Am 11.05.2023 wurde das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, verabschiedet. Am 02.07.2023 tritt das Gesetz in Kraft treten. Das neue Gesetz hat zum Ziel, den bisher lückenhaften und unzureichenden Schutz hinweisgebender Personen auszubauen und die inzwischen überfällige EU Whistleblower-Richtlinie und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in deutsches Recht umzusetzen.
Ziel der europäischen Vorgabe
Personen, die Hinweise auf Gesetzesverstöße in Unternehmen oder Behörden geben, sollen besser geschützt werden. Dies soll unter anderem mit Hilfe von unternehmens- bzw. behördenintern einzurichtenden Meldestellen, sowie eines Verbots von Repressalien im Falle einer Meldung durch hinweisgebende Personen, gelingen. Bislang waren Mitarbeitende gehalten, eine betriebsinterne Aufklärung zu erreichen oder im Zweifel Gesetzesverstöße an die zuständigen Behörden zu melden ohne besonderen Schutz vor Sanktionen zu erfahren. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll nun diese Gesetzeslücke schließen.
Wen und was umfasst das Gesetz?
Der Anwendungsbereich ist entsprechend der EU-Richtlinie weit gefasst. Hinweisgebende Person kann jede/r sein, der/die im beruflichen Kontext von einem Fehlverhalten erfahren hat. Damit sind nicht lediglich Arbeitnehmer:innen, sondern auch Beamt:innen, Selbständige, Praktikant:innen, Auszubildende und Freiwillige umfasst. Neben Verstößen gegen diverse europäische Regelungen oder nationales Strafrecht können beispielsweise auch Verstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder Sicherheitsvorschriften von hinweisgebenden Personen gemeldet werden.
Was ist von Unternehmensseite zu tun?
Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Nach dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip kann auch bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns eine unabhängige und vertrauliche Stelle eingerichtet werden. Diese Stelle kann für mehrere selbstständige Gesellschaften des Konzerns tätig sein. Es kann sich jedoch auch für Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden lohnen, freiwillig interne Meldestellen einzurichten, damit die Mitarbeitenden Hinweise nicht direkt an externe Meldestellen geben müssen. Die interne Meldestelle muss darüber hinaus nicht zwingend von dem Unternehmen selbst betrieben werden, sondern kann auch durch Externe, beispielsweise Anwaltskanzleien, für das Unternehmen eingerichtet und betrieben werden.
Für manche Branchen und Sektoren ist ein Hinweisgebersystem unabhängig von der Anzahl der Mitarbeitenden vorgeschrieben, wie bspw. für Unternehmen aus den Branchen Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Energie.
Bis wann muss die Umsetzung erfolgen?
Für die Einrichtung der internen Meldestelle verbleibt Unternehmen mit mindestens 50 bis zu 249 Mitarbeitenden bis zum 17.12.2023 Zeit. Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitenden sind ab dem 02.07.2023 verpflichtet, eine interne Meldestelle zu betreiben.
Wahlrecht zwischen interner und externer Meldestelle
Neben den von Unternehmen einzurichtenden internen Meldestellen sollen auch staatliche externe Meldestellen eingerichtet werden. Als externe Meldestelle soll grundsätzlich das Bundesamt für Justiz dienen. Jedoch sind für einige Bereiche spezielle Meldestellen vorgesehen.
Hinweisgebende Personen können wählen, ob sie sich an die externe oder interne Meldestelle wenden. Auch anonyme Meldungen sollen möglich sein. Allerdings besteht keine Verpflichtung seitens der Unternehmen oder Behörden, die Meldekanäle so zu gestalten, das anonyme Meldungen möglich sind.
Eine interne Meldestelle hat eine Vielzahl von technischen, prozessualen und dokumentarischen Anforderungen zu erfüllen. Das HinSchG sieht vor, dass sowohl unabhängige und fachkundige Beschäftigte als auch externe Meldestellenbeauftragte mit dem gleichen Anforderungsprofil die Meldestelle betreiben können.
Für die Einrichtung, Verwaltung und Handhabung der internen Meldestelle sollte ein/e Meldestellenbeauftragte/r tätig werden.
