videos, die über einen Link in die Website eingebunden werden, wenn sie zuvor anderenorts veröffentlicht wurden.
Wer sich auf die Ausnahme beruft, muss gegebenenfalls nachweisen, dass das Video unverändert bereits vor dem 28.6.2025 veröffentlicht wurde.
Für Produktbilder gilt die Ausnahme jedoch nicht, weil es sich bei Bildern nicht um zeitbasierte Medien handelt.
Müssen Unterstützungsdienste (z.B. Helpcenter) barrierefrei sein?
Nein. Das BFSG gilt nicht für den Dienst und die den Dienst unterstützenden Leistungen selbst, sondern nur für Dienste, die mit Blick auf den Abschluss solcher Dienste erbracht werden. Dies lässt sich auch § 12 Nr. 4 BFSGV entnehmen, in dem Anbieter verpflichtet werden, dass im Fall der Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten (z.B. Help-Desk, Call-Center oder Schulungsdienste) diese Informationen über die Barrierefreiheit enthalten müssen. Selbst Dienstanbieter deren Dienste gem. § 1 Abs. 3 BFSG unter das Gesetz fallen, müssen also keine barrierefreien Supportangebote haben. Eine Verpflichtung, die Hilfsdienste selbst barrierefrei auszugestalten, besteht also nicht.
Ein Helpcenter fällt damit nur unter das BFSG, wenn es ein Dienst im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne von § 2 Nr. 26 BFSG ist. Dazu müsste also das Helpcenter selbst auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages abzielen. Davon kann aber gerade nicht die Rede sein. Denn ein Helpcenter ist in der Regel kostenfrei und auch ohne, dass man einen Vertrag eingeht, nutzbar. Es unterstützt lediglich die Nutzung des Dienstes.
Kann ich als Unternehmer für eingebettete Drittinhalte in Verantwortung gezogen werden?
Ja. Auch wenn Widgets von Drittanbietern stammen, liegt es in der Verantwortung des Unternehmens, sicherzustellen, dass diese Widgets keine Barrieren für Menschen mit Behinderungen darstellen. Da der Unternehmer die Kontrolle über die Inhalte hat, die auf seiner Seite erscheinen, und diese Widgets Teil der Benutzeroberfläche und des Bestellprozesses sein können, muss der Website-Betreiber dafür gerade stehen. Lediglich wenn die Inhalte für den Nutzer erkennbar von Dritten stammen (etwa weil sie nutzergeneriert sind), müssen diese nicht barrierefrei sein (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 4 BFSG).
Müssen Live-Streaming-Events oder Webinare den Barrierefreiheitsanforderungen genügen?
Nein. Wenn die Live-Streaming-Events oder Webinare Leistungsgegenstand sind, gilt das BFSG nicht. Sie sind in diesen Fällen nicht direkt auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags ausgerichtet, sondern dienen der Erfüllung einer bereits abgeschlossenen Leistung. Anders verhält es sich jedoch, wenn das Live-Streaming-Event oder Webinar Teil eines Vertragsanbahnungsprozesses ist, wie etwa bei einer Produktvorstellung oder sonstigen Marketing-Webinaren, die direkt darauf abzielen, einen Verkauf oder eine Vertragsabschlussmöglichkeit zu fördern. Dies gilt nur dann, wenn das Ganze auf einen Verbrauchervertrag gerichtet ist.
Müssen Kundenbewertungen von externen Plattformen barrierefrei zugänglich gemacht werden?
Wohl ja. Kundenbewertungen haben einen Einfluss auf die Kaufentscheidung und gelten damit als Teil der Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr. Shop-Betreiber sind in diesem Fall dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass diese externen Inhalte, darunter Bewertungen von Plattformen wie Trustpilot oder Google, barrierefrei zugänglich sind. Denkbar und im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Ausnahme nach § 1 Abs. 4 Nr. 4 BFSG fruchtbar gemacht werden kann.
Wie wird die Einhaltung des BFSG überprüft?
Für die konkrete Durchsetzung des BFSG sind zwar grundsätzlich die Länder zuständig. Doch sind die Bundesländer in einem Staatsvertrag übereingekommen, die Marktüberwachung zu zentralisieren und haben die Schaffung einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Namen „Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen“ beschlossen. Sitz der Anstalt wird Sachsen-Anhalt sein. Der Staatsvertrag muss in den Bundesländern noch ratifiziert werden. Damit fällt die Aufsicht für den öffentlichen Sektor und die Privatwwirtschaft auseinander.
Die Überprüfung der Barrierefreiheitsstandards erfolgt durch die zuständige Marktüberwachungsbehörde stichprobenartig oder beschwerdebasiert. Dabei wird zwischen einer formalen und einer materiellen Prüfung unterschieden. Bei der formalen Prüfung werden vor allem die eingereichten Dokumente, wie die Konformitätserklärung oder Nachweise zur möglichen Unverhältnismäßigkeit der Barrierefreiheitsanforderungen untersucht. Die materielle Prüfung geht darüber hinaus und überprüft, ob das Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich barrierefrei nutzbar ist, mithin ob die Anforderungen des BSFG in der Praxis umgesetzt wurden.
Das BFSG sieht ein gestuftes Abhilfeverfahren vor, um Verstöße gegen die Barrierefreiheitsanforderungen zu ahnden. Im Falle der Nicht-Konformität erfolgt eine Aufforderung zur Herstellung der Konformität. Kommt der Wirtschaftsakteur dieser Aufforderung nicht nach, können im weiteren Verlauf Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden. In schwerwiegenden Fällen kann es sogar zur Untersagung der Bereitstellung des betroffenen Produkts oder der Dienstleistung kommen.
Werden Verstöße gegen das BFSG abmahnfähig sein?
Es spricht alles dafür, dass Gerichte die Vorgaben des BFSG an die Ausgestaltung von Online-Shops als Marktverhaltensregel ansehen werden. Damit sind solche Verstöße zugleich UWG-Verstöße und können abgemahnt werden. Auch Verbraucher- und Wettbewerbsverbände können Verstöße mit Unterlassungsklagen verfolgen. Zusätzlich klageberechtigt sind Verbände mit einer Anerkennung nach § 15 Abs. 3 BGG. Es ist daher damit zu rechnen, dass einzelne Aspekte der Auslegung des BFSG recht schnell nach dem 28.6.2025 von Gerichten entschieden werden.
Ich habe weitere Fragen, an wen kann ich mich wenden?
Wir beraten derzeit viel bei ganz unterschiedlichen Fragen der Barrierefreiheit im Online-Kontext. Melden Sie sich gern jederzeit per E-Mail oder telefonisch (030-2830574-53) bei Martin Schirmbacher, Leonore Hilchenbach oder Moritz Schiemann.