Die Textilbranche steht im Fokus aufgrund ihrer erheblichen Umweltauswirkungen. Viele Modehäuser bewerben ihre Produkte als „nachhaltig“ oder „klimaneutral“, was oft den Vorwurf des Greenwashing nach sich zieht. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen für Green Claims, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
A. Auswirkungen der Textilbranche auf die Umwelt
Die Textilindustrie zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasen und emittiert jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen CO₂. Dies übersteigt die Emissionen des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs, die zusammen etwa eine Milliarde Tonnen CO₂ ausstoßen. Die Produktion von Textilien ist zudem mit einem hohen Wasserverbrauch und dem Einsatz von Chemikalien verbunden. Diese Umweltauswirkungen werden durch die stetige Nachfrage der Verbraucher, die schnell wechselnden Trends und das breite Angebot günstiger Fast-Fashion weiter angekurbelt. Viele Kleidungsstücke bleiben ungetragen und landen im Müll, was die Umwelt zusätzlich belastet.
B. Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen
In den letzten Jahren haben viele Modeunternehmen begonnen, ihre Produktionsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Dazu gehört die Verlängerung des Lebenszyklus von Kleidung durch den Einsatz hochwertiger und umweltschonender Materialien sowie die Nutzung erneuerbarer Energien. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Wahl des Produktionsstandorts, um die Transportwege zu verkürzen. Dennoch bleibt der Erwerb von Klimazertifikaten ein gängiges Mittel zur Kompensation von Emissionen. Diese Bemühungen führen häufig zu Werbeaussagen wie „nachhaltig“ oder „klimaneutral“, was jedoch Verbraucherschützer und Wettbewerbsverbände auf den Plan ruft, die regelmäßig den Vorwurf des Greenwashings erheben.
C. Rechtliche Rahmenbedingungen für Green Claims
Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden insbesondere vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgegeben.
I. Zulässigkeit nach § 3 III UWG i.V.m. „Schwarzer Liste“ im Anhang
Die Werbeaussagen in der Textilbranche müssen zunächst den Anforderungen des § 3 III UWG und der „Schwarzen Liste“ im Anhang entsprechen. Hierbei sind insbesondere zwei Punkte von Bedeutung:
Gemäß Nr. 2 des Anhangs zu § 3 III UWG ist die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung stets unzulässig. Dies betrifft Bezeichnungen, die aufgrund einer objektiven Prüfung durch eine unabhängige Stelle vergeben werden und vom Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf besondere Güte oder Qualität verstanden werden. Ein Beispiel ist das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard), das für Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern vergeben wird. Die Qualitätssicherung erfolgt durch eine unabhängige Zertifizierung der gesamten Textillieferkette.
D. Reformbestrebungen der EU
Die EU plant im Rahmen des „Green Deal“ Verschärfungen der Richtlinien, um Greenwashing vorzubeugen. Die Empowering Consumers Richtlinie (EmpCo-RL) und die Green Claims-Richtlinie sollen unter anderem festlegen, dass Nachhaltigkeitssiegel nur auf Basis transparenter und glaubwürdiger Zertifizierungssysteme vergeben werden dürfen.
I. Anforderungen an Umweltzeichen
Gemäß Erwägungsgrund 7 der EmpCo-RL soll das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde, unzulässig sein. Private Umweltzeichen wie das GOTS-Siegel müssen Mindestanforderungen hinsichtlich Transparenz und Glaubwürdigkeit erfüllen. Art. 8 II der Green Claims-Richtlinie sieht vor, dass die Anforderungen an das Umweltzeichensystem von wissenschaftlich belastbaren Sachverständigen entwickelt worden sein müssen.
II. Verbot allgemeiner Umweltaussagen
Erwägungsgrund 9 der EmpCo-RL sieht vor, dass allgemeine Umweltaussagen ohne eine anerkannte hervorragende Umweltleistung verboten werden. Begriffe wie „klimaneutral“, „naturfreundlich“ und „umweltschonend“ fallen unter dieses Verbot.
E. Irreführung nach §§ 5, 5a UWG
Bevor diese strengen Vorgaben national umgesetzt wurden, ist die Werbung an den nicht minder strengen Maßstäben des UWG zu messen. Irreführende Angaben sind gemäß § 5 UWG unzulässig, wenn sie geeignet sind, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten.