Bei einem eingehenden Hinweis ist zunächst die Einordnung des sachlichen Anwendungsbereiches zu klären. Es ist festzustellen, ob die individuelle Meldung überhaupt einen möglichen Verstoß gegen eine Norm beinhaltet, für welche das HinSchG anwendbar ist.
Ein Meldekanal ist organisatorisch und technisch sicher zu gestalten, einzurichten und zu betreiben. Die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, muss stets gewahrt bleiben.
Der Aufgabenbereich der Meldestelle umfasst insbesondere:
- Bestätigung der hinweisgebenden Person über den Eingang der Meldung binnen sieben Tagen
- Information der hinweisgebenden Person spätestens nach drei Monaten über getroffene Folgemaßnahmen
- Bewertung und Kategorisierung des individuellen Hinweises
- Unter Wahrung des Vertraulichkeitsgebotes ist die Meldung für drei Jahre zu dokumentieren und danach zu löschen
Meldungen können in Textform oder mündlich durch den Hinweisgeber gemeldet werden.
Wie muss die Meldestelle auf Hinweise reagieren?
Nach einem Hinweis hat die Meldestelle innerhalb von sieben Tagen der hinweisgebenden Person den Eingang des Hinweises zu bestätigen. Innerhalb von drei Monaten müssen Maßnahmen, in der Regel interne Untersuchungen, ergriffen werden und der hinweisgebenden Person eine Rückmeldung über die bereits ergriffenen oder geplanten Maßnahmen gegeben werden. Bleibt eine Meldestelle untätig, greift der Schutz für die hinweisgebende Person auch, wenn die Informationen öffentlich gemacht wurden.
Sanktionen bei Verstößen/Bußgeldtatbestand
Zum Schutz von hinweisgebenden Personen ist ein Verbot von Repressalien vorgesehen. Ungerechtfertigte Benachteiligungen wie beispielsweise Abmahnungen und Versetzungen von hinweisgebenden Personen sollen mit Geldbußen bis zu 100.000 EUR bestraft werden. Um Ansprüche als hinweisgebende Person durchsetzen zu können, ist eine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten vorgesehen. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss darlegen und nachweisen, dass es im Nachgang der Meldung nicht zu Repressalien gekommen ist.
Ebenfalls soll das unterlassene Einrichten einer internen Meldestelle oder die Hinderung der Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und der Meldestelle mit Bußgeld bis zu 100.000 EUR belegt werden können.
Ferner sind im Hinweisgeberschutzgesetz auch Schadensersatzansprüche vorgesehen. Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot ist dem/der Betroffenen der daraus entstehende Schaden zu ersetzen. Aber auch hinweisgebende Personen sollen für Schäden aufkommen, die aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen dem Unternehmen entstanden sind.
Empfehlung:
Unternehmen, die aufgrund ihrer Branche oder Beschäftigtenzahl in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fallen, ist zu empfehlen, umgehend Vorbereitungen zu treffen, eine interne Meldestellen funktionsfähig einzurichten oder eine externe Meldezustelle zu beauftragen.
Nachdem Meldungen von Hinweisgebern sowohl in Textform als auch mündlich möglich sind, sind entsprechende Kanäle einzurichten. Zudem müssen Unternehmen entscheiden, welche Personen für die Entgegennahme und Bearbeitung der Hinweise zuständig sein sollen. Falls bereits eine Meldestelle existiert, muss geprüft werden, ob Anpassungsbedarf besteht. Die Personalabteilung sollte sich auf die verschärften Beweislastregeln vorbereiten. Hier ist eine entsprechende Dokumentation zu empfehlen, insbesondere sollten Gründe für arbeitsrechtliche Sanktionen lückenlos und umfassend dokumentiert werden, damit im Falle von Streitigkeiten dargelegt werden kann, dass die Sanktionen nicht aufgrund einer Meldung erfolgt sind. Auch Meldungen selbst müssen in abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots dokumentiert werden. Erfolgt die Meldung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, sollte mit Zustimmung der hinweisgebenden Person eine Aufzeichnung, beispielsweise durch eine Tonaufnahme, erfolgen.
Bei Fragen erreichen Sie
Frau Rechtsanwältin Daniela Schumann; E-Mail: schumann@haerting.de
Herr Rechtsanwalt Christian Willert; E-Mail: willert@haerting.de