I. Klimaneutralität
„Klimaneutralität“ ist ein mehrdeutiger Begriff. Laut Rechtsprechung ist ein Produkt CO₂-/klimaneutral, wenn es keine klimaschädlichen Emissionen verursacht oder wenn entstehende Treibhausgase nachträglich kompensiert werden. Modehäuser erreichen Klimaneutralität oft durch den Erwerb von Klimazertifikaten, die die Emissionen berechnen und kompensatorische Umweltschutzmaßnahmen finanzieren. Die Rechtsprechung betont, dass die Werbung irreführend ist, wenn die Klimaneutralität im Ergebnis nicht tatsächlich erreicht wird.
II. Kompensation durch Waldschutzprojekte
Die Geeignetheit von Kompensationsleistungen ist umstritten. Beispielsweise hat das LG Karlsruhe entschieden, dass Klimaneutralität durch Kompensation mit Waldschutzprojekten nicht erreicht werden kann, da CO₂ eine lange Verweildauer in der Atmosphäre hat und die Emissionen nicht dauerhaft neutralisiert werden. Diese Problematik wird auch in umzusetzenden EU-Regelungen adressiert, die vorschreiben, dass positive Umweltaussagen nicht auf Kompensationen basieren dürfen, sondern auf tatsächlichen Emissionsreduzierungen innerhalb der Wertschöpfungskette.
III. Aufklärungspflichten
Gemäß § 5 a UWG ist eine Irreführung auch dann gegeben, wenn wesentliche Informationen vorenthalten werden. Verbraucher müssen darüber informiert werden, ob die Klimaneutralität durch eigene Einsparmaßnahmen oder durch den Erwerb von CO₂-Zertifikaten erreicht wurde. Diese Aufklärung ist notwendig, um Verbrauchern eine informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen. Weitere erforderliche Informationen betreffen die Materialzusammensetzung und die Kriterien, anhand derer Umweltzeichen vergeben wurden.
F. Aktuelle Rechtsprechung: BGH Urteil vom 27.6.2024 – I ZR 98/23 –
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 27. Juni 2024 (I ZR 98/23) wichtige Maßstäbe für die Werbung mit Green Claims gesetzt. Das Urteil befasst sich mit den Anforderungen an die Transparenz und Richtigkeit von umweltbezogenen Werbeaussagen.
Der BGH stellte klar, dass Werbeaussagen wie „klimaneutral“ strengen Anforderungen an die Transparenz genügen müssen. Es reicht nicht aus, lediglich Klimazertifikate zu erwerben und dies als Klimaneutralität zu deklarieren. Vielmehr muss deutlich gemacht werden, ob und in welchem Umfang eigene Emissionsreduzierungen erfolgen und welche Kompensationsmaßnahmen ergriffen wurden.
Der BGH betonte, dass die Aufklärung über die Methoden zur Erreichung der beworbenen Klimaneutralität bereits in der Werbung selbst erfolgen muss. Eine bloße Verlinkung auf weiterführende Informationen, etwa durch einen QR-Code, reicht nicht aus. Die Informationen müssen ohne größeren Aufwand erkennbar und einsehbar sein. Insbesondere müssen Verbraucher darüber informiert werden, ob bestimmte Emissionen von der CO₂-Bilanzierung ausgenommen wurden und welche Schritte im Lebenszyklus des Produkts in die Bewertung einbezogen wurden.
Die bisherige Instanzen-Rechtsprechung fordert zudem eine genaue Aufschlüsselung der Kompensationsmaßnahmen. Es muss klar ersichtlich sein, ob die Klimaneutralität durch eigene Einsparmaßnahmen oder durch den Erwerb von CO₂-Zertifikaten erreicht wurde. Verbraucher erwarten, dass die behauptete Klimaneutralität durch tatsächliche Emissionsreduzierungen innerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts erreicht wird und nicht nur durch nachträgliche Kompensation.
G. Praxishinweise
Der Einsatz von Green Claims wie „klimaneutral“ birgt Risiken, die jedoch durch umfassende und transparente Aufklärung minimiert werden können. Modehäuser sollten sicherstellen, dass ihre Werbeaussagen gut dokumentiert und überprüfbar sind. Dazu gehört die Erläuterung, ob die Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Auch die Materialzusammensetzung sollte klar angegeben werden. Dies hilft, Greenwashing-Vorwürfen entgegenzuwirken und sich auf die neuen europäischen Vorgaben vorzubereiten.